Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich dafür ausgesprochen, den Wohlstand in Deutschland nicht nur anhand ökonomischer Faktoren zu messen. Beim Besuch von Ministerpräsident Lotay Tshering, der das Himalaya-Königreich Bhutan führt, zeigte sich Scholz beeindruckt von dem dort erhobenen "Bruttonationalglück". Anstatt nur die Wirtschaftsleistung fließt dort eine Reihe weiterer Faktoren mit ein, um den Wohlstand des Landes zu bewerten.

Das Land mit rund 800.000 Einwohnern spiele damit eine "Vorreiterrolle", sagte Scholz auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Tshering. "Bhutans Idee, das Glücksgefühl seiner Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen, ist faszinierend", so der Kanzler. Er finde es "sehr sinnvoll", Wohlstand auch mit nicht-materiellen Indikatoren zu bewerten. Dazu zählt Bhutan etwa gutes Regieren, nachhaltige soziale und wirtschaftliche Entwicklung, Kulturförderung und Klimaschutz.

Mit dem ersten Jahreswirtschaftsbericht der Ampel-Regierung sei ein Schritt gemacht worden, indem man dort auch soziale und ökologische Indikatoren berücksichtigt habe. Das war im Koalitionsvertrag so vereinbart und von Wirtschaftsminister Robert Habeck umgesetzt worden.

Besonders Bhutans Vorstöße beim Klimaschutz bezeichnete der Kanzler als "beeindruckend". Denn als einzige Nation der Welt absorbiert Bhutan mehr CO₂, als es ausstößt. Dazu tragen große Wälder bei, die mehr als zwei Drittel der Landesfläche bedecken und massenweise Kohlenstoffdioxid binden. Deutschland will die sogenannte Klimaneutralität 2045 erreichen, indem es seine Energieversorgung auf erneuerbare Energie umstellt. 

Tshering will "Ausbildung nach deutschem Standard"

Ob er das Bruttonationalglück für übertragbar auf Deutschland halte, wollte Ministerpräsident Tshering nicht sagen. Er "renne übrigens auch nicht durch die Gegend und predige Glück". Stattdessen sei es eine Regierungsphilosophie, nach der er und andere Regierungsmitglieder ihr politisches Handeln ausrichten. 

Bhutan liegt zwischen Indien und China und hat sich lange abgeschottet. Erst 2020 nahm es mit Deutschland diplomatische Beziehungen auf, Tshering ist daher das erste Regierungsmitglied Bhutans, das Deutschland besucht. Der Ministerpräsident bezeichnete seinen Gastgeber als Vorbild, besonders bei der Ausbildung von Fachkräften. Er hoffe, dass es in seinem Land in "zehn bis 15 Jahren" berufliche Ausbildungseinrichtungen nach deutschem Standard geben werde. Außerdem soll Deutschland dem Land beim Ausbau der Sonnen- und Windenergie helfen.