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110 Christoph Sommerfeld, … Sterne mal Sterne durch DOI 10.1515/pz-2012-0006 Sonne ist Mond – Bemerkungen Praehistorische über die Nebra-Scheibe Zeitschrift 2012; 87(1): 110–131 I. Abhandlungen Christoph Sommerfeld … Sterne mal Sterne durch Sonne ist Mond – Bemerkungen über die Nebra-Scheibe Abstract: Die Bildkomposition der Himmelsscheibe von Nebra zeigt ursprünglich Sonne und Mond, eine Sternenhäufung und eine Anzahl gleichmäßig verteilter Sterne. Die Urscheibe ist eine starke Ikone. Ihre visuelle Analyse ergibt Hinweise, dass in der Bildanordnung das Motiv des Meton-Zyklus’ bekundet wird. Dies gibt Anlass, den Meton-Zyklus auch arithmetisch zu überprüfen. Die über die Sternenkonstellation implizierte ‚Mathematik‘ erweist sich als dessen präziser numerischer Aufschluss. Das schon bei den TrundholmScheiben konstatierte mathematische Verfahren – Dezimalbrüche astronomisch relevanter Werte durch Potenzieren/Radizieren in Ganzzahlen zu verwandeln – ist auf der Urscheibe von Nebra mit hoher Meisterschaft hinterlegt. Die derart erzielte Genauigkeit entspricht bereits unserem heutigen Kenntnisstand der Zyklen von Sonne und Mond. Der Meton-Zyklus ist diejenige Periodizität, der die Zyklen von Sonne und Mond gemeinsam unterliegen und darf in prähistorischer Zeit als Offenbarung für das Mysterium des Lichtwechsels gelten. Im Meton-Zyklus drückt sich die Gotteserkenntnis der bronzezeitlichen Religion aus. Wie die Bildhaftigkeit ist auch die numerische Verschlüsselung der astronomischen Zyklen von schlichter Schönheit und Geradlinigkeit. Die Urscheibe von Nebra erweist sich als ‚Mutter aller Scheiben‘ der mitteleuropäischen Bronzezeit. Ihre Bildkomposition ist überragend. examen arithmétique. Les «mathématiques» impliquées par le biais de la constellation stellaire se révèlent être son exacte clé de déchiffrage numérique. Le processus mathématique déjà utilisé sur les disques de Trundholm – transformation de fractions décimales de valeurs significatives astronomiquement en nombres entiers au moyen de l’élévation à une puissance ou de l’extraction de la racine – s’exprime avec une grande maîtrise sur le disque originel de Nebra. La précision obtenue de cette manière correspond à l’état actuel de notre connaissance des cycles solaire et lunaire. Le cycle de Méton est la périodicité qui régit à la fois les cycles solaire et lunaire et peut être considéré comme la révélation, à l’époque préhistorique, du mystère de l’alternance lumineuse. Le cycle de Méton exprime la connaissance divine de la religion de l’âge du Bronze. A l’instar du caractère imagé, le chiffrage numérique des cycles astronomiques est d’une beauté et d’une structure rectiligne sobres. Le disque originel de Nebra se révèle comme «le père de tous les disques» de l’âge du Bronze de l’Europe centrale. Sa composition iconographique est exceptionnelle. Keywords: Deutschland; Europäische Bronzezeit; Himmelsscheibe von Nebra; Trundholm; Bildsprache; Mathematik der Bronzezeit; astronomische Verschlüsselung; Meton-Zyklus; Mysterium des Lichtwechsels; Dogma. Abstract: The original composition of the Nebra Sky Disk shows the Sun and Moon, a concentration of stars and a number of equally distributed stars. The original disk is a strong icon. The visual analysis indicates that the Metonic cycle is manifested in the pictorial arrangement. This gives rise to an arithmetical examination of the Metonic cycle. The implied “mathematics” of the star constellation turns out to be a precise numerical coding system. The mathematical technique said to be used in the Trundholm disk – namely, that decimal fractions of astronomically relevant values are converted into integers through exponentiation/root extraction – has been masterfully implemented on the Abstract: La composition du disque céleste de Nebra présente à l’origine le soleil et la lune, une concentration d’étoiles et un certain nombre d’étoiles dispersées uniformément. Le disque originel est une puissante icône. L’analyse visuelle livre des éléments indiquant que le motif du cycle de Méton s’exprime dans la composition du disque. C’est alors l’occasion de vérifier ce cycle par un Keywords: Allemagne; âge du Bronze européen; disque céleste de Nebra; Trundholm; langage iconographique; mathématiques de l’âge du Bronze; chiffrage de l’astronomie; cycle de Méton; mystère de l’alternance lumineuse; dogme. Angemeldet | sommerfeld.christoph@gmx.de Autorenexemplar Heruntergeladen am | 11.01.13 16:24 Christoph Sommerfeld, … Sterne mal Sterne durch Sonne ist Mond – Bemerkungen über die Nebra-Scheibe Nebra Sky Disk. The precision found here corresponds to our present-day understanding of the solar and lunar cycles. The Metonic cycle is that periodicity to which the solar and lunar cycles are both subjected. It may be said to reveal the mystery of light change. The Metonic cycle is an expression of how Bronze Age religion understood God. Both the imagery and the numerical coding of the astronomical cycles are of simple beauty and directness. The Nebra Sky Disk proves to be the “mother of all disks” of the Central European Bronze Age. Its pictorial composition is outstanding. Keywords: Germany; European Bronze Age; Nebra Sky Disk; Trundholm; pictorial language; Bronze Age mathematics; astronomical coding; Metonic cycle; mystery of light change; dogma. Dr. Christoph Sommerfeld: An den Eichen 48, 24248 Mönkeberg Einleitung H. Meller1 drückt anlässlich der ersten großen Präsentation der Himmelsscheibe von Nebra in folgendem Zitat treffend aus, was ihre Faszination ausmacht: „Der Anblick der Scheibe fasziniert nicht nur Archäologen auf den ersten Blick, da sie ein in dieser frühen Zeit völlig unerwartetes nüchternes und aufs Wesentliche reduziertes Bild des nächtlichen Sternenhimmels zeigt. Unerwartet deshalb, weil wir bis zur Himmelsscheibe von Nebra trotz einer unüberschaubaren Zahl archäologischer Funde kein einziges vergleichbares Abbild kannten. Das Erscheinungsbild der Himmelsscheibe im ursprünglichen Zustand war nicht das heutige Grün, das durch Korrosion entstand, sondern vermutlich ein tiefes Dunkelbraun, ja fast Schwarz, auf dem sich die goldenen Sterne eindrucksvoll wie auf dem Nachthimmel selbst abhoben. Es handelt sich so bei der Bronzescheibe um die nach unserer Kenntnis bislang älteste konkrete Himmelsdarstellung der Menschheitsgeschichte. Überraschend wurde sie nicht in Ägypten oder dem Vorderen Orient, sondern hier in Mitteleuropa gefunden. Jedem Betrachter ist sofort klar, dass sich hinter der scheinbar einfachen Darstellung komplizierte astronomische Inhalte verbergen, die es zu enträtseln gilt. […] Die Himmelsscheibe ermöglicht nun eine grundlegende Neubewertung der vorgeschichtlichen astronomischen Kennt- 1 Meller 2004, 23ff. 111 nisse und gewährt sogar Einblick in ein frühbronzezeitliches Weltbild.“ Seit Bekanntwerden der Himmelsscheibe von Nebra im Jahre 2002 sind unzählige Beiträge – medial weit gestreut – erschienen, die die Scheibe zum Inhalt haben. Menge und Farbigkeit der darin enthaltenen Theorien sind inzwischen nicht mehr zu überblicken. Dies ist Ausdruck des allgemeinen Interesses, das diesem archäologischen Ausnahmeobjekt entgegengebracht wird und auch Laien zur Teilhabe herausfordert. Die ‚scheinbar einfache Darstellung astronomischer Inhalte‘ legt nahe, dass das Geheimnis auch ohne tiefe archäologische Kenntnisse zu enträtseln sei. Die Scheibe ist mehrfach umgearbeitet worden, bevor sie nach Aussage der Beifunde um 1600 v. Chr. auf dem Mittelberg in der Gemarkung Ziegelroda bei Nebra in Sachsen-Anhalt in den Boden kam. Suchen wir nach den originären Intentionen ihrer Bildkomposition, müssen wir die Urscheibe ergründen. Ausschließlicher Gegenstand dieser Untersuchung ist deshalb die Scheibe in ihrem ursprünglichen Gepräge. Der Ansatz zu dieser Studie ergab sich aus der kürzlich vorgelegten Analyse des Dekors der beiden Scheiben (Vorder- und Rückseite) des nicht weniger bekannten sog. ‚Sonnenwagens von Trundholm‘. Wer ‚astronomisch-archäologische‘ Studien an bronzezeitlichen Gegenständen betreiben will, muss die Arithmetik der Dekorelemente in den akzentuierten Zonen der Bronzen untersuchen. Auf dieses Prinzip sind letztlich alle ‚Kalenderforscher‘ angewiesen. Anhand der Trundholm-Scheiben konnte nun ein Verfahren skizziert werden, das es ermöglicht, die häufig unterstellte, aber bisher nicht befriedigend belegbare Verschlüsselung astronomisch relevanter Werte mittels numerisch arrangierter Dekorelemente mathematisch nachzuweisen. Im Ziermuster der Trundholm-Scheiben und ihrer Äquivalente – den scheibenförmigen Gürtelbronzen – sind arithmetische Bezüge hinterlegt, die die astronomischen Werte der Zyklen von Sonne und Mond sehr genau wiedergeben. Im zonal gegliederten Kreis-/Spiralgruppen-Dekor der Zierscheiben wird die genaue Kenntnis des Laufs beider lichtbringender Gestirne mitgeteilt, sowie die des Meton-Zyklus’ – der gemeinsamen, übergreifenden Periodizität von Sonne und Mond. Im MetonZyklus offenbart sich die Gotteserkenntnis der bronzezeitlichen Religion. Die im Dekor implizierte Mathematik ist – wie die Zierscheiben selbst – von großer Schönheit und Ästhetik. Es gelang den ‚Scheibeningenieuren‘ ohne das damals noch unbekannte – uns heutigen Menschen vertraute – dezimale Positionssystem auszukommen, indem sie die zyklischen Werte multiplizierten und potenzierten. Angemeldet | sommerfeld.christoph@gmx.de Autorenexemplar Heruntergeladen am | 11.01.13 16:24 112 Christoph Sommerfeld, … Sterne mal Sterne durch Sonne ist Mond – Bemerkungen über die Nebra-Scheibe Erarbeitung und Grundzüge dieser ‚Trundholm-Mathematik‘ sind ausführlich dargelegt worden2. In der Bildkomposition der Himmelsscheibe von Nebra sind bereits sämtliche Grundlagen der späteren ‚Trundholm-Mathematik‘ hinterlegt. Sie erweist sich dadurch als Vorläuferin aller mitteleuropäischen Bronzescheiben. Im Folgenden werden diese Sachverhalte Schritt für Schritt dargelegt. Abschließend soll versucht werden, das Phänomen der ‚Trundholm-Mathematik‘ intensiver zu hinterfragen. Wenn wir konstatieren können, dass kultisch-religiöse Äußerungen in Form arithmetischer Bezüge zur Himmelsmechanik gebündelt und im Dekor der Bronzen mitgeteilt werden, müssen wir das Bild des ‚reinen Sonnenkultes‘ überdenken. Die vorliegende Studie ist gewissermaßen eine Fortsetzung der oben erwähnten Trundholm-Analyse. Der Leser möge Verständnis dafür aufbringen, wenn auch hier der nämliche sprachlichen Duktus3 beibehalten wird – insbesondere die Einbeziehung des Lesers durch das Pronomen ‚wir‘. Auch müssen wir uns erneut mit mathematischen Termen beschäftigen. Die schrittweise Darlegung des nicht ganz unkomplizierten Sachverhalts erfordert gelegentlich Wiederholungen, wenn bereits erörterte Gedankengänge in anderen Zusammenhängen diskutiert werden. Von sachlichen Fakten abgesehen, die die Himmelsscheibe betreffen, benötigt die vorliegende Arbeit keine Rückgriffe auf Hypothesen anderer Autoren. Die astronomischen Zusammenhänge sind allgemeiner Art und stehen in jedem Lexikon. Die Urscheibe Das uns geläufige Bild der ‚Himmelsscheibe von Nebra‘ ist das Ergebnis mehrerer Umgestaltungen. Ursprünglich bestand die Bildkomposition der Himmelsscheibe lediglich aus Sonne und Mond und Sternen. Diese Urfassung wurde viermal verändert. In diesem Beitrag betrachten wir ausschließlich die Urscheibe (Phase I); d.h. das vorsätzliche Bildmuster vor der Versetzung und Überdeckung von Sternen im Zuge der Hinzufügung der ‚Randbögen‘ (Phase II), der Hinzufügung der ‚Barke‘ (Phase III), dem Anbringen der randlichen Durchlochungen (Phase IV) und schließlich der Entfernung, des Verlustes eines der Randbögen (Phase V)4. 2 Sommerfeld 2010. Wird hierauf im aktuellen Text verwiesen, ermöglicht die Anmerkung eine Vertiefung der betreffenden Auslassung. 3 Ebd. 213. 