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DIE WELT

Präsidenten mit Vorliebe fürs Geheime

"Bruder" Roosevelt war Freimaurer. Die Mitglieder des Männerbundes auch in Skandale verwickelt

Ein Geheimbund. Die Mitglieder sitzen an den Schalthebeln der Macht. Eine verschworene und verschwörerische Gemeinschaft, die in alten Gemäuern dunkle Riten zelebriert und die Öffentlichkeit scheut. Um ihr Geheimnis zu wahren, schrecken sie auch vor Gewalt nicht zurück. - Das ist der Hintergrund zu dem in den deutschen Kinos laufenden Hollywood-Thriller "The Skulls". Eine Geschichte wie aus dem Mittelalter. Doch Verschwörungstheorien über eine Unterwanderung der Gesellschaft durch Geheimbünde erleben seit Jahren einen rasanten Aufschwung.

Die Story von "The Skulls" sei "ganz sicher nicht aus der Luft gegriffen", meint Ulrich Rausch, Journalist und Autor mehrerer Bücher über Geheimgesellschaften und Sekten. Geheime Machtzirkel, die nach alten Ritualen funktionieren, gebe es heute noch überall auf der Welt, und ihre Mitglieder seien äußerst einflussreich. Selbst der amerikanische Präsidentschaftskandidat George W. Bush bekannte, während seines Studiums Mitglied der "Skulls and Bones" ("Schädel und Knochen"), einer Geheimgesellschaft, gewesen zu sein. Sie existiert noch immer an der Eliteuniversität Yale und rekrutiert jedes Jahr neue Mitglieder.

Bush ist nicht der einzige Politiker mit einer Vorliebe fürs Geheime: Benjamin Franklin, Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich der Große, Theodore Roosevelt und Winston Churchill - sie alle waren Mitglieder einer Geheimgesellschaft: den Freimaurern. "Die Auswahl der Mitglieder ist kein Zufall", sagt Rausch. Gerade in Ländern mit einem elitären Bildungssystem würden die künftigen Mitglieder vor allem an den altehrwürdigen Universitäten gesucht.

In Europa existieren zahlreiche solcher diskreten Gesellschaften wie die Illuminaten oder Rosenkreuzler. Die einflussreichste aber ist wohl die der Freimaurer. So gibt es in Frankreich rund 110 000 Mitglieder, organisiert in etwa 3000 Gruppen, den so genannten Logen. In Deutschland sind es rund 20 000 Freimaurer. Die ausschließlich männlichen Mitglieder, die sich untereinander "Brüder" nennen, dürfen zwar ihre Mitgliedschaft zugeben, nicht jedoch die ihrer Gesinnungsgenossen. Vor allem Politiker, Richter und Manager sollen sich in den verborgenen, tempelähnlichen Versammlungsräumen der Freimaurer treffen.

Vor kurzem erregten die Freimaurer in Frankreich Aufsehen. Das französische Magazin "L'Express" deckte auf, dass ihre Mitglieder in eine Reihe von Affären verwickelt waren, unter anderem in den Skandal um gefälschte Rechnungen bei der französischen Studentenversicherung Mnef (Mutuelle nationale des étudiants de France).

In Italien gab es 1995 nach einer Razzia Anzeichen dafür, dass zwischen der kalabrischen Mafia, der N'drangheta, und einigen Geheimlogen der Freimaurer Verbindungen existierten. Obwohl Freimaurerei nichts mit der organisierten Kriminalität gemein hat, entwickelten sie sich auf eine ähnliche Weise. Die Camorra beispielsweise, die neapolitanische Mafia, wurde um 1820 zunächst als Geheimbund gegen die Herrschaft der Bourbonenkönige gegründet.

Das Freimaurertum begeisterte vor über 200 Jahren mit seinen humanistischen und aufklärerischen Ideen besonders die gebildeten Schichten. Ursprünglich bezeichnete man mit "Freimaurer" Steinmetze und Steinbaumeister, die ihr Wissen in einer streng abgeschirmten Gilde zu bewahren suchten. Auf Grund ihres frühbürgerlichen Selbstverständnisses entwickelten sich die Freimaurer zu Gegnern des Absolutismus. Um der Verfolgung durch Kirche und Staat zu entgehen, mussten sie in Frankreich, Spanien, Schweden und Polen in den Untergrund abtauchen. Das gab ihren Gegnern die Möglichkeit, hinter den Geheimbünden mit ihren teils mittelalterlichen Ritualen ein Komplott oder gar eine Weltverschwörung zu vermuten.

Trotz aller Offenheit der heutigen Freimaurer, die sogar eine eigene Zeitung herausgeben, verzweifeln Ermittler an ihrer Verschwiegenheit. In Großbritannien weigerte sich 1998 der Sekretär der United Grand Lodge, der Vereinigung von 8600 Geheimlogen in England und Wales, dem innenpolitischen Ausschuss eine Liste der Mitglieder und ihrer geheimen Erkennungszeichen zu übergeben. Das Gremium wollte klären, ob Freimaurer in Korruptionsfälle in einer Polizeisonderkommission zur Bekämpfung von Betrug verwickelt waren.

In England, dem Ursprungsland des Freimaurertums, wird die Zahl der "Brüder" auf 340 000 geschätzt. Einer der prominentesten ist der Herzog von Kent, ein Cousin der Queen. Nach dem Willen des englischen Innenministers Jack Straw ist seit dem Korruptionsskandal Schluss mit der Geheimniskrämerei: Alle Justizbeamten sollen ihre Mitgliedschaft bei den Freimaurern registrieren lassen.

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Anders als terroristische Geheimbünde, wie der rassistische Ku-Klux-Klan in den Vereinigten Staaten, wolle die Mehrzahl der Geheimbünde aber keinen politischen Einfluss ausüben, sagt Ulrich Rausch. Bei den Freimaurern sei es sogar verboten, sich innerhalb der Bruderschaft politisch zu äußern. Der österreichische Historiker Dieter Anton Binder meint, die Bruderschaft sei heute eher eine soziale Einrichtung ähnlich den Rotariern, nur eben "umgeben vom diskreten Charme der Verschwiegenheit".

In Amerika verlieren Geheimbünde an Einfluss: "In den vergangenen 20 Jahren hat die Zugehörigkeit der oberen politischen Schichten zu solchen Gesellschaften rapide nachgelassen", sagt Binder. Und doch stellt Binder seit dem Zusammenbruch des Ostblocks vor zehn Jahren "einen ungeheuren Boom" von Verschwörungstheorien fest. "Vorher war die Welt geordnet. Jetzt will die Fantasie der Menschen beschäftigt sein." Da kommt ein Film wie "The Skulls" gerade richtig.

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