Die Nachricht entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Während selbst in den USA der Widerstand gegen die umfassende Observation durch den Geheimdienst NSA wächst und der US-Senat erst im zweiten Anlauf das entsprechende Gesetz verlängerte und änderte, brach Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron am Dienstag in Jubel aus. Der US-Halbleiterhersteller Intel hatte da nämlich gerade angekündigt, sein neues europäisches Zentrum für Big Data in Frankreich anzusiedeln. Also für die Auswertung jener Daten, die unter anderem von den Aufzeichnungen verschiedenster Überwachungssysteme stammen.

Kurz zuvor hatte bereits Facebook bekannt gegeben, sein neues Zentrum zur Erforschung künstlicher Intelligenz in Paris aufzubauen. Hauptgrund für die Standortwahl sei die "Konzentration qualifizierter Fachleute für Internetrecherche und künstliche Intelligenz". Nicht unwichtig dürfte aber auch die Tatsache sein, dass Frankreich beim Sammeln und Auswerten fremder Daten wenig empfindlich ist.

Das zeigte sich zuletzt, als die Amtshilfe des Bundesnachrichtendienstes für die NSA in Deutschland hohe Wellen schlug. In Frankreich blieb es überraschend still. Dabei hat der BND im Auftrag der Amerikaner angeblich auch ranghohe Mitarbeiter des französischen Außenministeriums und des Präsidialamtes ausspioniert.

Womöglich war Staatschef François Hollande unwohl bei dem Gedanken, die USA für ein Gebaren zu kritisieren, mit dem sich Frankreich selbst trefflich auskennt. Den bereits weitreichenden Befugnissen der französischen Geheimdienste werden nämlich künftig kaum mehr Grenzen gesetzt.

Vor wenigen Tagen passierte das Abgeordnetenhaus ein Gesetz, das den Diensten gestattet, in Zukunft ohne richterlichen Beschluss und lediglich auf Anordnung des Premierministers die gesamte Kommunikation der Bürger zu überwachen – vorausgesetzt, die "nationale Sicherheit" ist bedroht. Dieser Begriff wurde freilich weit gefasst. Neben der Prävention terroristischer Anschläge soll das neue Gesetz auch die nationale Unabhängigkeit schützen sowie übergeordnete außenpolitische, industrielle und wirtschaftliche Interessen. Also gilt es eigentlich fast immer.

Mehr Befugnisse für die Dienste

Der französische Inlandsgeheimdienst DGSI erhielt bereits 2013 mehr Befugnisse. Die Reform war unter anderem Reaktion auf das Attentat 2012 auf eine jüdische Schule in Toulouse durch den muslimischen Extremisten Mohamed Mehrad. Der war zwar der Vorgängerorganisation CDRI bekannt, aber nicht als gefährlich eingestuft worden. Die Aufgaben des DGSI sind Gegenspionage innerhalb des Staatsgebiets, Terrorismus-Abwehr, Bekämpfung von Cyberkriminalität sowie die Überwachung möglicherweise gefährlicher Gruppen, Organisationen und sozialer Phänomene. Dazu gehört insbesondere das stärkere Auftreten von Immigranten-Gruppen.

Der Auslandsnachrichtendienst DGSE wurde am 2. April 1982 als Nachfolgeorganisation des Dienstes für Auswärtige Dokumentationen und Gegenspionage (Service de la Documentation Exterieur et Contre-Espionage – SDECE) gegründet. Mit einem Budget von 600 Millionen Euro pro Jahr, 3.300 zivilen Mitarbeitern sowie 1.500 Militärs obliegen ihm die Spionage und Gegenspionage außerhalb des Staatsgebietes, die Beschaffung militärischer Daten, strategischer und sicherheitspolitischer Informationen sowie zunehmend auch Informationen aus Industrie und Wirtschaft. Als ehemalige Kolonialmacht betreibt Frankreich bis heute eine Vielzahl von Abhörstationen in den ehemaligen Kolonien.

Die Zeitung Le Monde berichtete im Zuge des NSA-Skandals, der DGSE fange in ähnlich gigantischem Ausmaß Signale von Computern und Telefonen in Frankreich beziehungsweise in der Kommunikation zwischen Frankreich und dem Ausland ab. Die Daten würden über Jahre gespeichert. Die Bürger regte das jedoch nicht weiter auf.  

Zudem gibt es eine Vielzahl von Behörden, Ämtern und Abteilungen in Ministerien und beim Militär, die mit nachrichtendienstlichen Aufgaben betraut sind und die von den beiden großen Geheimdiensten gesammelten Daten verarbeiten.