4 Urscheibe (Phase I): Meller 2004, Abb. S. 29, Phase I; auch Hansen 2007, 289 Abb. 1. Phasenableitungen: Meller 2004, 28f.; Wunderlich 2004, 40f.; Pernicka 2004, 36f. Über die Zeiträume, in denen die Abänderungen zur Wirkung kamen, lässt sich nichts Genaues aussagen. Die Aufeinanderfolge der ersten vier Phasen aber ist eindeutig ableitbar. Über Aufbau, Gepräge, Gestaltung und Bestand der Urscheibe bestehen keine Zweifel. Die nachträglich tauschierten Goldapplikationen (Randbögen, Barke) heben die primäre inhaltliche Aussage formal auf – sie sind Zeichen einer nachdrücklichen inhaltlichen Umbewertung. Die ‚Trundholm-Mathematik‘5 Die im Folgenden abgeleiteten Erkenntnisse über die Nebra-Urscheibe sind ohne Rückgriff auf die Ergebnisse, die die astronomisch-mathematische Analyse der Trundholm-Scheiben und ihrer Äquivalente ergeben haben, nicht fassbar. Erst mit Kenntnis der ‚Trundholm-Mathematik‘ ist es möglich, die in der Bildkomposition der Nebra-Urscheibe implizierte Mathematik zu erkennen. Wie erwähnt, hat Verfasser die ‚Trundholm-Mathematik‘ kürzlich ausführlich dargelegt. Die Lektüre dieses Artikels ist zum Verständnis des hier Erörterten nicht zwingend erforderlich – aber hilfreich. Dort werden wesentliche Herleitungen im Zusammenhang mit der ‚Mathematik der Bronzezeit‘ aufgezeigt, die hier nicht ausführlich wiederholt werden sollen. Auf der Urscheibe von Nebra findet das im Zusammenhang mit den Nordischen Gürtelbronzen geschilderte mathematische Verfahren seine bisher früheste Bestätigung. Noch einmal: Aus sich heraus offenbart die Nebra-Urscheibe diesen Einblick nicht. Mit dem Wissen um die ‚Trundholm-Mathematik‘ hingegen erschließt sich dieser eindeutig und verständlich. Die Nebra-Urscheibe enthält bereits die mathematische Arbeitsweise, die später im Nordischen Kreis im De- 5 Natürlich gibt es nur eine Mathematik. Reden wir von ‚TrundholmMathematik‘, ist eine Form der „Ethnomathematik umschrieben, eines noch jungen, jedoch in rascher Entwicklung befindlichen Zweiges der Mathematikgeschichte“. Einführend in die Ethnomathematik formuliert H. Wußing (2009, 17): „Die heutige, die moderne globale Mathematik ist verhältnismäßig jungen Datums im Vergleich zu vielen Tausenden von Jahren, in denen Menschen sich der Mathematik bedienten. […] Die Aufgabe der Historiographie der Mathematik erstreckt sich auch auf jene mathematischen Kulturen, die entweder untergegangen sind […] – oder auf mathematisches Denken von Völkern, Stämmen, das (noch) in Gebrauch ist. Dies wirkt auf uns oft fremdartig, stammt häufig von anderen Strukturen mathematischen Denkens. Es ist keineswegs primitiv, sondern beruht teilweise auf komplizierten mathematischen Denkformen, die erst mühsam entschlüsselt werden müssen.“ Angemeldet | sommerfeld.christoph@gmx.de Autorenexemplar Heruntergeladen am | 11.01.13 16:24 Christoph Sommerfeld, … Sterne mal Sterne durch Sonne ist Mond – Bemerkungen über die Nebra-Scheibe kor der Gürtelbronzen zur Geltung kommt6. Diese ist in Nebra voll entwickelt und wirkt zudem tiefgreifender und unmittelbarer als bei ihren Nachfolgern. Auf der NebraUrscheibe wird die Kenntnis des Meton-Zyklus’7 mit hoher Meisterschaft vorgeführt. Was besagt die ‚Trundholm-Mathematik‘? Die Zyklen von Sonne und Mond betragen nach heutigem Wissen für das tropische Jahr 365,242190 Tage bzw. 29,53059 Tage für den synodischen Mondumlauf (Lunation). Dieses sind Mittelwerte, da die genauen Längen leichten periodischen Schwankungen unterworfen sind. Wir heutigen Anwender des dezimalen Positionssystems verstehen diese Dezimalbrüche sofort. Bereits die bronzezeitlichen Astronomen kannten die Zyklen von Sonne und Mond erstaunlich genau. Sie legten 365,24 und 29,53 zugrunde und begnügten sich keineswegs mit abgerundeten Werten wie: 365 und 29½. Auch haben sie es verstanden, die genauen – wohl empirisch gewonnenen – Daten mitzuteilen. Wir müssen davon ausgehen, dass die bronzezeitlichen ‚Scheibeningenieure‘ das uns heute geläufige dezimale Positionssystem nicht kannten. Es ist ihnen aber gelungen, ein mathematisches Verfahren zu entwickeln, mit 6 Nicht von ungefähr wurden Nebra-Scheibe und Trundholm-Gespann in einer spektakulären Ausstellung gemeinsam präsentiert (Meller 2004). Ausschlaggebend dafür war die intuitive Einschätzung, dass beide Ausnahmefunde inhaltlich zusammengehören: die Nebra-Scheibe als früheste Darstellung des Sternenhimmels, der Trundholm-Wagen als die Ikone des Sonnenkultes. Wenn jetzt beide Funde durch die implizierte Mathematik und deren ‚Aussage‘ auf gemeinsame Wurzeln zurückzuführen sind, ist dies eine glänzende Bestätigung der frühen Bewertung. 7 Der Meton-Zyklus bildet den astronomischen Kern dieser Studie. Des bequemen Zugangs halber werden deshalb die Grunddaten des Meton-Zyklus’ hier erneut angemerkt. Der griechische Astronom Meton lebte im 5. vorchristlichen Jahrhundert in Athen. Der nach ihm benannte Zyklus besagt: Nach Ablauf von 19 Jahren mit ca. 6940 Tagen sind 235 synodische Monate (Lunationen) verstrichen und Sonne und Mond haben wieder die Ausgangsstellung am Himmel (gegenüber den Sternen) erreicht. Das astronomische Prinzip des MetonZyklus’ war bereits bei den Babyloniern Grundlage ihres Mondkalenders (schriftliche Quellen 6. Jh. v. Chr.). Die genauen heutigen Durchschnittswerte betragen: Erdumlauf: 1 Sonnenjahr = 365,24219 Tage; 19 Sonnenjahre = 6939,60162 Tage. Mondumlauf: 1 Mondmonat = 29,53059 Tage; 235 Mondmonate = 6939,688415 Tage. Differenz: 0,08679 Tage = 2 Stunden, 5 Minuten in 19 Jahren. 113 dem Dezimalbrüche astronomisch relevanter Werte für die Zyklen von Sonne und Mond in ganzen Zahlen (Ganzzahlen) ausgedrückt werden. Die Methode ist im Prinzip einfach; sie beruht auf der Quadrierung der Werte der wohl empirisch ermittelten Zyklen von Sonne und Mond. Nimmt man beispielsweise den Mondlauf (29,53 Tage) mit sich selbst mal, ergibt sich 872,0209. Dieser Wert ist eine recht gute Annäherung an die Ganzzahl 872. Für den Zyklus der Sonne (365,24 Tage) ergibt sich durch Quadrierung eine gute ganzzahlige Annäherung an den Wert 133400 (siehe auch unten Tab. 1 und Kapitel 4 Sonne mal Sonne, Mond mal Mond). Mit Ganzzahlen kann der bronzezeitliche ‚Mathematiker‘ die Grundrechnungsarten der Arithmetik problemlos ausführen. Die Genauigkeit dieser Ganzzahl-Methode entspricht – wie erwähnt – den uns heute bekannten Werten bis auf die zweite Stelle hinter dem Komma. Von der Alt- bis zur Spätbronzezeit dienen im Nordischen Kreis u.a. scheibenförmige Gürtelbronzen (oder solche mit scheibenförmiger Schauseite) als Träger von ‚berechneten‘ Mitteilungen. Grundlage dieser ‚Rechnungen‘ ist die Unärkodierung – d.h. ein Zeichen steht für eine Menge, und jedes Zeichen stellt die gleiche Menge dar. Im zonal gegliederten Dekor der Gürtelscheiben werden (meist) in Gestalt von Kreis- und/oder Spiralgruppen Faktoren hinterlegt, deren Produkt einen angestrebten, bestimmten Zahlenwert ergibt. Setzt man einen solchen Zahlenwert mit der Anzahl von Tagen gleich und teilt das ‚Tagesprodukt‘ durch einen für Sonne oder Mond astronomisch relevanten Teiler, ergeben sich oftmals ganzzahlige Vielfache von Lunationen und/oder Mondjahren – immer ist die genaue Kenntnis der Zyklen von Sonne und Mond hinterlegt. Mit diesen ‚Angaben‘ wird variantenreich belegt, dass Gestalt, Lauf und Zyklus der lichtbringenden Himmelskörper sehr genau erfasst waren. Es ist die fortwährende und immer wieder abgewandelte Bekundung des Durchdringens des Mysteriums des Lichtwechsels. Mit der Bekundung: „Ich habe das Dunkel durchschaut“ wird es gebannt und überwunden; oder umgekehrt mit der Bekundung: „Ich habe das Licht durchschaut“, wird es verherrlicht und zum Gott erhoben. Da aber das Mysterium des Lichtwechsels durch Sonne und Mond geprägt wird, sind es auch beide Himmelskörper (in einem), die gemeinsam (als einer) verehrt werden8. Mit der ‚Trundholm-Mathematik‘ wurde eine Art ‚Schriftlichkeit‘ erreicht, mit der die astronomischen Be- 8 Dazu ausführlicher: Sommerfeld 2010, 233ff. Angemeldet | sommerfeld.christoph@gmx.de Autorenexemplar Heruntergeladen am | 11.01.13 16:24 114 Christoph Sommerfeld, … Sterne mal Sterne durch Sonne ist Mond – Bemerkungen über die Nebra-Scheibe Abb. 1: Die Urscheibe obachtungen von Sonne und Mond gebündelt und mitgeteilt werden. Die Trundholm-Scheiben und ihre Äquivalente weisen auf ein Denken ihrer Schöpfer in Potenzen und Rechenoperationen mit Potenzen und Summen von gleichen Zahlen hin9. Dies gipfelt in der Herleitung von ‚Kennzahlen‘ für das Sonnenjahr (1334) und das Mondjahr (247) sowie für die Lunation (872) – eine herausragende Leistung des bronzezeitlichen ‚Mathematikers‘. Eingekleidet in dieser ‚Schriftlichkeit‘ bedient sich der Kult in mystifizierender Form der (Er-)Kenntnisse der Himmelsmechanik in arithmetischer Umsetzung. Das Dekorelement ‚Kreisbuckel‘ mit seinen Spielarten ist das Grundelement des bronzezeitlichen Dekors und nicht allein auf den Nordischen Kreis beschränkt. Es gilt als das ‚Sonnensymbol‘ schlechthin und ist europaweit verbreitet. Auch gibt es deutliche Hinweise, dass selbst noch zur Jung- und Spätbronzezeit in der Ornamentik von Priester- ornaten mitunter die Kennzahlen (Ganzzahlen) für Sonne und Mond hinterlegt worden sind10. Wir können in der ‚Trundholm-Mathematik‘ die Anwendung der arithmetischen Grundrechnungsarten nachvollziehen (wobei nicht unterstellt wird, dass sich die bronzezeitlichen ‚Mathematiker‘ in jedem Falle dieses Hintergrundes bewusst waren): Addieren (Zusammenzählen), Subtrahieren (Abziehen, Wegnehmen); Multiplizieren (Vervielfachen, Malnehmen), Dividieren (Teilen); Quadrieren [Potenzieren] (mit sich selbst Malnehmen), Radizieren (Wurzelziehen). Brüche sind Teile von Ganzen. Dezimalbrüche geben Verhältnisse von ganzen Zahlen an. Ein Beispiel: Bei der Beobachtung des Mondes stellt man fest, dass in 2392 Tagen genau 81 Mondzyklen vollendet sind. Dadurch beträgt 2392 die Dauer eines Mondzyklus’ 2392/81 Tage = und ist 81 9 Ebd. 216. 10 Ebd. 222 Anm. 26. Angemeldet | sommerfeld.christoph@gmx.de Autorenexemplar Heruntergeladen am | 11.01.13 16:24 Christoph Sommerfeld, … Sterne mal Sterne durch Sonne ist Mond – Bemerkungen über die Nebra-Scheibe 115 Tab. 1 als Dezimalzahl ausgedrückt gerundet 29,5309 Tage. Andere Zahlenverhältnisse zwischen ganzen Tagen und ganzen Lunationen führen zu ähnlichen Ergebnissen. Auch über das Verhältnis von Potenzen kann eine gute Annäherung an eine Lunation ausgedrückt werden11. In obiger Tabelle (Tabelle 1) sind die für diese Studie wichtigsten Zyklen von Sonne und Mond zusammengefasst. Man kann der Tabelle die im laufenden Text verwendeten Abkürzungen entnehmen, die Dauer der Zyklen in Tagen – ausgedrückt in Dezimalzahlen – sowie deren Quadrierung und die Annäherung der Quadrierung an die Ganzzahl. In der rechten Spalte erkennt man die (minimale) Abweichung der quadrierten Tageszyklen gegenüber dem durch die Ganzzahl-Annäherung erzielten Wert. Die Urscheibe als ‚Ikone‘ Die beiden dominierenden ikonographischen Zeichen auf dem Scheibenrund sind „Sonne“ und „Sichel-Mond“. Sie geben das Thema vor. Sonne und Mond sind umgeben von locker verteilten Sternen, von denen einige zu einem Sternenhaufen verdichtet sind. Alles in Allem ergibt sich vordergründig das stimmige Bild eines nächtlichen Sternenhimmels; zumal wenn es zutrifft, dass die ursprüngliche Farbgebung des bronzenen Hintergrundes schwarzbraun ausfiel, von der sich die goldenen Himmelskörper umso strahlender abhoben12. Doch der erste Blick trügt. Ein nächtlicher Sternenhimmel mit Sonne und Mond? 11 Ebd. 221, 238 mit weiteren Ausführungen zu Zahlenverhältnissen und Näherungsbrüchen. 12 Meller 2004, 23ff. mit Abb. u. Abb.