Infografik

Studie : Jede fünfte Schulleitung will Arbeitsplatz wechseln

Aktualisiert im Mai 2021

Eine Studie von 2020 zeigt, dass viele Schulleiterinnen und Schulleiter in Deutschland ihre aktuelle Schule verlassen möchten, weil sie sich weiterentwickeln wollen. Durch die Corona-Krise wird dieser Wechselwunsch noch einmal verstärkt. Die Umfrage ist Grundlage einer Studie, in der Bildungsforscher von drei Hochschulen gemeinsam die Karrieren von Schulleitungen genauer beleuchtet haben: Wer wird Schulleiterin oder Schulleiter? Was macht die Position attraktiv? Wo liegen Probleme? Die Ergebnisse liegen dem Schulportal vorab exklusiv vor. Ergänzt wurde die Studie 2021 um eine zusätzliche Auswertung der Erfahrungen von Schulleitungen in der Corona-Krise.

Schulleitungen werden händeringend gesucht. Wie eine Abfrage der Deutschen Presse-Agentur bei den Bildungsministerien der Länder Ende 2019  ergab, sind bundesweit mehr als 1000 Leitungsstellen an öffentlichen Schulen unbesetzt. Betroffen von dem Mangel sind vor allem Grundschulen. Entspannung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Wie eine aktuelle Studie zu Karrieren von Schulleitungen in Deutschland zeigt, denken 20 Prozent der Schulleitungen darüber nach, ihre aktuelle Schule zu verlassen und den Arbeitsplatz zu wechseln.

Für die Studie haben Bildungsforscher der Universitäten Tübingen und Lüneburg sowie von der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz vom Meinungsforschungsinstitut forsa Ende 2019 repräsentative Daten unter Schulleitungen in Deutschland erheben lassen. Die Ergebnisse liegen vorab exklusiv dem Schulportal vor.

Ziel der Studie war es, herauszufinden, wer das Amt der Schulleitung bekleidet, welche Karrierewege zu dieser Position geführt haben, was sie attraktiv macht, aber auch, welche Belastungsfaktoren es gibt.

Nur jede zweite Schulleitung ist weiblich, obwohl viel mehr Frauen Lehrkräfte sind

Schulleitungen in Deutschland sind im Schnitt 54 Jahre alt und überwiegend weiblich – 54 Prozent der Stellen haben Frauen inne. Allerdings spiegelt diese Zahl nicht den Anteil von Frauen im Kollegium wider. In den Grundschulen machen Frauen 89 Prozent aller Lehrerstellen aus, aber nur 72 Prozent der Leitungen. In den weiterführenden Schulen ist das Kollegium zu 65 Prozent weiblich, auf den Leitungsstellen sitzen aber nur zu 37 Prozent Frauen. Einen Migrationshintergrund haben lediglich 4 Prozent aller Schulleitungen.

Das Einkommen von Schulleitungen beträgt im Schnitt 66.175 Euro brutto im Jahr. Allerdings gibt es je nach Schulart und Alter erhebliche Unterschiede. So reicht das Jahreseinkommen von 30.000 bis zu über 100.000 Euro brutto.

Schulleiterinnen oder Schulleiter werden in Deutschland Personen, die im Schnitt zuvor 15 Jahre als Lehrkräfte gearbeitet und in dieser Zeit knapp dreimal die Stelle gewechselt haben. Die insgesamt 405 befragten Schulleitungen sind im Durchschnitt seit neun Jahren in dieser Position.

Jede zweite Schulleitung hat für die Position keine Qualifizierung absolviert

Was sie vor allem motiviert hat, diesen Posten zu bekleiden, ist der Wunsch, neue Ideen zu entwickeln. Das wollen 93 Prozent (siehe Grafik). Fast ebenso viele sehen darin eine abwechslungsreiche Tätigkeit und die Möglichkeit, eigene Entscheidungen zu treffen. Die Steigerung des Einkommens spielt nur für jeden Dritten (36 Prozent) eine Rolle, und 27 Prozent hoffen, mit der Position die weiteren Aufstiegsmöglichkeiten zu verbessern.

Qualifiziert haben sich knapp die Hälfte (45 Prozent) aller Schulleiterinnen und Schulleiter bei den Landesinstituten, die für Lehrerbildung und Schulentwicklung zuständig sind. An einer Hochschule haben sich 17 Prozent für diese Position vorbereitet. 51 Prozent der Befragten gaben allerdings an, dass sie keine Vorbereitungsqualifikation an einer dieser Institutionen absolviert haben.

44 Prozent finden Bezahlung nicht angemessen

Im Schnitt arbeiten Schulleitungen 50 Stunden in der Woche. Elf Stunden entfallen dabei auf Unterricht, der größte Teil sind Aufgaben der Verwaltung und Organisation. „Schulleitungen führen überwiegend Tätigkeiten aus, die dazu dienen, den reibungslosen Ablauf des Alltagsgeschäfts sicherzustellen“, heißt es in der Studie. Schulentwicklung und die Erneuerung von Prozessen kommen da oft zu kurz. 40 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich damit nur wenig befassen.

