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Wortwahl in der Flüchtlingsdebatte Gabriels Weg der Eskalation

Er spricht von "Pack" oder von "Arschlöchern". In der Flüchtlingsdebatte wählt Vizekanzler Gabriel den falschen Ton. Wer für die Würde des Menschen eintritt, darf selbst den Anstand nicht verlieren.
Sigmar Gabriel (Archivbild): Handeln, nicht blöken

Sigmar Gabriel (Archivbild): Handeln, nicht blöken

Foto: Ernesto Mastrascusa/ dpa

Sigmar Gabriel, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und Nachfolger des Friedensnobelpreisträgers Willy Brandt, beschädigt die politische Kultur des Landes. Vor wenigen Wochen hat Gabriel Menschen als "Pack" bezeichnet, nun hat er andere als "Arschlöcher" tituliert. In beiden Fällen hat er auf Menschen, die sich unzivilisiert verhielten, unzivilisiert reagiert. Er wählte den Weg der verbalen Vergeltung. Er wählt den Weg der Aufrüstung, nicht der Abrüstung. Willy Brandt kann sein Vorbild nicht sein.

Mit "Pack" meinte Gabriel Menschen, die auf ungehörige Weise gegen Asylbewerber hetzten, mit "Arschlöcher" meinte er die Täter, die in Köln auf ungehörige Weise Frauen misshandelten. (Lesen Sie hier die Titelgeschichte im aktuellen SPIEGEL zu dem Thema). In beiden Fällen sind Strafverfolgung und öffentliche Ächtung angebracht, aber keine Herabwürdigungen.

Wer für die Würde des Menschen eintritt, darf selbst den Anstand nicht verlieren. Verbalinjurien sind genug im Umlauf. Den Wettbewerb "Wer schimpft am lautesten im ganzen Land" wird Gabriel nicht gewinnen. Er soll dies auch nicht. Von einem Vizekanzler kann man konkrete Taten erwarten. Er soll handeln, nicht blöken. Er könnte etwa zum Thema Fluchtursachen etwas konkreter werden. Als Wirtschaftsminister ist er quasi Waffenexportminister.

Die politische Auseinandersetzung in Deutschland ist im Zustand rasanter Verrohung. In dieser Situation brauchen wir Politiker, die den inneren Frieden im Blick haben, ihn fördern. Man darf ruhig an Willy Brandt erinnern. Dessen Erbe aber agiert nicht wie der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, sondern wie der Vorsitzende der Vereinten Stammtische. Wo Mäßigung nötig wäre, bedient er die Maßlosigkeit.

Welcher Lehrer soll noch auf dem Schulhof zu Anstand und Sitte mahnen, wenn ein Vizekanzler und Parteivorsitzender schon nicht mehr die Form wahrt?