-Text S. 23; Berger/Pernicka 2010, 82ff. Wie man es auch dreht und wendet, die Bildkomposition der Urscheibe gibt keine reale himmelskundliche Situation wieder: Sonne und Mond sind nachts nicht zusammen zu beobachten. Dieses ist nur am Tage der Fall, dann aber sind keine Sterne zu sehen. Auch wenn wir annehmen, das große, runde, goldausgelegte Objekt sei der Vollmond, kann dies nicht stimmen, denn Vollmond und Sichelmond sind niemals zusammen zu sehen. Sterne wiederum sind nur nachts erkennbar, dann aber scheint die Sonne nicht. Wir halten fest: Die Bildkomposition der Scheibe gibt keine konkrete Himmelssituation wieder13. Was ist es dann, was die Urscheibe darstellt? Wir versuchen, die Bildkomposition von neuem zu hinterfragen: Zuerst einmal sehen wir ein Bild. Das Bild bildet etwas ab. Wir sehen ein Abbild, das aus mehreren Komponenten zusammengesetzt ist. Betrachten wir jetzt die einzelnen Bestandteile des Abbildes genauer. Das ‚volle goldene Rund‘, das wir als Symbol der Sonne angesprochen haben, wird von einer filigranen ‚Fiederung‘ umgeben. Auf den ersten Blick ist diese kaum erkenntlich, man muss schon genauer hinsehen, um sie wahrzunehmen. Die Entstehung der Fiederung erklärt C. Wunderlich14 damit, dass der Tauschierwall um das ‚volle Rund‘ mittels feiner Punzschläge über das Goldblech getrieben wurde. Auf diese Weise entstand eine zarte, gleichmäßige Fiederung, die einer Art ‚Korona‘ entspricht. Dass sich mehr als technische Aspekte hin- 13 So auch W. Schlosser 2004, 45: … „Zum einen erscheint die Darstellung von Tag- und Nachthimmel auf einem Bild nicht plausibel; zum anderen wären die Plejaden nie neben der Sonne sichtbar, auch nicht bei einer Finsternis.“ – Gegen die Darstellung einer realistischen Himmelssituation sprechen auch diejenigen Sterne, die von der dunklen Partie des Sichelmondes eigentlich verdeckt sein müssten. 14 Wunderlich, 2004, 40 mit Detail-Abb. Angemeldet | sommerfeld.christoph@gmx.de Autorenexemplar Heruntergeladen am | 11.01.13 16:24 116 Christoph Sommerfeld, … Sterne mal Sterne durch Sonne ist Mond – Bemerkungen über die Nebra-Scheibe ter der Fiederung verbergen, belegen die übrigen Goldbestandteile der Scheibe. Sichelmond und Sterne sind in derselben Technik angebracht worden, weisen aber keine Nacharbeit mittels Feinpunze auf. Parallelen zu den Trundholm-Scheiben fallen auf. Die Trundholm-Sonnenseite zeigt ebenfalls am äußeren Rande ihres Goldbelags eine zonale Ringgliederung, die mit feinen Strichen gefüllt ist und den hinlänglich bekannten ‚Strahlenkranz‘ bildet. Auf der Trundholm-Mondseite ist die nämliche Ringgliederung berücksichtigt; diese aber ist blank belassen15. Von den Trundholm-Scheiben wissen wir, dass visuell – durch das Fluidum der Leuchtkraft – zwischen Sonne und Mond unterschieden wird. Die strahlende Sonnenseite ist goldbelegt, die matte Mondseite ist bronzebelassen. Sind jetzt ‚Korona‘ und ‚Strahlenkranz‘ ein Beleg dafür, dass jeweils die Sonne gemeint ist und umgekehrt, verweist das Fehlen dieser Attribute auf den Mond? Liegen die Dinge so einfach? Betrachten wir nun die Mondsichel auf der Urscheibe. Sie ist augenfällig größer dargestellt als die daneben platzierte Sonne. Das Größenverhältnis lässt sich metrisch prüfen. Der Sichelmond – zum Vollmond ergänzt – ist um etwa ein Fünftel größer als das Sonnenrund. Von der Erde aus gesehen, erscheinen dem Menschen Sonne und Mond aber gleichgroß16. Warum also ist der Mond größer dargestellt? Warum wird der Mond bildsprachlich betont? Wird ihm in der Komposition des Abbildes eine größere Rolle eingeräumt als der Sonne? Die Sterne – 32 an der Zahl – erscheinen als gleichmäßig gerundete, punktuelle Funkeln. Gegenüber den GroßZeichen wirkt die einheitliche Geschlossenheit der Sterne zurückgenommen. Auf die Konstellation der Sterne kommen wir im nächsten Kapitel näher zu sprechen. Dunkelheit ist die Voraussetzung für die Mystifizierung des Lichts. Ist deshalb die Kulisse der Bildkomposition mutmaßlich dunkel gefärbt gewesen? Nach allem, was wir zumindest über die Bildsprache zur jüngeren Bronzezeit wissen, ist diese stets dinglich und geradlinig. Bildsprache setzt einfache Redefiguren treuherzig in einfache Bilder um und umgekehrt; Bildsprache ist rückübersetzbar in das Sprachbild. Wir kommen darauf zurück. Vorerst scheint die Interpretation der 15 Sommerfeld 2010, 208 mit Abb. 5. 16 Von der konkreten Himmelsbeobachtung ausgehend, erscheinen dem menschlichen Beobachter Sonne und Mond gleichgroß. Dies zeigt sich bei einer totalen Sonnenfinsternis auf besonders spektakuläre Weise. Auch der Mond erscheint in all seinen Phasen dem Menschen gleichgroß (mit Ausnahme der sog. ‚Mondtäuschung‘, wenn der Mond nahe am Horizont steht. Vgl. Hansen 2007, 298 mit Anm. 25). Bildsprache auf der Nebra-Scheibe ausgereizt zu sein. Weiter unten, wenn wir mehr Aufschlüsse zusammengetragen haben, werden wir versuchen, auf die hier aufgeworfenen Fragen näher einzugehen. Insgesamt ergibt sich bisher für die Nebra-Urscheibe eine Bild-Ikone des bronzezeitlichen Menschen, die das Mysterium des Lichtwechsels (aus heutiger Sicht) stilvoll wiedergibt: Sonne und Mond vor dem Hintergrund der Sterne. Visuell veranschaulicht die Urscheibe also einen Zusammenhang von Sonne, Mond und Sternen. Eine solche Verknüpfung bietet – astronomisch gesehen – der Meton-Zyklus. So liegt es nahe, anzunehmen, dass auch die Himmelscheibe von Nebra diesen Zyklus durch ihre Bildkomposition ausdrückt – das Zeitmaß, in dem Sonne und Mond wieder die Ausgangsstellung am Himmel gegenüber den Sternen erreichen, und Weg und Wandel von Neuem beginnen. Dies ähnelt der Umschreibung, die wir bereits bei der visuellen und astronomisch-mathematischen Analyse des Dekors der Trundholm-Scheiben aufgedeckt haben: Sonne und Mond als eine Wesenheit in zwei verschiedenen Zustandsformen, durch die implizierte Mathematik ihrer Zyklen miteinander verwoben, Sonne zu Mond und Mond zu Sonne und beide zu einem. Verhält es sich auf der Nebra-Urscheibe ebenso? Wir gehen jetzt dieser Vermutung, gewonnen aus der Bildanalyse, ‚trundholm-mathematisch‘ nach. Im Folgenden werden wir den arithmetischen Aufschluss des Meton-Zyklus’ über das Tagesprodukt 5600 in sieben Schritten (Kapiteln) nachvollziehen. Die Zahl der Sterne (1) Das Tagesprodukt (TP) Wir bedienen uns der nämlichen arithmetischen Methode, wie sie bei den Trundholm-Scheiben und ihren Äquivalenten angewendet wurde. Hierbei handelt es sich um die Ermittlung des Produktes von Faktoren, die auf den konzentrisch angeordneten Zonengliederungen der scheibenförmigen Bronzen in Form von gleichen oder ähnlichen Dekorelementen hinterlegt wurden. Wir unterstellen, dass der ermittelte Wert eine Anzahl ‚berechneter‘ Tage darstellen soll: Das Tagesprodukt (TP). Auf der Nebra-Scheibe sind jedoch keine zonalen Gliederungen zu erkennen. Durch ihre gleiche Größe geben sich die Sterne als geschlossene Einheit zu verstehen. Bei der Suche nach einer sinnvollen Gliederung richten wir deshalb unser Augenmerk auf die Sterne der Urscheibe (Abb. 1). Insgesamt sind 32 Sterne auf die Bronzescheibe tauschiert worden. 25 Sterne sind in einer ruhigen, vorder- Angemeldet | sommerfeld.christoph@gmx.de Autorenexemplar Heruntergeladen am | 11.01.13 16:24 Christoph Sommerfeld, … Sterne mal Sterne durch Sonne ist Mond – Bemerkungen über die Nebra-Scheibe hand ungeordneten Streuung gleichmäßig, mit relativ ausgewogenen Distanzen verteilt. Sie sind offensichtlich sorgsam so gestreut, dass keine Sternenbilder entstehen. Dagegen wird sichtlich eine Häufung von sieben Sternen hervorgehoben17. Die ringförmige Verdichtung dieser sieben Sterne steht leicht oberhalb zwischen Sonne und Mond. Dieses ‚Sternbild‘ setzt sich deutlich von den übrigen Sternen als punktuelle, annähernd kreisförmig angeordnete Sternenkonzentration ab. B. Steinrücken18 hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Sternenkonstellation auf der Urscheibe noch weitere gestalterische Strukturen zu offenbaren scheint. Ausgehend von der Frage, welche Bewandtnis die „unzufällige Verteilung“ der Sterne haben mag, „denn im Gleichmaß der Sternsymbolverteilung könnte sich ja auch ein verborgenes Gestaltungsprinzip äußern, das in der Anwendung eben diese äquidistante Flächenfüllung hervorbringt“, stellt er fest, dass „die Umfänge der Kreise und Ellipsen auf der Himmelscheibe im Rahmen der Toleranz in einem harmonischen Verhältnis zueinander stehen.“ Für die Umfänge der Groß-Objekte finden sich „ganzzahlige Kreisproportionen in willkürlichen Einheiten: 12 Mond-Innenkreis; 10 Mond-Außenkreis; 8 zentrales Rundsymbol; 4 ‚Plejaden‘-Kreis [unsere Sternenverdichtung 7].“ […] „Auffällig ist zumindest noch, dass sich die meisten Sterne durch wenige Kreise verbinden lassen. So umgibt z.B. ein Sternkreis aus neun Sternen das zentrale Rundsymbol und der Radius dieses Sternkreises gleicht dem Radius des ‚Schiffsaußenkreises‘ und des ‚Mond-Innenkreises‘. Dies könnte ein Hinweis auf ein noch komplexeres Kreisgeflecht unter Einbeziehung der hier nicht weiter behandelten übrigen Sternsymbole sein.“ An anderer Stelle heißt es: „Der größte Sternkreis tangiert den Außenrand der Sichel und liegt zentrisch auf der Scheibe. Sein Radius ist doppelt so groß wie der Radius des ‚Mondaussenkreises‘. Unbefriedigend an dieser ‚Sternkreisidee‘ ist, dass nicht alle Sterne erfasst werden. Und an die ver- 17 W. Schlosser (2004, 44) hat schon frühzeitig angemerkt, dass „das Sterninventar der Himmelsscheibe in zwei Gruppen zerfällt. Die sieben eng zusammenstehenden Sterne stellen mit großer Wahrscheinlichkeit die Plejaden dar. Die übrigen ursprünglich 25 Sterne dagegen können keinen konkreten Sternbildern zugewiesen werden. (…).“ Zur „ruhigen, gleichwohl ungeordneten Streuung der [25] Sterne“ s. auch die überzeugenden Testreihen Schlossers (ebd., 44 mit Abb.). 18 B. Steinrücken: Die Phasen der hellsten Sterne in der Bronzezeit. Theoretische Grundlagenermittlung für denkbare Sternphasendeutungen der Himmelsscheibe von Nebra; ders., Die „Dynamische Interpretation“ der Himmelsscheibe von Nebra. Beide Abhandlungen (ohne Paginierung): http://www.sternwarte-recklinghausen.de/ archaeoastro/html/hsvn.html. 117 bleibenden Sterne auch Kreise anpassen zu wollen, ist nicht statthaft, da sich für weitere Kreise keine vernünftige Zahl weiterer Stützstellen ausmachen lässt.“ Zweifellos folgt die Verteilung der Objekte auf der Nebra-Scheibe im hohen Maß konstruktiven Vorgaben. Die Anordnung der meisten Objekte scheint auf der metrischen Basis der Groß-Symbole vorgenommen worden zu sein. Auch die Anordnung der ‚Sternverdichtung [7]‘ ist ringförmig; ihr Umfang weist genau die Hälfte des Radius’ des ‚Sonnenkreises‘ auf (siehe auch Kapitel 6 Eins kleiner, eins größer mit Abb. 2,3). Der Abstand der Sterne unterliegt einer nachvollziehbaren Anordnung. So beträgt der Abstand der 25 ausdrücklich unregelmäßig platzierten Sterne zur Randzone, zu den Groß-Objekten und zueinander (mit einer Ausnahme) zwei und mehr (Stern-)Durchmesser. Der Abstand der Sterne der Verdichtung [7] zueinander beträgt dagegen nur einen oder weniger als einen Durchmesser. Bei dieser vorsätzlichen Struktur findet sich immer eine vage Kreisbahn von Sternen, wenn man denn eine solche finden möchte19. Eine überzeugende kreiszonale Gliederung von Sternen aber ist nicht wirklich auszumachen. Ob die angedeutete zirkulare Anordnung von Sternen auf die ringförmigen Bahnen abzielt, die manche Gestirne bei der Himmelsbeobachtung scheinbar beschreiben, muss dahingestellt bleiben. Eine klare ‚Kreisgliederung‘ der Sterne per se wäre aufschlussreich, denn in einer ringzonalen Gliederung besäßen wir erkennbare Überschneidungen zu den Trundholm-Scheiben und ihren Äquivalenten, den scheibenförmigen Gürtelbronzen. Sterne einerseits und Kreisgruppen/Wendespiralen andererseits dienen jeweils als Faktoren-Elemente für die hinterlegte Arithmetik zum Erreichen eines intendierten Tagesproduktes. Im Trundholm-Umfeld werden die Faktoren für das Tagesprodukt in konzentrisch angeordneten, akzentuierten Kreiszonen hinterlegt. Die Faktoren-Elemente geben sich allerdings nicht als ‚Sterne‘ zu erkennen, sondern sind vielmehr konzentrisch gestaffelte Kreisgruppen und/oder Wendespiralen – miteinander verbunden in unendlicher Ringform (‚laufende Hunde‘). Gerade sie bewirken in diesem Gebinde bei vielen Gürtelscheiben ein brillantes Dekor, das in seiner Gesamtheit gestalterisch vollendete Kompositionen hervorbringt20. Dem Anschein nach wurden Form und Konstellation der Nebra-Sterne in den späteren Scheiben zu kreis-elementaren Einheiten in stringent zonale Ring-Gliederun- 19 Ein weites Feld für zahlengematrische Spitzfindigkeiten. Im Anhang D zeigen wir zwei solcher Vorgehensweisen auf. 20 s. Sommerfeld 2010, 220. Angemeldet | sommerfeld.christoph@gmx.de Autorenexemplar Heruntergeladen am | 11.01.13 16:24 118 Christoph Sommerfeld, … Sterne mal Sterne durch Sonne ist Mond – Bemerkungen über die Nebra-Scheibe gen umgestaltet. Trifft dies zu, hätten wir ein exzellentes Beispiel der Abstraktion der bildlichen Vorlage in eine schematische, begrifflich zusammengefasste Darstellung. Diese Abstraktion ermöglicht nunmehr – losgelöst von der bildlichen Vorstellung – eine flexible arithmetische Anwendung zum Erlangen eines intendierten Tagesproduktes21. Aus Bildelement wird Begriff; aus Zahlzeichen wird abstrakte Zahl. Das in Nebra noch naiv Bildliche wird in Trundholm konsequent ornamental umgesetzt. Es wird eine noch höhere Abstraktionsebene erreicht22. Der ursprüngliche Bezug zur realen Wahrnehmung (Nebra) ist bis zur Unkenntlichkeit im uniformen, streng gegliederten Dekor aufgegangen (Trundholm und Derivate). Die Idee der Ringgliederung aber muss bereits schon in Nebra angelegt worden sein, ungeachtet ihrer zurückhaltenden Ausführung23. Zurück zur ‚Zahl der Sterne‘. Das Tagesprodukt auf der Nebra-Urscheibe besteht aus den Faktoren, die aus dem Sternbild [7], den betont gleichmäßig gesetzten Sternen [25] und der Anzahl aller Sterne24 [7 + 25 = 32] gebildet werden. Das Produkt dieser Faktoren ergibt: 21 Ebd. 227f., Kapitel Der Scheibeningenieur. 