Da passen Wunsch und Wirklichkeit nicht zusammen. Denn wenn 93 Prozent der Befragten in die Schulleitung gehen wollten, um neue Ideen zu entwickeln, dann ist dafür in der Praxis offenbar nur wenig Raum.

Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass 20 Prozent der Schulleitungen angeben, dass sie darüber nachdenken, die aktuelle Schule zu verlassen und den Arbeitsplatz wechseln zu wollen. Besonders groß ist der Wechselwunsch an Hauptschulen. Hier will sogar jede vierte Schulleitung die eigene Schule so schnell wie möglich oder zumindest dann, wenn sich etwas Besseres ergibt, verlassen. Die Hälfte der Wechselwilligen (52 Prozent) nannte als Motiv den Wunsch nach beruflicher Entwicklung. Auch hier ist der Anteil bei den Schulleitungen von Hauptschulen am größten. 44 Prozent der Befragten, die wechseln wollen, finden die gegenwärtige Bezahlung unangemessen, und 31 Prozent fühlten sich zu wenig unterstützt.

Arbeitszufriedenheit in der Schulleitung hat durch die Corona-Krise deutlich abgenommen

Hinzu kommen große Belastungsfaktoren: 53 Prozent aller Schulleiterinnen und Schulleiter berichten über chronischen Stress aufgrund von Arbeitsüberlastung. Im Schnitt findet ein Viertel (24 Prozent), die eigene Arbeit werde zu wenig anerkannt. Unter dieser sogenannten Gratifikationskrise leiden Schulleitungen von Gymnasien allerdings weniger (15 Prozent), Schulleitungen von Gesamtschulen und Schulen mit mehreren Bildungsgängen mehr (28 Prozent). 16 Prozent aller Befragten gaben sogar an, dass sie unter Burnout-Symptomen leiden. Hier liegen Schulleiterinnen und Schulleiter von Gesamtschulen und von Schulen mit mehreren Bildungsgängen mit knapp 20 Prozent über dem Durchschnitt.

Besonders in der Corona-Krise hat die Belastung für Schulleitungen zugenommen. Das hat offenbar auch bei vielen für Unzufriedenheit gesorgt. „Erste Analysen einer Folgebefragung, die wir im April und Mai dieses Jahres durchgeführt haben, deuten darauf hin, dass die Arbeitszufriedenheit der Schulleitungen infolge der bundesweiten Schulschließungen deutlich abgenommen hat: War vorher nur jede 20. Schulleitung mit ihrer Arbeit (eher) unzufrieden, ist es aktuell etwa jede sechste“, erklärt Marcus Pietsch von der Leuphana Universität Lüneburg, der an der Untersuchung beteiligt war.

Eine positive Einschätzung hat die Corona-Krise allerdings auch gebracht: Während Ende 2019 der Aussage „Ich muss Arbeiten erledigen, die mir unsinnig erscheinen“ noch fast zwei Drittel der befragten Schulleiterinnen und Schulleiter zustimmten, war es jetzt nur etwas mehr als die Hälfte.

Ergänzende Untersuchung zur Corona-Pandemie

  • Im Mai 2021 ist eine ergänzende Untersuchung zur Schulleitungsstudie erschienen. Dabei ging es um die Sicht von Schulleiterinnen und Schulleitern zu ihrer Arbeit während der Corona-Krise.
  • Befragt wurden Schulleitungen dazu, wie und über welche Kanäle die Kommunikation zu Schülerinnen und Schülern während der Schulschließungen lief, wie erfolgreich der Fernunterricht war, welche Probleme es bei seiner Umsetzung gab und wie sich die Corona-Krise auf die Arbeit der Schulleitung ausgewirkt hat.
  • Der Kurzbericht zur Studie steht hier zum Download bereit:

Auf einen Blick

  • Für die Studie Karrieren von Schulleitungen wurden Ende 2019 und noch einmal während der Corona-Krise im April und Mai 2020 Schulleiterinnen und Schulleiter deutschlandweit und von allen Schularten zu ihrem Werdegang, zu ihrer Motivation und zu Problemen in der Position befragt.
  • Die Folgebefragung ist auch Grundlage einer zweiten Untersuchung, bei der Schulleitungen zur Arbeit in der Corona-Pandemie und speziell zum Fernunterricht befragt wurden (s. PDF zum Download).
  • In dieser Folgebefragung zeigte sich auch ein großes Stadt-Land-Gefälle. So erhielten zum Beispiel nur etwa 25 Prozent der Schülerinnen und Schüler in den ländlichen Regionen Deutschlands während der Schulschließung Lernmaterialien über Lernplattformen – in Städten waren es etwa 60 Prozent.
  • Beteiligt an der Untersuchung waren die Universitäten in Lüneburg (Marcus Pietsch) und Tübingen (Colin Cramer, Jana Groß Ophoff) sowie die Pädagogische Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz (Pierre Tulowitzki).