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Was bringen die Schutzstreifen für Radfahrer in Bad Nauheim?

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Mehr Sicherheit im Straßenverkehr: Die Schutzstreifen weisen Radfahrern einen eigenen Bereich auf der Fahrbahn zu. Das eigentliche Problem ist aber der Zustand der Fahrbahn. Löcher, Risse und Wellen locken nicht dazu, vom Auto aufs Rad umzusteigen.
Mehr Sicherheit im Straßenverkehr: Die Schutzstreifen weisen Radfahrern einen eigenen Bereich auf der Fahrbahn zu. Das eigentliche Problem ist aber der Zustand der Fahrbahn. Löcher, Risse und Wellen locken nicht dazu, vom Auto aufs Rad umzusteigen. © Nici Merz

Die Stadt Bad Nauheim hat auf der Frankfurter Straße Schutzstreifen für Radfahrer aufbringen lassen. Gut oder eher nicht? Ein Test.

Kurz bevor der Radfahrerschutzstreifen in der Frankfurter Straße beginnt, muss man höllisch aufpassen. Ich fahre Richtung Nieder-Mörlen. Vor der Benekestraße schlägt die Asphaltdecke über mehrere Meter eine Welle. Vor allem bei Regen ist das gefährlich.

Der Schutzstreifen beginnt am Parkplatz vor dem Großen Teich. Was ins Auge fällt: Die Mittelstreifen wurden entfernt. Autofahrer müssen sich an den gestrichelten Schutzstreifen orientieren. Was offenbar nicht allen gelingt. Viele wirken verwirrt, eiern auf der Fahrbahn von links nach rechts, wissen auch nicht, ob sie den Schutzstreifen überfahren dürfen (das dürfen sie). Bei Gegenverkehr wird’s den dicken SUVs zu eng.

Vor der Ampel an der Steinfurther Straße treffe ich eine Radfahrerin aus Langenhain-Ziegenberg. »Etwas sicherer« sei das schon, sagt sie. »Aber ich war irritiert: Ist das schon fertig und freigegeben? Es gibt gar keine Schilder.« Die werden auch nicht aufgestellt. Die einzigen Markierungen sind in die Fahrbahn eingebrannte Fahrrad-Piktogramme. »Plötzlich hört der Schutzstreifen auf. Ich habe mich nicht getraut, an den Autos vorbei bis zur Ampel zu fahren«, sagt die Frau. Stattdessen weicht sie auf den Bürgersteig aus, überquert die Frankfurter Straße und wählt den Weg an der Usa, abseits des Autoverkehrs.

Lücken und Risse in der Fahrbahn

Alle paar Meter weist der Schutzstreifen eine Lücke auf, an Kreuzungen, Verkehrsinseln, vor Einfahrten. Es soll eine mit der Straßenverkehrsordnung abgestimmte Logik dahinterstecken, beim Vorbeifahren erkennt man sie nicht sofort. Genauso wie die Risse, Löcher und Längsrillen in der Fahrbahn, die beim Abfräsen alter Fahrbahnmarkierungen entstanden sind.

An der Kreuzung vor dem Kaufland setzt der Schutzstreifen wieder aus, und es lauert erneut Gefahr: Die Fahrbahndecke der Theodor-Heuss-Straße franst auf der kompletten Länge an den Rändern aus. Wer sich mit dem Rad möglichst weit rechts hält, sollte nicht auf diesen Rand kommen. Bei glatter Fahrbahn droht ein Sturz.

Ein merkwürdiger Schlenker

In umgekehrter Richtung das gleiche Bild: Flickenteppiche, Löcher und Risse in der Fahrbahn. Als Radfahrer ist man das gewohnt. Ständig holpert’s, ständig muss man Bodenwellen und ausgefransten Fahrbahnrändern ausweichen. Die Straßenverhältnisse jedenfalls sorgen nicht dafür, dass Autofahrer aufs Rad umsteigen. Und das Sicherheitsgefühl? Mit den Streifen fühle ich mich tatsächlich sicherer. Busse und Laster halten Abstand, Autofahrer rollen schneller vorbei. Ohne Schutzstreifen trauen sich viele Autofahrer nicht, Radfahrer zu überholen, selbst wenn Platz ist. Und wenn, dann holen sie groß aus und geraten in den Gegenverkehr.

An der Kaufland-Kreuzung in Fahrtrichtung Kernstadt helfen auch keine Schutzstreifen. Die werden dort ständig überfahren. Der Schutzstreifen macht hier einen merkwürdigen Bogen um die Bushaltestelle. Ich bleibe stehen, lasse 22 Autos vorbeifahren: Keines davon beachtet die Schutzstreifen, alle fahren geradeaus weiter.

Stadt: Alles konform mit STVO

Der »Kaufland-Schlenker« ist einer der Kritikpunkte, die Leser Jürgen Schmidt in einem Brief an die Stadt auflistet. »Als Autofahrer hat man das Gefühl, der entgegenkommende Fahrer wolle einen dort auf die Hörner nehmen.« Schmidt kritisiert das Entfernen der Mittelstreifen und das »extrem tiefe Abfräsen« der alten Fahrbahnmarkierungen. Er bezweifelt auch, ob die Abmessungen des Schutzstreifens und die Abstände zu parkenden Autos groß genug sind.

Sind sie, sagt die Stadt. Alles sei mit der Polizei abgestimmt, teilt Stefan Reichert vom Ordnungsamt mit. Auch die Lücken im Schutzstreifen seien im Sinne der STVO. Die alten Fahrbahnmarkierungen seien nicht aufgemalt gewesen, sondern in den Asphalt eingelassen. Daher die »Furchen«, die aber zeitnah ausgebessert würden. Reichert: »Der Schutzstreifen räumt dem Radfahrer einen Schonraum ein und trägt nach Erkenntnissen der Verkehrsforschung zur erhöhten Aufmerksamkeit der Fahrzeugführer und zur Steigerung der Verkehrssicherheit bei.«

Sicher: Für den Schutz der Radfahrer ist der Schutzstreifen ein Anfang. Wer mehr Radverkehr will, muss mehr dafür tun.

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