22 Nebra-Scheibe und Trundholm-Diskus folgen einander wie „romanische Basilika und gotische Kathedrale“. Dieser treffende, ausdruckstarke Vergleich stammt von Torsten Schunke, Halle/S., der das Manuskript kritisch durchsah und auf etliche ‚Ungereimtheiten‘ aufmerksam machte. Verfasser dankt ihm dafür sehr. Gleichfalls danke ich meinem Bruder Matthias Sommerfeld für die fortgesetzte mathematische ‚Betreuung‘. 23 Das Format ‚Scheibe‘ (Kreisfläche) verleitet per se zur kreiszonalen Gliederung. Vermutlich bedingen sich kreis-konstruktives Gestaltungsschema und nüchterner, abstrahierender Stil gegenseitig, begünstigt durch die im Nordischen Kreis bevorzugte Guss-Technik in ‚verlorener Form‘, die das Konzept eines filigranen, konstruktivgeometrischen Dekors erleichtert. – Das kreiszonengegliederte Dekor erscheint zuerst auf Schmuckplatten (Gürtelscheiben), später werden diese zu Behältnissen (Hängebecken, Gürteldosen) umgewandelt. Darauf, dass es sich bei den Gürtelbronzen im Trundholm-Milieu ausschließlich um Bestandteile von Frauengarnituren handelt, muss an anderer Stelle eingegangen werden. Die ‚Mitteilung‘ lunarer Zyklen (s. Anm. 26) auf den Gürtelbronzen und die Tragweise der Stücke am Unterleib der Frau bedarf noch eingehender Erörterung. 24 Die Anzahl aller Sterne [32] heranzuziehen, wirkt an dieser Stelle wie eine zweckbestimmte ‚Finesse‘. Im Kapitel 7 Das Bild der Sterne, erschließt sich die Berechtigung dieser Zählweise klar aus dem ikonographischen Zusammenhang. – R. Hansen (2007, 292f. mit Abb. 9) macht gleichfalls die Zahlen 7, 25, 32, die sich aus der Sternenkonstellation ableiten lassen, zum Ansatzpunkt seiner – freilich ganz anderen – Deutung der Urscheibe: 7 + 25 ergeben 32 Sonnenjahre, zuzüglich der ‚Sonne‘ auf der Scheibe ergeben sich daraus 33 Mondjahre, symbolisiert durch den ‚Sichelmond‘. 32 Sonnenjahre entsprechen ungefähr 33 Mondjahren TPNebra: 7 × 25 × 32 = 5600 In der schlichten Zahl 5600 steckt – wie wir sehen werden – eine ungeheure mathematische Potenz. 235 Monde (2) ü235 Der bronzezeitliche Mensch denkt und zählt im Mondzyklus25. Es kommt vordergründig nicht auf den einzelnen Tag einer Lunation an, sondern auf die Vollendung des Mondumlaufs. Die genaue Anzahl der verstrichenen Tage ist nicht so wichtig, denn es ist augenfällig, wann der nächste (beispielsweise) Vollmond sein wird – selbst wenn einmal ungünstige Beobachtungsbedingungen herrschen. Der Mondzyklus kann also einer konstanten zeitlichen Angabe dienen, wobei es nicht notwendig ist, einzelne Tage mitzuzählen. Das erleichtert die Kontrolle der Dauer eines Meton-Zyklus’ ungemein, denn dieser dauert genau 235 Mondumläufe. Man braucht also nur 235 Lunationen zu verzeichnen, um zu wissen, wann der MetonZyklus vollendet ist. Auf diese Weise lassen sich auch bequem ‚Zwischenintervalle‘ erkennen und abstimmen26. Weitaus aufwendiger ist es, will man den Meton-Zyklus in Tagen verzeichnen. Dazu bedarf es der ‚Registrierung‘ von 6939 ½ Tagen. Noch komplizierter und aufwendiger wird es, will man den Meton-Zyklus in Sonnenjahren aufzeichnen. Dazu muss man den Sonnenverlauf taggenau beobachten, um die Länge eines Sonnenjahres zu bestimmen und das fehlerfrei kontinuierlich 19 mal nacheinander. Die ‚Registrierung‘ von 235 Lunationen ist also – durchaus im wörtlichen Sinne – die einsichtigste aller Varianten, die Periode des Meton-Zyklus’ zu erfassen. Nach (dazu unsere Anm. 29). Die ‚Dicke‘ der Mondsichel, so Hansen, und ihre Nähe zum Sternbild der Plejaden dient als Anzeiger für Schaltjahre, in denen der Sonnenlauf wieder mit dem Mondlauf harmonisiert werden muss. „Schaltet man etwa alle drei Jahre einen Monat ein, so lässt sich eine gute Übereinstimmung von Mondmonaten und Jahreszeiten, also dem Sonnenlauf, erreichen.“ 25 Vgl. Hansen/Rink, 2008, 110f.; Anhänge 2; 4; 6 (zur Sichtbarkeit des Mondes). 26 Auf den Nordischen Gürtelbronzen werden immer wieder eine konkrete Anzahl von ganzen Lunationen oder ganzen Mondjahren (12 × Lu) angegeben, jedoch nie eine Anzahl von ganzen Sonnenjahren (Sommerfeld 2010, 223ff.). Dieser Befund unterstreicht die Annahme, dass überwiegend in Lunationen gedacht wird; die (Anzahl einer verstrichenen) Lunation ist die Maßgabe. Der entscheidende Zyklus ist die Lunation. Angemeldet | sommerfeld.christoph@gmx.de Autorenexemplar Heruntergeladen am | 11.01.13 16:24 Christoph Sommerfeld, … Sterne mal Sterne durch Sonne ist Mond – Bemerkungen über die Nebra-Scheibe genau 235 Mondumläufen steht der Mond in selber Gestalt gegenüber den Sternen wieder an derselben Stelle am Himmel. Der Zyklus beginnt von neuem. Genau dieses ist auf der Nebra-Urscheibe verzeichnet. Das Tagesprodukt (TP) 5600 – das Produkt der Faktoren der Sternenkonstellationen – ist der Einstiegswert. Gemäß dem Vorgehen in der ‚Trundholm-Mathematik‘(siehe oben Kapitel Was besagt die ‚Trundholm-Mathematik‘), teilen wir das Tagesprodukt durch einen astronomisch relevanten Wert. In diesem Falle ist es das Sonnenjahr (SJ). Wir erhalten folgende Ausgangsformel: TP/SJ = 5600/365,24 = 15,332383 = ü235,08199 Nimmt man den (gerundeten) Wert 15,33 mit sich selbst mal, erhält man 235,0089 und damit eine sehr gute Annäherung an die Ganzzahl 235. Soweit der erste Hinweis auf die Zahl 235. Weiter unten werden wir sehen, wie dieser Wert mittels Ganzzahlen entschieden einfacher und genauer erreicht werden kann (Kapitel 5 Die Teiler der Teiler). Wir können jetzt die Ausgangsformel umstellen, um den Wurzel-Ausdruck zu eliminieren. Dazu quadrieren wir die Ganzzahl 5600 (5600^2 = 31360000) sowie das Sonnenjahr zur abgerundeten Ganzzahl27 133400 und erhalten: 56002 31360000 = = 235,08245 365,242 133400 Die Ausgangsformel lautet jetzt: TP^2/133400 ä 235 und besteht rundweg aus Ganzzahlen. Wir halten an dieser Stelle fest: Durch das Quadrieren des Tagesproduktes und des Sonnenjahres erhalten wir einen Term zur Verschlüsselung der Anzahl der Lunationen eines Meton-Zyklus’, der ausschließlich aus Ganzzahlen besteht. Diesen Term erkennen wir in der Bildsprache der Urscheibe (Abb. 1) wieder, indem wir vereinfachend formulieren: Sternenprodukt durch Sonnenzahl = 235 Monde; noch stärker vereinfacht: Sterne mal Sterne durch Sonne ist Mond. 27 Zur Erinnerung: Ein Sonnenjahr (365,24 Tage) mit sich selbst malgenommen ergibt 133400,25. Die Nachkommastelle 0,25 ist gegenüber dem hohen Gesamtwert zu vernachlässigen. Daher ist 133400 eine gute ganzzahlige Annäherung an das Sonnenjahr zum Quadrat. Ausführlich zu Herleitung und Potenz der ‚Sonnenzahl‘ 1334(00) Sommerfeld 2010, 216ff. 222. 119 Vermerk zu 235 Monden 235 ist – wie dargelegt – die effizienteste Zahl bei der Beobachtung und Registrierung des Himmelsgeschehens über den langen Zeitraum eines Meton-Zyklus’. Warum hat man nicht auf direktem Wege die Zahl 235 dargestellt, um diesen markanten Wert zu hinterlegen? Eine Scheibe mit 235 Sternen und Sonne und Mond beinhaltete die bildlich erschließbare Aussage: 235 steht in Beziehung zu Sonne und Mond; mit 235 Mondumläufen vollendet sich der gemeinsame Rhythmus der Lichtgestirne im Hintergrund der Sterne. Um nicht 235 Sterne auftragen zu müssen, hätte man auch die Faktorenzerlegung der Zahl 235 aufgreifen können. Da 235 nur Primfaktoren besitzt, kämen einzig die Faktoren 5 × 47 zur Anwendung, indem man eine Sternenkonzentration – bestehend aus 5 Sternen – und weitere 47 Sterne, gleichmäßig verteilt auf der Restfläche der Scheibe einarbeitete. Diese Variante benötigte insgesamt nur 52 Sterne. Die Aussage wäre wieder die gleiche: 235 steht in Beziehung zu Sonne und Mond. 235 ist die Angabe der Lunationen des Meton-Zyklus’. Mit 235 Mondumläufen vollendet sich der Licht-Zyklus im Hintergrund der Sterne. Warum also hat man nicht die Zahl 235 direkt als Tagesprodukt ausgedrückt, sondern in Form von ü235 × ü235, verschlüsselt im Tagesprodukt 5600? Die Antwort auf diese Frage ist recht eindeutig: Es gelten die ‚Regeln‘ der ‚Trundholm-Mathematik‘. Kern der ‚TrundholmMathematik‘ ist die Quadrierung astronomisch relevanter Werte, um die entsprechenden Dezimalbrüche als Ganzzahlen ausdrücken zu können. Die Umkehrung des Quadrierens ist das Radizieren (Wurzelziehen). Beide arithmetischen Rechnungsarten sind in der im obigen Kapitel (235 Monde) beschriebenen Ausgangsformel (TP/SJ = 15,332383 ä ü235) und deren Umwandlung in die Ganzzahl-Systematik (TP^2 / SJ^2 ä 235) enthalten. Das schiere Tagesprodukt 235 führte zu keinen sinnvollen Ableitungen, die im aktuellen astronomischen Zusammenhang von Sonne und Mond weiterführend sind. Das Ende der Fahnenstange wäre erreicht. Durch die Wahl des Tagesproduktes 5600 verraten die ‚Ingenieure‘ der Nebra-Scheibe die Absicht, den Aufschluss des gemeinsamen Zyklus’ von Sonne und Mond gänzlich darzulegen. Die Scheibe beinhaltet gewissermaßen eine Anleitung zum Aufschluss des als ‚Gottes-Erkenntnis‘ ergründeten Zyklus’. Im folgenden Kapitel werden wir erfahren, dass das Tagesprodukt 5600 weitere, tiefgreifende Ableitungen zulässt, die für den kompletten mathematischen Aufschluss des Meton-Zyklus’ erforderlich sind. Durchleuchten wir also die mathematischen Beziehung zwischen dem Tagesprodukt 5600 und den Zyklen von Sonne und Mond. Angemeldet | sommerfeld.christoph@gmx.de Autorenexemplar Heruntergeladen am | 11.01.13 16:24 120 Christoph Sommerfeld, … Sterne mal Sterne durch Sonne ist Mond – Bemerkungen über die Nebra-Scheibe Der Zyklus nach dem Zyklus (3) M^2 Mathematisch ausgedrückt lautet der Meton-Zyklus (M): M = SJ × 19 oder M = Lu × 235 Man kann den Meton-Zyklus auch ausdrücken: SJ × 19 = Lu × 235 Daraus folgt: M^2 = SJ × 19 × Lu × 235 Ersetzt man SJ und Lu durch die entsprechenden Dezimalwerte, erhalten wir: M^2 = 365,24 × 19 × 29,53 × 235 = 48157423,598 Das Ergebnis ist eine Zahl im zweistelligen Millionenbereich28. Die Quadratwurzel daraus ergibt natürlich wieder (auf der Basis der gerundeten Dezimalzahlen) den MetonZyklus mit 6939,555 Tagen. Soweit – vorneweg – allgemein zum arithmetischen Gefüge des Meton-Zyklus’. Im vorherigen Kapitel (235 Monde) haben wir festgestellt, dass das Tagesprodukt (TP) der Nebra-Scheibe den Einstiegswert für den beabsichtigten Aufschluss von 235 (Lunationen) darstellt. 