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Am 14. Juni wäre Che Guevara 80 Jahre alt geworden. Sein Mythos lebt bis heute fort. Zum Popidol der 68er machte den Guerillakämpfer das Bild des Fotografen Alberto Korda. Doch der Schnappschuss verklärt den Blick auf den brutalen Revolutionär.
Von Michael Castritius, ARD-Hörfunkstudio Mexiko
[Bildunterschrift: Zauselhaare und Baskenmütze mit Stern: Das Bild gehört zum kollektiven Gedächtnis der Menschheit. ]
Lange Zauselhaare im Wind, lückenhafter Bart, Baskenmütze mit Stern, fester und gleichzeitig träumerisch-entrückter Blick schräg nach oben, gen Zukunft gerichtet. Das Bild, das der Fotograf Alberto Korda von Ernesto "Che" Guevara schoss, hat sich in das kollektive Gedächtnis der Menschheit eingebrannt. Weltweit projiziert es sich in die Köpfe der Menschen, wenn sie den Namen des Revolutionärs hören.
"Es hat mich sehr beeindruckt, was ich durch den Sucher sah", erinnert sich Korda. "Dieser Gesichtsausdruck. Ich sage dir: Als ich den durch die Kamera gesehen habe, machte ich instinktiv einen Schritt nach hinten. Regelrecht erschrocken war ich. Zweimal drückte ich im gleichen Moment auf den Auslöser."
[Bildunterschrift: Der Fotograf Alberto Korda war von seinem eigenen Bild erschrocken. ]
Ein Bild für die Ewigkeit war im Kasten. Rechts am Rand noch eine Palme, am linken Rand noch ein halbes Gesicht im Profil – beides wurde wegretuschiert. Es blieb: der pure Che. Das kraftvolle Konterfei eines 31-jährigen Mannes.
Seine Wirkung entfalten sollte das Bild aber erst sieben Jahre später. Im Aufnahmejahr 1960 diente Che Guevara der erfolgreichen kubanischen Revolution als Präsident der Nationalbank und später als Industrieminister. Das Bild landete zunächst unveröffentlicht in der Schublade des Fotografen Alberto Korda.
Erst als Che Guevara 1967 nach aussichtslosem Kampf in Bolivien hingerichtet worden war, erwachte das Bild zum Leben. Korda überließ dem linken italienischen Verleger Giacomo Feltrinelli zwei Abzüge des Fotos. Feltrinelli ließ die ersten tausend Poster drucken. Bald hingen sie in jeder Studentenbude oder Wohngemeinschaft der 68er-Bewegung, gleich neben Lenin und Jimi Hendrix, Ho Chi Minh und Janis Joplin.
Ein Idol, das ist das Bild, das wir uns von jemandem machen. Das Bild vom Che machte Alberto Korda für uns. Die in Mexiko lebende Britin Trisha Ziff hat eine Ausstellung und einen Film über dieses Foto und seine Wirkung gemacht. Sie ist sich sicher: ohne das Korda-Bild des "heroischen Guerillero" würde es den Che-Mythos heute nicht geben.
"Wenn Che Akne gehabt hätte und dick gewesen wäre, hätte dieses Foto niemals diese Kraft gehabt", so die Kunstexpertin. Che Guevara aber hatte Charisma. Mit seinem langen Haar sei er ein erstaunlich attraktiver Mann gewesen. Vielleicht sei Guevara ein von Waffen angetriebener Mann gewesen, aber er las auch Gedichte, hatte Humor.
"Wir alle träumen gerne, wir alle haben Helden, vor allem in unserer Jugend. Und wir wollen die Welt verändern. Solange das bei kommenden Generationen so bleibt, gibt es auch Bedarf an ikonenhaften Darstellungen", ist sich Trisha Ziff sicher. Denn das Bild des "heroischen Guerillero" sei das Symbol für den Wunsch, etwas zu verändern. Auch wenn dieser Wunsch oft nichts mit Revolution, nichts mit den Idealen Che Guevaras zu tun habe, werde das Bild dennoch seine Gültigkeit behalten.
[Bildunterschrift: T-Shirts, Feuerzeuge und Notizbücher: Mit Che Guevara lässt sich immer noch Geld verdienen. ]
Und seinen Marktwert: längst gilt es als das am häufigsten reproduzierte Foto der Welt. Es prangt vor allem auf T-Shirts und Postern, aber auch auf Taschen, Kaffeetassen, Wein- und Bierflaschen, Streichholzschachteln, Telefonkarten, Armbanduhren, Schlüsselanhängern, Aufnähern, roten Fahnen, Abziehbildern und Krawatten. Che Guevara ist die globalisierte, romantische Ikone – der James Dean der Revolutionen.
Der Wirklichkeit entrückt
Wen interessiert da noch, dass dieser Linksheilige dutzende Hinrichtungen anordnete? Dass er auch schon mal selbst abdrückte? Dass er gar den sowjetischen Atomschlag gegen die USA forderte? Das Foto des Alberto Korda hat Che Guevara der Wirklichkeit entrückt. Manchmal sehr weit entrückt, wie etwa für Wolf Biermann.
Der Sänger machte sich unter dem Einfluss dieses Bildes einen sehr eigenwilligen Reim - auf Zigarre: "im schwarzen Bart die Zigarre, Jesus Christus mit der Knarre, so führt ein Bild uns zur Attacke, Comandante Che Guevara.