235 wird mit Hilfe des Sonnenjahres (SJ) bzw. der ‚Sonnenzahl‘ 133400 mathematisch aufgeschlossen. Mit SJ und dem Wert 235 erfassen wir zwei Faktoren des Meton-Zyklus’ zum Quadrat (M^2). Jetzt ist es berechtigt, zu hinterfragen, wie sind die beiden fehlenden Faktoren zu M^2 – nämlich Lunation (Lu) und der Wert 19 – hinterlegt? Deshalb bestimmen wir die Stellung des Tagesproduktes (5600) innerhalb der M^2-Formel. Wir teilen M^2 durch 5600. M^2/TP = 6939,555^2/5600 = 48157423,598/5600 = 8599,5399. Dieser Wert liegt nahe bei der Ganzzahl 8600. Wir sind erstaunt. Der Meton-Zyklus zum Quadrat lässt sich demzufolge mit den Ganzzahl-Faktoren 5600 und 8600 recht genau angeben: 5600 × 8600 ä M^2 (48160000); Wurzel aus 48160000 = 6939,7406 ä M Einer der beiden Faktoren für M^2 ist durch die ‚Scheibeningenieure‘ von Nebra im Tagesprodukt vorgegeben. 5600 ist eine einfache Zahl und in ihrer Schlichtheit gut merkbar, zudem durch Hundert kürzbar. Für das ‚Pendant‘ 8600 trifft dasselbe zu. Zwei schiere Ganzzahlen ergänzen sich zum MetonZyklus zum Quadrat. Das ist es, was uns erstaunen lässt. 5600 und 8600 sind Faktoren von ä M^2. Der Faktor 5600 – das Tagesprodukt – steht durch folgenden Term in Beziehung zur ‚Sonne‘: 5600 ä SJ ü235 Dieser Term ist unsere Ausgangsformel, die wir bereits in Schritt 2 erarbeitet haben; hier ist sie lediglich nach SJ umgestellt. Der Faktor 8600 steht durch folgenden Term in Beziehung zum ‚Mond‘: 8600 ä 19 × Lu ü235 Dieser Term liefert die beiden bisher fehlenden Faktoren zu M^2, nach denen wir fragten: Lunation (Lu) und den Wert 19. Fasst man beide Terme zusammen, ergibt sich: 5600 8600 × ä SJ × 19 × Lu ü235 ü235 Wir eliminieren den Wurzel-Ausdruck und erhalten: 5600 × 8600 ä SJ × 19 × Lu × 235 = M^2 In Worten: 5600 bedingt mit 235 das Sonnenjahr; 8600 bedingt mit 235 19 Lunationen. Damit sind alle Faktoren des Terms für Meton^2 (SJ, Lu, 19, 235) ausgehend vom Tagesprodukt erfasst. Lösen wir beide Terme nach 5600 bzw. 8600 auf, erhalten wir: 235 × SJ2 ä 56002 genau: 5599,02292 Ganzzahl: 5599 2 2 235 × (19 × Lu) ä 8600 genau: 8601,04012 Ganzzahl: 8601 Wir stellen fest, dass das TP (5600), reduziert um 1 und das ‚Pendant‘ (8600), vermehrt um 1, die genaueren Werte erbringt: 5600 × 8600 ä M^2 (48160000); Wurzel aus 48160000 = 6939,7406 ä M 5599 × 8601 ä M^2 (48156999); Wurzel aus 48156999 = 6939,5244 ä M zum Vergleich: Mexakt = 6939,555 28 Zum Rechnen im Millionen-Bereich s. Anhang E. Angemeldet | sommerfeld.christoph@gmx.de Autorenexemplar Heruntergeladen am | 11.01.13 16:24 Christoph Sommerfeld, … Sterne mal Sterne durch Sonne ist Mond – Bemerkungen über die Nebra-Scheibe 121 Tab. 2 Ganzzahlen: 133400, 872 exakteste Annäherung an die Rechnung mit Dezimalwerten. Die obige Tabelle (Tab. 2) stellt die Umwandlung von Dezimalbrüchen des Meton-Zyklus’ in Ganzzahlen mittels Quadrierung der Faktoren komprimiert gegenüber. Die rechte Spalte der Tabelle ermöglicht den Vergleich der Genauigkeit beider Rechenmethoden. Sind die ganzzahligen Werte für SJ (133400) und Lu (872) einmal ermittelt, lassen sich nach dem Schema der Tabelle sämtliche Glieder des Terms für den Meton-Zyklus als ‚Verhältnisse von Ganzzahlen‘ ausdrücken und auch ohne Kenntnis des dezimalen Positionssystems angeben. Dies führt uns zu den Quotienten der Faktoren von M^2, denn Quotienten sind Verhältnisgrößen von ganzen Zahlen. Das Quadrieren der Faktoren der Meton-Formel [19 × SJ = 235 × Lu] ermöglicht das Rechnen mit Ganzzahlen. Die Teiler der Teiler (5) Die ‚Abschleifungen‘ bei der Quadrierung von Faktoren und Quotienten von M^2 Wir fassen zusammen: 5600 und 8600 beinhalten die mathematischen Strukturen für die Darstellung des Großzyklus’ auf komplexe Art. Das schlichte Faktorenpaar 5600 u. 8600 gibt den Meton-Zyklus zum Quadrat (M^2) schon recht genau wieder. Noch genauer aber ergänzen sich 5599 × 8601 zu M^2. _ Wir kommen auf den ‚kleinen Unterschied‘ von +1 in den nachfolgenden Kapiteln zurück. Sonne mal Sonne, Mond mal Mond (4) Sonnenjahr: SJ = 365,24 SJ2 = 133400,25 Ganzzahl: 133400 Lunation: Lu = 29,53 Lu2 = 872,0209 Ganzzahl: 872 2 19 19 = 361 Ganzzahl: 361 235 2352 = 55225 Ganzzahl: 55225 durch die Überführung der Werte in eine Ganzzahl wirken sich aufgrund der hohen Zahlen nur geringfügig im Ergebnis aus. Für die Lunation (Lu) – der für die ‚Registrierung‘ des Meton-Zyklus’ augenfälligsten Periodizität (siehe oben) – ergibt die Rechnung mit Ganzzahlen die Brüche sind Verhältnisse ganzer Zahlen. Der Wert eines Bruches (Dividend/Divisor = Quotient) gibt an, wie groß eine Menge im Verhältnis zu einer anderen Menge ist. Im Kapitel Was besagt die ‚Trundholm-Mathematik‘ haben wir bereits ein Beispiel für einen Näherungsbruch angeführt. Jetzt nehmen wir dieses Muster erneut auf und vertiefen es: Die Menge von 2392 ganzen Tagen entspricht der Menge von 81 vollendeten Lunationen. Das Verhältnis bei2392 der Mengen zueinander als Bruch ausgedrückt ergibt 81 29,53 (zu 1). Der Wert des Quotienten beträgt eine Lunation. Je genauer das Verhältnis zwischen ganzen Tagen Angemeldet | sommerfeld.christoph@gmx.de Autorenexemplar Heruntergeladen am | 11.01.13 16:24 122 Christoph Sommerfeld, … Sterne mal Sterne durch Sonne ist Mond – Bemerkungen über die Nebra-Scheibe und ganzen Lunationen beobachtet wird, desto genauer sind folglich auch die Ergebnisse des Näherungsbruches29. Da reine Mondbeobachtung (natürlich) auch die Sonnenposition und damit indirekt die Länge eines Sonnenjahres enthält30, können wir das rein lunare Mengenverhältnis auch mit dem Sonnenjahr in Beziehung setzen, wenn die zugrunde liegende Einheit ‚ganze Tage‘ sind. Vertauschen wir im obigen Beispiel die Verhältniszahlen (Dividend mit Divisor) und multiplizieren mit SJ, beträgt das Verhältnis (gerundet) 12,368 (zu 1); was besagt, dass in etwa 12,368 Lunationen in einem Sonnenjahr enthalten sind (12,368 × 29,53 = 365,227). 81 = 0,0338628 2392 f 0,0338628 × SJ = 12,368049 der Ganzzahlen-Systematik, die astronomischen Werte des Meton-Zyklus’ auszudrücken. Wir stellen im Folgenden die Faktorenpaare 5600 – 8600 und (vermindert/erhöht um 1) 5599 – 8601 stets gegenüber, um die ‚Genauigkeit‘ der jewei_ ligen Werte direkt vergleichen zu können. Die um +1 veränderten Faktoren ergeben konstant die genaueren Werte31. Quotienten der Faktorenpaare multipliziert mit für den Meton-Zyklus zum Quadrat relevanten Werten: 3031 235 Lunationen = M Lu = 29,53 Tage 19 Sonnenjahre = M SJ = 365,24 Tage 561 19 Lunationen 19 × 29,53 = 561,07 Tage 361 192 19 × 19 Nach dem Verfahren der Bruchrechnung betrachten wir nun die Faktoren 5600 und 8600 zu M^2. Sie sind als Dividend und Divisor hervorragend geeignet, in Verbindung mit Der Pfeil (f) verweist auf Werte, die sich aus dem jeweiligen Produkt ableiten. 29 Auch R. Hansen (2007, 292 u. Abb. 9) beschreibt bei seiner Analyse der Urscheibe mit dem Näherungsbruch 33/32 ein ganzzahliges Verhältnis zwischen Mond- und Sonnenverlauf: „Ein Sonnenjahr beträgt (gerundet) 365 Tage [Anm. Hansen: Hier wird mit den Genauigkeiten gerechnet, die für die betrachtete Zeit (1600 v. Chr.) in Frage kommen.], ein Mondjahr (gleich 12 Phasenmonate zu je 29,5 Tagen) 354 Tage. Nach 32 Sonnenjahren (32 × 365 = 11680 Tage) ergibt sich zu 33 Mondjahren (33 × 354 = 11682 Tagen) eine Differenz von nur 2 Tagen. 32 Sonnenjahre entsprechen demnach recht genau 33 Mondjahren.“ (s. auch unsere Anm. 24). – Die reale Differenz zwischen 32 Sonnenjahren und 33 Mondjahren beträgt ca. 6,3 Tage. Aus dem Näherungsbruch 33MJ/32SJ lässt sich die Länge eines Sonnenjahres zu 365,43 errechnen, folglich die des Mondjahres zu 354,17 Tagen. 30 So in etwa auch: Hansen/Rink 2008a, 148, Anm. 67. 31 Die Minderung um 1 bezieht sich ausschließlich auf den Faktor 5600 und die Hinzufügung von 1 bezieht sich ausschließlich auf den Faktor 8600. Die umgekehrte Zuweisung: 5600 (+1) = 5601 und 8600 (–1) = 8599 führt zu deutlich ungenaueren Werten. Die mathematische Begründung dafür wird im Anhang F aufgezeigt. Angemeldet | sommerfeld.christoph@gmx.de Autorenexemplar Heruntergeladen am | 11.01.13 16:24 Christoph Sommerfeld, … Sterne mal Sterne durch Sonne ist Mond – Bemerkungen über die Nebra-Scheibe 1 2 123 3 Abb. 2: Die Urscheibe (1); Urscheibe ohne gleichmäßig verteilte Sterne (2); Urscheibe mit kreisförmig hervorgehobener Stellung der Sternenhäufung (3) Die verdichtete Übersicht veranschaulicht, dass die genaueren Werte jeweils durch die Quotienten der Faktoren 5599 (5600 – 1) und 8601 (8600 + 1) erreicht werden. Die Faktoren 5600 und 8600 sind für die Rechnung mit Ganzzahlen hervorragend geeignet. Sehr genaue Werte erhält man durch die Minderung bzw. das Hinzufügen von 1 (siehe auch oben: Schritt 3 und 4). Eins kleiner, eins größer (6) q<4 Durch die Minderung bzw. Vergrößerung um 1 (eins) der Faktoren von M^2 ergibt sich eine höhere Genauigkeit bei der Berechnung des Meton-Zyklus’ und seiner astronomisch relevanten Zahlenglieder. Dies haben wir in den obigen Kapiteln deutlich herausarbeiten können. Jetzt fragen wir: Ergibt die Bildkomposition der Scheibe Anhaltspunkte für die Minderung bzw. Vergrößerung der Fak_ toren? Ist der ‚Kunstgriff‘ +1 vielleicht im Sinne einer ‚Anweisung‘ in der Bildhaftigkeit der Nebra-Scheibe hinterlegt? Der ‚Sternbildfaktor [7]‘ steht auffallend mittig oberhalb von Sonne und Mond als punktuelle Sternenhäufung (Abb. 2,1). Eine eindeutige Zuordnung dieser kreisförmig angeordneten Sterne um einen leicht dezentralen Mittelstern zu einem der Gestirne ist nicht möglich. Vielmehr scheint die Sternenverdichtung gleichermaßen beiden zugeordnet zu sein – sich auf Sonne wie Mond zu beziehen (Abb. 2,2). Mehr noch: Es lässt sich aufzeigen, dass die Sternenhäufung konstruktiv unter Berücksichtigung des Radius’ der ‚Sonne‘ platziert wurde. Ein Kreis mit demselben Umfang wie der der Sonne tangiert exakt die obere Spitze der Mondsichel, den Rand der Sonne sowie den Stern oberhalb der Sternenverdichtung. In diesem fiktiven Kreis, visuell mittig platziert, liegt die Sternenhäufung [7] (Abb. 2,3). Durch die Einbindung des Radius’ der Sonne wird die Stellung der Sternenhäufung als Bindeglied zwischen den Gestirnen betont32. Denkt man sich in Abb. 2,3 die 25 gleichmäßig gestreuten Sterne weg, erkennt man deutlich, dass Sonne, Mondsichel und Sternenkreis [7] ein Dreiergespann bilden. Erblicken wir in diesem imaginären Gebilde die verdichtete Bildmetapher des Meton-Zyklus’ – d.h. die visuelle und arithmetische Verflechtung von Sonne, Mond und Sternen? Mit dem Wissen um die Erhöhung der Genauigkeit der Rechnungen durch Abziehen bzw. Hinzufügen von 1 zu den Faktoren 5600 bzw. 8600 erhält die explizite Konstellation der Sternenhäufung eine Begründung. Die Sternenhäufung besitzt eine Doppelfunktion als Faktor [7] für das Tagesprodukt und in Gestalt des Gesamtgebildes als Wert [1] mit der Bedeutung: – mindere Faktor (TP) 5600 um eins = 5599 – füge eins an Faktor 8600 = 8601 Wir können nun unschwer feststellen, dass die ‚Mondsichel‘ größer ausgelegt ist als das ‚volle Rund‘ – gleichgültig, ob wir in Letzterem die Sonne, den Vollmond oder beide in einem erkennen wollen. Tatsache ist, der Sichelmond ist um etwa ein Fünftel größer dargestellt als das ‚volle Rund‘. Wir haben es also sowohl im visuellen wie im arithmetischen Zusammenhang mit unterschiedlichen Größen zu tun. Könnte dieser Umstand den ‚Sinnspruch‘ ausdrücken: Eins kleiner, eins größer? Und wenn 32 Vgl. dazu die Verhältnisse der Radien der Groß-Objekte im Gefüge der Gesamtkomposition; Kapitel 1 Die Zahl der Sterne und Anm. 18. Angemeldet | sommerfeld.christoph@gmx.de Autorenexemplar Heruntergeladen am | 11.01.13 16:24 124 Christoph Sommerfeld, … Sterne mal Sterne durch Sonne ist Mond – Bemerkungen über die Nebra-Scheibe ja, welches Objekt (welcher Faktor) soll vermindert und welches vergrößert werden? Halten wir uns an die Bildsprache, dürfen wir beinahe sicher sein, dass die Gedächtnisstütze für das Vermindern bzw. Hinzufügen der Faktoren um eins mit einem Kernspruch ausgedrückt wurde, der das Abnehmen bzw. Zunehmen der Mondgestalt zum Inhalt hat. Der Sichelmond auf der Scheibe ist ein zunehmender Mond, er ist im Begriff zuzunehmen; das ‚volle Rund‘ (der Vollmond?) kann nicht voller werden, es ist im Begriff abzunehmen. Dies führt uns zurück zum Memogramm-Charakter der gesamten Bildkomposition. Im Bild verfängt sich der Gedanke und wirkt nach. So _ ist unseres Erachtens die ‚Anweisung‘ für +1 auch ganz konkret bildhaft als Redefigur (Abb. 2,3) auf der Urscheibe abzulesen: „Nimm eins vom Kleineren, gib eins dem Größeren.“ Das Verhältnis klein zu groß korrespondiert mit: a) der formalen Größe der Zeichen: q < 4 b) der Bild-Metapher vom abnehmenden und zunehmenden Mond c) der Größe der Faktoren: 5600 < 8600 Der Wert eins [1] wird dem Gesamtgebilde des ‚Sternenfaktors [7]‘ entlehnt; vielleicht ist [1] sogar im leicht dezentral versetzten Stern der 7-er Konstellation zu erkennen. Der ‚Sternenfaktor [7]‘ steht mittig oberhalb der dominanten Zeichen – des Kleineren wie des Größeren. Genau der Augenblick der Übertrags von [1] ist dargestellt: dem Kleineren wird weggenommen und dem Größeren hinzugefügt. Wenn man diesen Vermutungen folgen möchte, sieht man, dass der Gedanke getreu in das Bild umgesetzt wird. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob die Faktoren 5600 bzw. 8600 mit dem ‚vollen Rund‘ bzw. der ‚Mondsichel‘ gleichzusetzen sind. Dennoch wollen wir einer Beobachtung nachgehen. In Schritt 3 haben wir festgestellt, dass das Tagesprodukt – der Faktor 5600 – arithmetisch mit dem Sonnenlauf in Beziehung steht und der Faktor 8600 mit dem Mondlauf. Beide Faktoren werden jeweils vervollständigt durch numerische Glieder, die in der Meton-Zyklus-Formel (SJ × 19 = Lu × 235) dem jeweils anderen Gestirn zugeordnet werden: 5600 ä SJ × Wurzel aus 235 8600 ä Lu × 19 × Wurzel aus 235 Der Faktor 5600 besitzt demnach sowohl Sonnenanteile wie geringere Mondanteile; und umgekehrt, der Faktor 8600 besitzt demnach sowohl Mondanteile wie geringere Sonnenanteile. Beide Faktoren sind im Konnex von Sonne und Mond disproportional durchmischt. Es lässt sich daraus folgende Aussage ableiten: Das visuell kleinere Objekt stellt die Sonne dar, wofür auch die ‚Korona‘ spricht, und bezieht sich auf den numerisch kleineren Faktor 5600; das visuell größere Objekt stellt den (zunehmenden) Mond dar, und bezieht sich auf den numerisch größeren Faktor 8600. Beide – Sonne und Mond – sind arithmetisch eng verzahnt. Hierin zeigt sich erneut die hohe Kunst der ‚Scheibeningenieure‘, die mit der Wahl des Tagesprodukts 5600 die arithmetische Vereinigung beider Gestirne ausdrücken. Der ergänzende Faktor 8600 nimmt den Takt, den das Tagesprodukt für das aufzuschließende Phänomen (Meton-Zyklus) vorgibt, auf. Den gleichen Leitgedanken haben wir auch bei den Trundholm-Scheiben konstatieren können. Dort besteht das Tagesprodukt der Sonnenseite aus Mondanteilen und umgekehrt besteht das Tagesprodukt der Mondseite aus Sonnenanteilen. Die Verschmelzung von Sonne und Mond auf beiden Scheiben ist komplett33. Oben haben wir festgestellt, dass die Bildkomposition der Scheibe keine konkrete Himmelssituation wiedergibt (siehe Kapitel Die Urscheibe als Ikone). Die Bild-Metapher versinnbildlicht vielmehr das ‚Licht‘ schlechthin – in all seinen am nächtlichen und täglichen Himmel (er)scheinenden Lichtgestirnen, deren Daseins- und jeweils unterschiedlichen Zustandsformen und eigensinnigen Bahnen. Die Urscheibe zeigt die Lichtgestirne Sonne und Mond und Sterne, vereint als eine Wesenheit34. Wenn jetzt zu diesem mystischen Bild auch durch den arithmetischen Aufschluss der Faktoren die Durchmischung von Sonne und Mond zur Geltung kommt und im Meton-Zyklus gipfelt – der Gleichstellung beider Gestirne schlechthin – bekräftigt dies die (Er-)Kenntnis: Seht das Abbild des Lichts. Wir haben sein Gleichmaß, seine Verlässlichkeit erkannt. Die Bildkomposition der Urscheibe ist eine ‚Ikone‘, die bildlich und arithmetisch die Verschmelzung von Sonne und Mond und Sternen als eine Wesenheit beschwört. Zurück zur Mathematik. Nach all’ dem, was wir bisher über den virtuosen Umgang der ‚Scheibeningenieure‘ mit Zahlen in Erfahrung bringen konnten, wäre es absurd, anzunehmen, sie wären sich der Erhöhung der Genauigkeit durch das Abziehen bzw. Hinzufügen von 1 zu den Faktoren nicht bewusst gewesen. Der gestalterische Hinweis „eins kleiner, eins größer“ ist Beleg dafür. 5599 war ohne Zweifel vorsätzlich bezweckt. Warum also wurde nicht direkt das Tagesprodukt 5599 hinterlegt, 33 Sommerfeld 2010, 232f. 34 Vgl. ebd. 233f. Anm. 47. Angemeldet | sommerfeld.christoph@gmx.de Autorenexemplar Heruntergeladen am | 11.01.13 16:24 Christoph Sommerfeld, … Sterne mal Sterne durch Sonne ist Mond – Bemerkungen über die Nebra-Scheibe 125 sondern 5600? Der direkten Darstellung des Wertes 5599 mittels Faktoren-Multiplikation stehen gestalterische Hindernisse entgegen. Letztlich geht es um die Bildhaftigkeit – wenn man so will, ums ‚Design‘. Im folgenden Kapitel gehen wir diesen Zusammenhängen nach. Oder: (7 × 25 × 32) –1 Das Bild der Sterne (7) Wie verbildliche ich 8600 mittels Faktoren-Multiplikation? Antwort: Durch die obigen mit Klammern verbundenen Faktoren-Paare. Diese Möglichkeit erfordert eine paarige Sternenhäufung mit hoher Sternenanzahl. Oder durch 3 Sternenhäufungen mit insgesamt mindestens 97 Sternen: 4 × 43 × 50 (97 Sterne) 4 × 25 × 86 (115 Sterne) 2 × 50 × 86 (138 Sterne) Faktorenzerlegung und Sternenhimmel Die ‚Konstrukteure‘ der Urscheibe haben das Tagesprodukt 5600 vorgegeben – wohl wissend, dass dessen Minderung um 1 die genaueren Werte liefert. Warum haben sie nicht geradewegs das Tagesprodukt 5599 zu verbildlichen versucht? Für die Antwort auf diese Frage genügt ein Blick auf die im Folgenden zusammengestellten Faktorenzerlegungen der zur Diskussion stehenden Zahlen und deren Eignung zur bildlichen Bündelung von ‚Sternenpunkten‘ als Faktoren für das Tagesprodukt. Wir betrachten das Faktoren-Paar 5600 und 8600 zu M^2, sowie dessen Minderung bzw. Vergrößerung um 1 zu 5599 und 8601 hinsichtlich der Darstellbarkeit der Faktoren als Sternenkonstellation. 5600-Faktorenzerlegung: 1, 2, 4, 5, 7, 8, 10, 14, 16, 20, 25, 28, 32, 35, 40, 50, 56, 70, 80, 100, 112, 140, 160, 175, 200, 224, 280, 350, 400, 560, 700, 800, 1120, 1400, 2800, 5600 Wie verbildliche ich 5600 mittels Faktoren-Multiplikation? Antwort: 7 × 25 × 32 (Abb. 1). Oder (beispielsweise): 56 × 100 (156 Sterne) 70 × 80 (150 Sterne) 8 × 14 × 50 (72 Sterne) 14 × 16 × 25 (55 Sterne) Die Faktorenzerlegung von 5600 bietet zahlreiche Möglichkeiten (die hier nicht alle angeführt werden), sowohl paarig, als auch durch 3 oder 4 Sternenhäufungen. 5599-Faktorenzerlegung: 1,11,509,5599 Wie verbildliche ich 5599 mittels Faktoren-Multiplikation? Antwort: Durch die obigen mit Klammern verbundenen Faktoren-Paare. Diese Möglichkeit erfordert eine paarige Sternenhäufung mit sehr hoher Sternenanzahl. 8600 -Faktorenzerlegung: 8601-Faktorenzerlegung: 1,3,47,61,141,183,2867,8601 Wie verbildliche ich 8601 mittels Faktoren-Multiplikation? Antwort: Durch die obigen mit Klammern verbundenen Faktoren-Paare. Diese Möglichkeit erfordert eine paarige Sternenhäufung mit hoher Sternenanzahl. Oder durch 3 Sternenhäufungen mit insgesamt mindestens 111 Sternen: 3 × 47 × 61 Fazit Die Sternenkonstellation mit der das Tagesprodukt 5600 mittels Faktoren-Multiplikation mit der geringsten Anzahl von Sternen erreicht wird ist: 14 × 16 × 25 (insgesamt 55 Sterne; siehe oben). Das Problem, vor dem ein Graphiker bei der Realisierung dieser Sternenkonstellation stünde, wäre folgendes: Eine solche fiktive Scheibe müsste ähnlich aussehen wie die überkommene, mit Sonne und Mond und 25 locker verteilten Sternen. Der ‚Sternenfaktor [7]‘ müsste auf 14 Sterne verdoppelt werden, und zusätzlich müsste noch eine weitere Sternenhäufung aus 16 Sternen gut sichtbar abgesetzt werden. Toreutisch wäre eine solche Scheibe sicherlich machbar. Die graphische Ausfertigung ginge aber entschieden zu Lasten eines schlichten und klaren Signums. Hätte man zur Darstellung des Tagesproduktes die Faktoren 14 × 16 × 25 = 5600 auserkoren, müsste man drei Sternenhäufungen auf demselben zur Verfügung stehen- Angemeldet | sommerfeld.christoph@gmx.de Autorenexemplar Heruntergeladen am | 11.01.13 16:24 126 Christoph Sommerfeld, … Sterne mal Sterne durch Sonne ist Mond – Bemerkungen über die Nebra-Scheibe den Leeraum unterbringen. Man hätte dann schwerlich den Sternenhimmel allgemein sinnbildlich darstellen können – nämlich wahllos verteilte Sterne und darin ein Sternbild – sondern man hätte zwei Sternenhäufungen mit mindestens doppelt so hoher Anzahl so arrangieren müssen, dass dennoch der Eindruck entstehen würde, es handele sich um den allgemeinen Sternenhimmel. Der konkrete Sternenhimmel besteht aber nun einmal nicht überwiegend aus Sternenbildern. Die letzten Endes ausgeführte Lösung (Sternenhaufen [7] mal Sterne [25] mal alle Sterne [32] = 5600) beinhaltet auch die Andeutung, dass vordergründig mit dem Sternenhaufen kein konkretes Sternbild gemeint ist. Wohl vollzieht sich der Meton-Zyklus im Hintergrund der Sterne und damit auch der Sternbilder (und es ist nicht ausgeschlossen, dass zur Entstehungszeit der Scheibe tatsächlich Sternbilder erkannt und mystifiziert wurden), dennoch deutet nichts darauf hin, dass in der Urfassung ein konkretes Sternbild ausdrücklich dargestellt wird. Die Identifizierung des ‚Sternbildfaktors [7]‘ mit beispielsweise dem Sternbild der Plejaden ist aus arithmetischer und astronomischer Sicht weder obligatorisch, geschweige denn notwendig. Für den Meton-Zyklus ist das Sternbild der Plejaden nicht relevant. Die überkommende Bildkomposition ist schnörkellos und ohne Beiwerk, reduziert auf das Notwendige – kein Stern darüber hinaus. Sie ist konsequent unter dem Aspekt der Schlichtheit und Geradlinigkeit abgefasst und ausgeführt. Mit 32 Sternen die eigentlich erforderliche doppelte Anzahl von 64 Sternen (7 + 25 + 32 = 64) zu umgehen, ist in diesem Zusammenhang ein geschicktes, ja bauernschlaues Vorgehen. Es zeugt von tiefer Durchdringung und virtuosem Umgang mit dem Sujet. Wir sehen, dass die Schöpfer der Himmelsscheibe zum Erzielen des Tagesproduktes 5600 mittels Faktoren-Multiplikation die geringst mögliche Anzahl von Sternen(punkten) gewählt haben. Wenige Sterne erleichtern die toreutische Arbeit und sind materialsparend. Ausschlaggebend aber ist: Wenige Sterne geben dem ‚Designer‘ freie Hand für eine möglichst einfache, aber gerade deshalb signifikante Bildkomposition. Aus insgesamt 32 aufgetragenen Sternen ergibt sich: 7 × 25 × 32 = 5600. 5600 ist der arithmetische Schlüssel zu 235 Mondumläufen. 235 vollendete Mondläufe sind das Zeitmaß, in dem die Lichtgestirne wieder die Ausgangsstellung erreichen. Der Zyklus von Sonne und Mond und Sternen beginnt von neuem. Mit einem Zeichenrepertoire von nur drei unterschiedlichen Symbolen – eines davon vervielfacht und in Grup- pen arrangiert – ist es gelungen, die präzise Kenntnis eines komplizierten himmelsmechanischen Vorganges darzustellen und gleichzeitig das darin hinterlegte Dogma ikonographisch so zu be(ur)kunden, dass es universell fassbar ist. Ist es möglich, diese (doppelte) Sinngebung – selbst bei Kenntnis von Schrift – nachdrücklicher und signifikanter zu gestalten, als es auf der Urscheibe von Nebra geschehen ist? Warum also das Tagesprodukt 5600 (daraus folgt 8600) und nicht 5599 (daraus folgt 8601)? Das Zahlenpaar 5600 und 8600 verhält sich im Konnex des Meton-Zyklus’ komplementär; es bündelt annähernd genau den komplexen himmelsmechanischen Verlauf. Die schlichten Zahlen 56(00) und 86(00) sind leicht merkbar. 5600 und 8600 sind gerade, klare, fassliche Zahlen. Anders als 5599 und 8601 möchte man sie als ‚gefällig‘ beschreiben. Dies wird auch mit dem damaligen Zahlenverständnis so empfunden worden sein. Die Entscheidung der ‚Scheibengestalter‘ für das ‚glatte‘ Tagesprodukt35 5600 ist Ausdruck (und Notwendigkeit) des Bestrebens nach Einfachheit und Überschaubarkeit, sowohl in arithmetischer Hinsicht, wie unter dem Aspekt der Darstellbarkeit als ‚Sternenfaktor‘ in der Bildkomposition. Die damit zu erzielende Genauigkeit ist als arithmetischer Aufschluss ausreichend. Für die Beobachtung des Meton-Zyklus’ in der Natur ist der ‚kleine Unterschied‘ bedeutungslos. Die Kenntnis der sehr genauen Werte ist durch den gestalterischen Hinweis „eins kleiner, eins größer“ ‚verzeichnet‘. Auf diese Weise haben die ‚Scheibeningenieure‘ ihr noch tiefgründigeres ‚Meisterwissen‘ hinterlegt (s. auch Anhang F). 35 Hier stellt sich die Frage: Warum wurde nicht 8600 als Tagesprodukt gewählt, sondern 5600? Abgesehen von der Erfordernis einer hohen Sternenanzahl und den damit verbundenen gestalterischen Problemen (siehe oben), ist auch noch der folgende Aspekt zu berücksichtigen. Im Kapitel 235 Monde haben wir festgestellt, dass es die eleganteste und praktikabelste Lösung ist, den Verlauf des Meton-Zyklus’ zu beobachten, indem man 235 Lunationen registriert. Dieser Wert wird über das Tagesprodukt angestrebt. Da sich 8600 im Meton-Zyklus komplementär zu 5600 verhält, wäre es natürlich auch möglich, den Wert 235 über das Tagesprodukt 8600 zu erzielen. Die Rechnung lautete: 8600/561 = 15,329768. Die Ganzzahl 561 entspricht recht genau 19 Lunationen (561,07) und der Quotient ist die Quadratwurzel zu 235,00178. [Durch Potenzieren wird der Wurzelausdruck eliminiert: 8600^2/(361 × 872) = 234,9488; genauer 8601^2/(361 × 872) = 235,00342.] Das Tagesprodukt 5600 führt aber weitaus einfacher und direkter zum signifikanten Wert 235 mittels der ganzzahligen ‚Sonnenzahl‘: 5600^2/133400 ä 235; genauer: 5599^2/133400 = 234,9985. Angemeldet | sommerfeld.christoph@gmx.de Autorenexemplar Heruntergeladen am | 11.01.13 16:24 Christoph Sommerfeld, … Sterne mal Sterne durch Sonne ist Mond – Bemerkungen über die Nebra-Scheibe Die Bildkomposition der Scheibe zeigt die Verkörperung des ‚Meton-Zyklus’‘ – Sonne und Mond und Sterne im übergeordneten Zyklus zusammengeführt und zu einer Wesenheit vereint. Die Sterne vermitteln den arithmetischen Aufschluss dieses Himmelsgeschehens in meisterhafter Rechenkunst mit hoher Genauigkeit. Für den gemeinen Gläubigen ist es eine ‚Ikone‘. Er erkennt darin das Abbild des Lichtgottes, der Werden und Vergehen, Tag und Nacht …, … vorgibt, und damit auch das Schicksal des Gläubigen. Die Verlässigkeit seiner Rhythmen gibt Trost. Die Himmelsscheibe von Nebra offenbart dem Eingeweihten direkt und unmissverständlich die Gotteserkenntnis. Ihre Bildkomposition ist überragend. Nachklang Das Bildmuster der Urscheibe von Nebra enthält zweierlei: Visuell – das Abbild des Lichtgottes. Arithmetisch – dessen präzisen astronomischen Aufschluss. Prägnanter hieße es wohl: Das Bildprogramm der Urscheibe von Nebra beinhaltet beides in einem: Abbild und Aufschluss des Lichts. Es ist die Gotteserkenntnis, die wir in der Urscheibe von Nebra und ihren Nachfolgern gefunden haben – kein ungefähres lunisolares Kalendarium mit oder ohne Schaltregel, keine vage Finsternisvorhersage, kein profaner Bauernkalender. Vordergründig ist kein kalendarischer Nutzen im Abbild und Aufschluss des Meton-Zyklus’ bezweckt, obwohl die astronomischen Werte der Rhythmen von Sonne und Mond und Sternen bis auf zwei Stellen hinter dem Komma genau hinterlegt sind und der Meton-Zyklus einen perfekten lunisolaren Zusammenhang darstellt. Es wird die Erkenntnis bekundet, dass die Lichtgestirne – jedes für sich eigenartig und unvergleichlich in Gestalt, Bahn und Sichtbarwerden – einem gemeinsamen Gleichmaß unterliegen. Es ist die Erkenntnis, dass der Rhythmus des Lichts eine Ordnung offenbart. Diese Gotteserkenntnis wird in der entwickelten Frühbronzezeit bildschriftlich niedergelegt. Das Signum der Scheibe ist universell verständlich. Den nämlichen arithmetischen Aufschluss des Lichts wie auf der Himmelsscheibe von Nebra – nach derselben mathematischen Vorgehensweise – können wir 200 Jahre später im Dekor der skandinavischen Gürtelscheiben feststellen. Einige Generationen danach – um 1350 v. Chr., im Übergang von Per. II zu Per. III – ist das Trundholm-Ge- 127 fährt anzusetzen, ein Meisterwerk multipler astronomischer Aussagen, einschließlich des Meton-Zyklus’. Auch im Dekor der Schauflächen von Hängebecken und Gürteldosen der Per. III und IV ist die Verschlüsselung exakter lunisolarer Zusammenhänge – weiterhin nach dem gleichen Prinzip – zu erkennen. Zur Jung- und Spätbronzezeit wird die bildliche Darstellung enttabuisiert; eine reiche Bilderwelt setzt ein. Sie bildet die Kulisse für getreu umgesetzte Szenarien, in denen Sonne und Mond die Hauptakteure sind. Das Zusammenspiel von Sonne und Mond wird mythologisiert und eingebunden in eine lebhafte bildliche Staffage36. Das Zierband von Roga, Lkr. Mecklenburg-Strelitz, liefert mit seinen aus Zählelementen zusammengesetzten Bildfolgen und Staffelungen reiner Zählelemente exakte himmelsmechanische Kenntnisse, vorderhand den Meton-Zyklus – weiterhin auf dem Prinzip der Zonenmultiplikation und auf den Faktoren 5600 und 8600 beruhend. Mythologie wird zum Ausdruck des Bestandes an bildhaften Berichten und Erzählungen über die Manifestation des Göttlichen. Soweit in groben Zügen die Entwicklung im Norden Europas. Idee, Kraft und Impetus der ‚Trundholm-Mathematik‘ sind über den gesamten Zeitraum der Nordischen Bronzezeit nachvollziehbar37. Gleichgültig wie lange die Nebra-Scheibe ‚in Nutzung‘ war, ihr originales Bildprogramm findet Nachfolger. Die Idee ist mit der formalen Auflösung (Phasen II bis V) des Bildmusters und der Niederlegung des Nebra-Depots nicht erloschen. Der Aufschluss des Meton-Zyklus’ auf der Nebra-Scheibe beinhaltet zugleich auch die Anleitung zur Anwendung der ‚Trundholm-Mathematik‘. Das Fortbestehen der Verschlüsselung profunder astronomischer Kenntnisse und deren zunächst abstrakte, später wiederum bildliche Manifestation im Nordischen Kreis ist eine ganz wesentliche Feststellung. Sie zeigt, dass die zugrunde liegende Idee nicht beschränkt ist auf ein Unikat, das einmalig mit diesen Grundgedanken belegt ist. Es ist keine Schöpfung und Anwendung aus sich heraus, entstanden aus einer ereignisaktuellen Eingebung, sondern unterliegt einem übergreifenden Konsens. Es ist auch kein 36 Beispielsweise Kaul 1998. 37 Skizziert in Sommerfeld 2010, passim. – Rückblickend gesehen, wäre es theoretisch wohl möglich gewesen, die nämliche ‚Entschlüsselung‘ des astronomischen Hintergrundes der Nebra-Scheibe ausschließlich aus ihrem Bildprogramm heraus – ohne Wissen um die ‚Trundholm-Mathematik‘ – zu erzielen. Verfasser hält es aber für unwahrscheinlich, dass ein solches Ergebnis früher oder später zustande gekommen wäre, ohne Rückgriff auf die vielfältigen Hinweise, die die Basis der zahlreichen chronologisch und chorologisch gestreuten Gürtelbronzen und anderer für numerische Codierung in Frage kommender Bronzen bietet. Angemeldet | sommerfeld.christoph@gmx.de Autorenexemplar Heruntergeladen am | 11.01.13 16:24 128 Christoph Sommerfeld, … Sterne mal Sterne durch Sonne ist Mond – Bemerkungen über die Nebra-Scheibe kraftloser Versuch, Sonne und Mond ungefähr miteinander zu synchronisieren. Es ist weitaus mehr. Es ist die Offenbarung des Göttlichen im Mysterium des Lichts; das Wissen und der unumstößliche Bescheid, dass Sonne, Mond und Sterne – das Licht – sich regelmäßig erneuern, gleichsam zur Ausgangsstellung zurückkehren. Dies alles beinhaltet das Dogma des Meton-Zyklus’. Zeichen eines kraftvollen und wirksamen Dogmas ist seine Beständigkeit. Wenn jetzt anhand der Scheibe von Nebra plausibel gemacht werden kann, dass schon dort – erheblich früher und nach gleichem formalen Muster wie später im Nordischen Kreis – dieselben Grundsätze Geltung haben, spricht das für die Beständigkeit des hinterlegten Dogmas. Hinzu kommt, dass wir für die nämliche Objektgruppe eine komplexe Deutung vorschlagen können38. Dies allein ist ein kräftiges Argument für die Stimmigkeit der ‚Trundholm-Mathematik‘ und der ihr innewohnenden Idee als Offenbarung des Mysteriums des Lichtwechsels, denn das nämliche Phänomen verlangt nach einer nämlichen Erklärung. Wir können Kontinuität feststellen: zeit-, raumund fundübergreifend. Die astronomischen Werte sind sehr genau erfasst, das Quadrieren der Werte ermöglicht das Rechnen mit Ganzzahlen, die Methode der FaktorenMultiplikation, geteilt durch einen astronomisch sinnvollen Wert, ist dieselbe. Diese Zusammenhänge sind mathematisch nachweisbar. Das Gerüst steht. Die Nebra-Scheibe erweist sich damit als Mutter der mitteleuropäischen Scheiben, in deren Dekor die Verschlüsselung gezielter astronomischer Aussagen zur Geltung kommt. Es ist das Dogma – nicht der potentielle kalendarische Nutzen – das zur Herausbildung der ‚Trundholm-Mathematik‘ führt und damit zu einer Art ‚Schriftlichkeit‘. Gäbe es keinen Vorläufer, wäre der Ursprung der ersten frühen Gürtelscheiben mit arithmetisch-astronomisch durchsetztem Dekor schwerlich erklärbar. Jetzt erlangt die Frage nach der Herkunft des Nebra-Musters umso größere Bedeutung. Die Resonanz der Nebra-Scheibe ist bis zum Ende der europäischen Bronzezeit durchaus zu vernehmen; ihr Impetus beeinflusst Ornamentik und Leitgedanken einer ganzen Epoche. Weder Nebra noch Trundholm (mitsamt der äquivalenten Gürtelbronzen) stellen eine Einzellösung für ein irgendwie geartetes, anwendbares lunisolares Kalendarium dar. Diese Feststellung ist wichtig. Es handelt sich nicht um praktikabel umsetzbare Kalendervorschläge, 38 Vgl. dagegen Hansen/Rink 2008, 95ff. (Nebra); 106ff. (Trundholm). sondern um Mitteilungen von der sehr genauen Kenntnis über die ‚Zuverlässigkeit‘ und Stete des Lichts. Diese Mitteilungen sind das religions-philosophische Fundament der europäischen Bronzezeit. Die Urscheibe offenbart astronomisch-mathematische Grundlagen, die erheblichen Einfluss auf die nachfolgende Ornamentik ausüben. Die Scheiben von Trundholm und deren Äquivalente führen die arithmetischen Ursprünge fort und eröffnen uns so eine breitere Sicht auf das Dekorelement ‚Kreisgruppe/Kreisbuckel‘, das bislang als Sonnensymbol schlechthin ausgelegt wird – hier aber zusätzlich – eingebunden in die Ornamentik – die Funktion als Zähl- und Rechenelement im ‚trundholm-mathematischen‘ Zusammenhang erfüllt. Das Dekorelement ‚Kreisgruppe‘ – im klassischen Urnenfelderbereich ist es der ‚Kreisbuckel‘ – wird damit sinngemäß auch zur mathematischen Recheneinheit für sakrale Bekundungen. Im umfangreichen goldenen Priesterornat vom Bullenheimer Berg besitzen wir dafür eine eindeutige Bestätigung39. Das Kreisbuckel-Element erlebt im Milieu der Goldfunde in der späten Bronzezeit mit dem Format der ‚Goldhüte‘ und Goldschalen eine Spätblüte. Goldhüte und Goldschalen setzten die ursprüngliche Konvention der Scheibenform gewissermaßen als hybrid ausgestülpte Scheiben fort. In der Krempe der Goldhüte ist noch die Reminiszenz an die Scheibenform zu erkennen; die ausgestülpte Mitte vervielfacht den Platz für die Zurschaustellung astronomischen Wissens. Es ist vorstellbar, dass auch im Ornament dieser Goldfunde fundierte astronomische Rechnungen einschließlich des Meton-Zyklus’ verschlüsselt worden sind. Letzteres hat W. Menghin erst kürzlich für den Berliner Goldhut erneut wahrscheinlich gemacht40. Es dürfte deutlich geworden sein, dass die NebraScheibe keine Gelegenheitsbildung aus sich heraus ist. Sie fußt auf fundamentalen Kenntnissen der Himmelsmechanik, die zudem bemerkenswert exakt verzeichnet sind. Wo kommen diese Kenntnisse her? Durch den enormen Aufwind, den die Nebra-Scheibe der ‚Astro-Archäologie‘ beschert hat, rücken auch die jungsteinzeitlichen Kreisgrabenanlagen wieder in den Fokus des Interesses41. „Dank Luftbildarchäologie, geophysikalischer Prospektion etc. beträgt die Anzahl der bekannten Rondelle in ganz Mitteleuropa mittlerweile rund 120 Anlagen. Die 39 Sommerfeld 2010, 222. 40 Menghin 2010, bes. 73ff. 41 Einen Überblick über den aktuellen Stand der ‚Kreisgrabenforschung‘ bietet Arch. in Deutschland, 6, 2005. Die nachfolgende in „Strichzeichen“ gesetzte Sequenz nimmt Formulierungen daraus auf. Angemeldet | sommerfeld.christoph@gmx.de Autorenexemplar Heruntergeladen am | 11.01.13 16:24 Christoph Sommerfeld, … Sterne mal Sterne durch Sonne ist Mond – Bemerkungen über die Nebra-Scheibe ‚Kreisgraben-Idee‘ hat sich in der ersten Hälfte des 5. Jt. v. Chr. sehr rasch und über mehrere archäologische Kulturgruppen hinweg ausgebreitet. Die Gleichartigkeit und annähernde Gleichzeitigkeit dieser mit großem Arbeitsaufwand errichteten Monumentalbauten ist verblüffend. Neben der vorauszusetzenden Multifunktionalität dieser Anlagen (Zentralplatz für gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche, religiöse Zusammenkünfte), scheint sich ein breiter Konsens über die Funktion der (meist) gestaffelten Rondellgräben herauszubilden. Fast immer liegt astronomische Orientierung der Torachsen zugrunde; in der Regel sind die Visierlinien auf die Sonne bezogen – im Detail bestehen aber Unterschiede. Eine Orientierung der Torachsen der Kreisgrabenanlagen nach markanten solaren oder stellaren zyklischen Ereignissen alleine belegen noch keine Funktion als ‚Observatorium‘ oder ‚Kalenderbau‘.“ Es bedarf keiner allzu großen Phantasie, anzunehmen, dass auf paneuropäischer Ebene astronomische ‚Grundlagenforschung‘ betrieben wurde. Die vergänglichen Kreisgrabenanlagen sind nur ein Teil des Phänomens; ihnen dürfen steinerne Bauten an die Seite gestellt werden, die mit Stonehenge ihren Höhepunkt und Abschluss erfahren. Wenn wir auch den langen Zeitraum von den Kreisgrabenanlagen bis ins frühe 2. Jt. v. Chr. gegenwärtig nicht schlüssig überbrücken können42, so resultiert die Nebra-Urscheibe doch schlussendlich aus jungsteinzeitlichen Anstrengungen, von denen die Rondelle einen eindrucksvollen Teil ausmachen. Über Jahrtausende wurde der Himmel beobachtet. In einer ‚Gemeinschaftsleistung‘ wurde auf paneuropäischer Ebene astronomische Grundlagenforschung betrieben43. Suchte man die Ordnung in der scheinbaren Willkür der Gestirne? Fand man im Rhythmus des Lichts die Offenbarung der Seinsweise des Göttlichen – gewissermaßen einen kosmogonischen Akt, der sich im periodischen Schauspiel des Verschwindens und Wiedererscheinens der Vegetation erblicken lässt? Fand man schließlich die/ eine sternenkundliche Lösung, nach der man suchte; denjenigen Aufschluss, der zufrieden stellte? Die ‚Entdeckung‘, dass 235 Mondumläufe 19 Sonnenjahren entsprechen – sich der Himmel in diesem Zeitraum gleichsam erneuert – dürfte bereits in der Jungsteinzeit auf empiri- 42 Mit der Kreisgrabenanlage von Pömmelte-Zackmünde, Salzlandkreis, ist der Beginn der frühen Bronzezeit inzwischen belegt (http://www.lda-lsa.de/forschung/kooperationen/ausgrabung_der_kreisgrabenanlage_von_poemmelte_zackmuende/). 43 Der Vergleich mit dem europäischen CERN-Projekt erscheint keineswegs abstrus. Dort wird gleichfalls Grundlagenforschung – nach dem was die Welt im Innersten zusammenhält – betrieben. 129 schem Wege gemacht worden sein. Wann aber erfolgte der Schritt von der astronomischen Beobachtung (des MetonZyklus’) zur ‚bildschriftlichen‘ Darstellung (als Dogma)? Stand diese Großtat an der Schwelle zur Bronzezeit? Wann ist die Herausbildung der ‚Trundholm-Mathematik‘ und damit die Anfänge einer ‚Schriftlichkeit‘ anzusetzen? Gab es ‚Vorgänger-Scheiben‘ aus vergänglichem Material? Ist die Nebra-Scheibe lediglich die Ausführung einer solchen in Metall? Das Bedürfnis, die erkannte Gesetzmäßigkeit des Lichts als Dogma bildlich zu bündeln und damit nachvollziehbar festzuhalten, war gegenwärtig. Der Gedanke fiel auf fruchtbaren Boden. Das Dogma wird die gesamte europäische Bronzezeit anhalten und sich in unterschiedlichen Ausformungen im Dekor äußern. Bei allem Variantenreichtum – in zeitlicher und örtlicher Ausprägung – bleibt der Kerngedanke stets derselbe. Uns bleibt vorerst nicht anderes, als die Urscheibe von Nebra als die bislang früheste bildsprachliche Äußerung dieses Dogmas zu bewerten. Fragen nach Ursprung und Herkunft der ‚Trundholm-Mathematik‘ sind keineswegs beantwortet. In der Schlichtheit ihrer Bildkomposition ist die Urscheibe vollkommen. Das Signum besteht aus Zeichen, die universell lesbar sind. Die Himmelsmechanik, die es beschreibt, ist überall und immerwährend nachvollziehbar – sie beruht auf Naturgesetzen. Die Bündelung der Erkenntnisse der astronomischen Beobachtungen als Dogma auf der Nebra-Scheibe ist ein überragender Meilenstein menschlichen Forschergeistes44. Nach der Gemeinschaftsanstrengung im Neolithikum wirkt Nebra als früheste (erhaltene) ‚schriftliche‘ Darstellung der ‚Erkenntnis‘ wie der Startschuss für die Bronzezeit. Stonehenge ist die steingewordene Huldigung des neolithischen Vermächtnisses und markiert genau den Übergang45. 44 Die ‚Scheibeningenieure‘, die das Bildmuster entworfen und vorgegeben haben – mithin die ersten (überkommenen) Aufzeichner der ‚Trundholm-Mathematik‘, waren überragende Denker. Der ausführende ‚Bronzeschmied‘ hingegen war redlich bemüht, die Vorgaben umzusetzen, was ihm im Großen und Ganzen auch gelang – auf voller Höhe der Toreuten- und Tauschierkunst aber war er nicht (Wunderlich 2004, 38). – Ein ‚Ergebnis‘ der Nebra-Scheiben-Analyse ist auch, dass es sich um keine Fälschung handeln kann, denn der Fälscher hätte dann auch die Trundholm- und viele Gürtelscheiben gefälscht haben müssen. Oder aber, er hat die ‚Trundholm-Mathematik‘ entdeckt und auf die Nebra-Fälschung übertragen. 45 Es ist sicherlich kein Zufall, dass Stonehenge I ein Wall-GrabenRondell mit 56 inneren Markierungen („Aubrey Holes“) darstellte. Angemeldet | sommerfeld.christoph@gmx.de Autorenexemplar Heruntergeladen am | 11.01.13 16:24 130 Christoph Sommerfeld, … Sterne mal Sterne durch Sonne ist Mond – Bemerkungen über die Nebra-Scheibe Literatur Berger/Pernicka 2010: D. Berger/E. Pernicka, Alles eine Frage des guten Geschmacks – Archäometallurgische Untersuchungen zur künstlichen Korrosion von Buntmetallen in Urin. In: Archäometrie und Denkmalpflege 2010. Jahrestagung im Deutschen Bergbau-Museum Bochum (15.–18. Sept. 2010) 82–84. Hansen 2006 (2007): R. Hansen, Die Himmelsscheibe von Nebra – neu interpretiert. Arch. Sachsen-Anhalt N.F. 4, II, 2006 (2007), 289–304. Hansen/Rink 2008: R. Hansen/C. Rink, Himmelsscheibe, Sonnenwagen und Kalenderhüte – ein Versuch zur bronzezeitlichen Astronomie. Tagung Astronomische Orientierung und Kalender in der Vorgeschichte. Vorträge internationales Kolloquium 09.–11. 11. 2006 im Museum für Vor- u. Frühgeschichte. Acta Praehist. et Arch. 40, 2008, 93–126. –/– 2008a: –/–, Kalender und Finsternisse – einige Überlegungen zur bronzezeitlichen Astronomie. In: G. Wolfschmidt (Hrsg.), Prähistorische Astronomie und Ethnoastronomie. Proceedings der Tagung am 24. September 2007 in Würzburg. Nuncius Hamburgensis = Beitr. z. Gesch. 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Anhang Weitere Rechnungen mit TP 5600: A) Differenz MJ zu SJ Summe der quadrierten Faktoren von 5600: 7^2 + 25^2 + 32^2 = 1698 TP = 5600 TP 72 + 252 + 322 2 19 × 10,876 = 206,644 206,644/Lu = 6,9978251 (= Ganzzahl 7) 19 MJ (19 × 12 = 228 Lu) + 7 Lu = 235 Lu = Meton Auch bei den Trundholm-Scheiben ist die Summenbildung von quadrierten Faktoren belegbar. Dort ergeben sich ganzzahlig das Sonnenjahr bzw. das Mondjahr (Sommerfeld 2010, 234, Kapitel Zurück zu den Wurzeln). = 10,876 B) Mondzahl 247 (zur Mondzahl 247 s. Sommerfeld 2010, 219f., 232.) 2 2× ( ) (49 + 625TP +1024) = 10,876 = 10,876 (5600 1698 ) 2 365,242 SJ – 354,367 MJ 10,875 = Differenz in Tagen zwischen Mondjahr und Sonnenjahr ( 56002 = 246,96996 ä 247 8600 × Lu ) C) Siderischer Monat: Der siderische Mondumlauf beträgt 27,322 Tage; ein Meton-Zyklus beinhaltet 254 siderische Mondumläufe (zu siderischem Monat und Meton-Zyklus s. Sommerfeld 2010, 229; 230 f u. Anhang II). 254 × 27,32 = 6939,28 Angemeldet | sommerfeld.christoph@gmx.de Autorenexemplar Heruntergeladen am | 11.01.13 16:24 Christoph Sommerfeld, … Sterne mal Sterne durch Sonne ist Mond – Bemerkungen über die Nebra-Scheibe 5599 × 1000 = 27,322856 235 × 872 f 27,322856 × 254 = 6940,0054 D) Zahlengematrische Spitzfindigkeiten (bezüglich Anm. 19 im Kapitel 1 Die Zahl der Sterne) Ein gedachter Kreis mit dem Radius des ‚Mond-Innenkreises‘ um das ‚zentrale Rundsymbol‘ umfasst 9 Sterne. Ein Kreis mit dem doppelten Radius des ‚Mond-Außenkreises‘ umfasst alle 32 Sterne. 1) Jetzt ließe sich ausführen: Zieht man von den 32 Sternen die 9 Sterne um die ‚Sonne‘ ab, bleiben 23 Sterne. 23 × 9 = 207 f207/Lu = 7,001 (Ganzzahl: 7) f19 MJ = 228 Lu + 7 Lu = 235 Lu = M. (dazu: hier Anhang A) 2) Gleichfalls ließe sich ausführen: Eine Zone um den äußeren Kreis umfasst 15 Sterne, eine Zone um den inneren Kreis umfasst 9 Sterne. Dazwischen verbleiben 8 Sterne. 9 × 8 × 15 = 1080 Der Sonnenzyklus (365,24) ist in der Ganzzahl 1334 mit guter Näherung ausgedrückt: 365,24^2 = 133400 872 = Ganzzahl zu Lu^2. f1080/1000 = 1,08 Der Wert 1,08 ist das Verhältnis von ‚synodischem zu siderischem Mondlauf‘ (dazu: hier Anhang C). Woher nehmen wir die Berechtigung für die ‚Sternzonen‘? Woher nehmen wir die Berechtigung, durch Tausend zu teilen? In Trundholm wird das Verhältnis syn./sid. Monat durch die ‚Kardinalzahlen‘ beider Seiten ausgedrückt: 27/25 = 1,08 (Sommerfeld 2010, 229.) Solche Vorgehensweisen, wie wir sie hier exemplarisch aufgezeigt haben, öffnen Tor und Tür für Beliebigkeiten und wilde Spekulationen. Lassen wir das. E) Rechnen im Millionenbereich (bezüglich Anm. 28 im Kapitel 3 Der Zyklus nach dem Zyklus) Es wird nicht unterstellt, dass das Rechnen mit hohen Zahlen zum Allgemeinwissen des frühen Bronzezeitlers gehörte. Die hohen Zahlenwerte betreffen nur den Meton-Zyklus – das Zielobjekt also, das arithmetisch aufgeschlossen wird. Die angewandte Mathematik umfasst das Anwenderwissen von Spezialisten. Die hohen Zahlen lassen sich gleichwohl elementar als Potenzen ausdrücken: 5600^2 = 31360000 f 56 × 56 × 100 × 100 TP^2/133400 ä 235 f 56 × 56 × 100 × 100 / 1334 × 100 f 56 × 56 × 100 / 1334 M^2 = 5600 × 8600 = 48160000 f 56 × 86 × 100 × 100 f 56 × 100 × 86 × 100 5599 × 8601 = M^2 = 48156999 f 56 × 86 × 100 × 100 – 3000 – 1 (3000 = Diff. von 5600 zu 8600) 131 f 1334 × 100 Wurzel aus 1334 = 1/10 des quadrierten Sonnenjahres. Die Anwenderkenntnis im Zahlenbereich von Hunderttausend ist zweifellos von den ‚Spezialisten‘ beherrscht worden; ansonsten hätte man nicht die ‚Sonnenzahl‘ 1334 ableiten können (zur ‚Sonnenzahl‘ 1334 s. Sommerfeld 2010, 219). Der Schritt in den Millionenbereich ist jetzt nur noch gering. Der ‚wissenschaftlichen‘ Elite dürfen wir deshalb schon in früher Zeit das Rechnen im Zahlenbereich von Millionen unterstellen! F) Warum eins kleiner, eins größer ist (bezüglich Anm. 31 im Kapitel 5 Die Teiler der Teiler) Vereinfacht ausgedrückt ist – die synodische Periode der Zeitraum, nachdem der Mond exakt wieder die gleiche Gestalt erreicht (29,53 Tage; nachfolgend abgekürzt als syn). – die siderische Periode der Zeitraum, in dem der Mond wieder die gleiche Position gegenüber den Sternen einnimmt (27,32 Tage; nachfolgend abgekürzt als sid). 235 synodische Umläufe entsprechen 254 siderischen Umläufen; beide entsprechen 19 Sonnenjahren. Der MetonZyklus beschreibt also den Zeitraum, nachdem Gestaltund Positionswechsel wieder mit dem Sonnenlauf synchronisiert sind. Wir formulieren diesen Sachverhalt als Gleichung: 235 * syn = 254 * sid = 19 * SJ Es ergeben sich folgende Quotienten: 235/27,32 = 254/29,53 Der Wert der Quotienten beträgt 8,6017 und 8,6014. Multipliziert mit 1000 ergibt sich näherungsweise die Ganzzahl 8601. Quadriert man 235 * syn und dividiert das Ergebnis durch 8601, erhält man 5599,0413; dies liegt sehr nahe an der Ganzzahl 5599. 5599 ist das Produkt aus der synodischen und siderischen Lunation und der Metonschen Periode dividiert durch 1000. 8601 ist der Quotient aus der 1000-fachen Metonschen Periode und dem Produkt aus synodischer und siderischer Lunation. 8601 * 5599 = 48156999 Die Wurzel aus 48156999 ergibt den Wert von 6939,52 Tage für den Meton-Zyklus. Angemeldet | sommerfeld.christoph@gmx.de Autorenexemplar Heruntergeladen am | 11.01.13 16:24