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Comiczeichner Brösel über Holstein Kiels Relegation "Abseits ist auf dem Marktplatz nicht so wichtig"

In "Werner Beinhart!" schuf Comiczeichner Brösel Holstein Kiel ein Denkmal: "Holzbein Kiel" kickte gegen Süderbrarup - jetzt könnte der Verein in die erste Liga aufsteigen. Ein Gespräch über schöne Tore, blinde Schiris und schlechtes Bier.
Ein Interview von Benjamin Knaack

Er guckte nochmal in die Flasche, "wie spät das ist" - dann legte er eine der bekanntesten Sportreportagen Deutschlands hin: Comicfigur "Werner" begeisterte vor knapp 30 Jahren mit seinem Kommentar zum Spiel auf dem Kieler Marktplatz zwischen "Holzbein" und dem 1. FC Süderbrarup. Anlässlich der Relegation, in der Holstein Kiel am Donnerstagabend (20.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) auf den VfL Wolfsburg trifft, haben wir uns mit "Werner"-Erfinder Brösel unterhalten.

SPIEGEL ONLINE: Ist man bei Holstein Kiel eigentlich sauer auf Sie?

Brösel: Warum das denn?

SPIEGEL ONLINE: Immerhin heißt der Klub seit "Werner - Beinhart!" in ganz Deutschland nur noch "Holzbein Kiel".

Brösel: Bloß weil ich den Namen ein bisschen veralbert hab, sollen die böse sein? Das kann ich mir nicht vorstellen. Dadurch ist die Fußballmannschaft doch bekannter geworden.

SPIEGEL ONLINE: Kommentator Werner hat mit seiner Marktplatz-Fußballreportage den Goldstandard für den Sportmoderatorenberuf gesetzt. Wie lange haben Sie an dieser Szene gesessen?

Brösel: Das ist ja nun schon 30 Jahre her, so ganz genau kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber ein paar Monate hat das schon gedauert. Erstmal muss man ja die Idee haben. Und dann scribbelt man sich was zurecht. Und dann schmeißt man es wieder wech', macht es wieder neu, macht es wieder anders, bis es gut ist.

SPIEGEL ONLINE: Von welchen Kommentatoren haben Sie sich denn inspirieren lassen?

Brösel: Das habe ich mir selbst ausgedacht. Werner ist ja Werner, seine Stimme, von Klaus Büchner gesprochen, ist unverwechselbar. Warum sollen wir da irgendwelche Moderatoren nachäffen? Das können wir auch alleine.

Zur Person
Foto: Frank May/ dpa

Rötger Feldmann, alias Brösel, ist ein deutscher Comiczeichner und der Erfinder des Klempnerlehrlings "Werner". Mittlerweile gibt es fünf Filme, mit "Werner - Wat nu?" erscheint in diesem Jahr der 13. Comic der Serie. Zudem gibt noch das "Werner"-Rennen, eine Motorsportveranstaltung .

SPIEGEL ONLINE: Sind Sie denn auch heute noch Kiel-Fan?

Brösel: Ja, logo, wir haben ja jetzt am Donnerstag Relegation. Da bin ich schon ganz heiß drauf. Ich war auch im Holzbein-Stadion, als sie gegen Nürnberg gespielt haben. Aber da haben die leider verloren. Ich geh' da jetzt auch nicht mehr hin, ich bringe denen kein Glück.

SPIEGEL ONLINE: Welcher Spieler aus der Kieler Mannschaft kommt denn Bernie Blindmann, dem "Mann mit dem Durchblick", dem "Zauberer vor dem Herrn" am nächsten?

Brösel: Da kann man doch keine Vergleiche ziehen! Bernie Blindmann ist ja nun einer, der nich' gucken kann. Und die Kieler Spieler haben ja wohl, soweit ich das überblicken kann, fitte Augen. Oder fragen Sie, weil Blindmann so gut ist?

SPIEGEL ONLINE: Genau.

Brösel: Ja, der dribbelt so schön und macht Fallrückzieher und was weiß ich nicht alles. Na gut. Wer mir gefallen hat, war der Alexander Mühling. Der hat ja neulich wieder ein geiles Tor geschossen.

SPIEGEL ONLINE: Hat Holstein gegen Wolfsburg eine Chance?

Brösel: Ja, logo! Da habe ich keine Bedenken. Ich bin jetzt kein Wolfsburg-Experte, aber das sollte schon klappen. Wobei mir ein Spiel gegen den HSV lieber gewesen wäre.

SPIEGEL ONLINE: Sie glauben wirklich an einen Durchmarsch aus der dritten in die erste Liga?

Brösel: Wenn wir es jetzt nicht schaffen, dann schaffen wir es nie. Bald ist ja der Trainer weg, als die Presse das berichtet hat, ist die Mannschaft ja schon ein bisschen eingebrochen. Ich weiß gar nicht, was Markus Anfang in Köln will. Wie kann ein Kieler Trainer nach Köln gehen, was soll der Quatsch? Die haben doch nicht mal vernünftiges Bier.

SPIEGEL ONLINE: Aber Wechsel sind im Fußball doch ganz normal. Selbst Bernie Blindmann kam damals für eine Kiste Sprotten von Inter Mailand nach Kiel. Wieviele Kisten wäre wohl ein Neymar wert?

Brösel: Wer ist Neymar? Ein Spieler?

SPIEGEL ONLINE: Ja. Ein brasilianischer Nationalspieler, der für Paris St. Germain spielt...

Brösel: ...kann er ja auch gerne machen...

SPIEGEL ONLINE: ...und für den die Franzosen 222 Millionen Euro an den FC Barcelona gezahlt haben.

Brösel: Da kann ich nicht mithalten. Diese Millionensummen sind mir einfach zu viel. Was soll das? Und ob das überhaupt stimmt? Wer will das nachvollziehen, was da gemauschelt wird? Über den Quatsch müssen wir jetzt auch nicht reden.

SPIEGEL ONLINE: Dann zurück zur Relegation: Ein 2:2-Unentschieden wie damals zwischen Holzbein und dem 1. FC Süderbrarup würde den Kielern eine gute Ausgangssituation für das Rückspiel verschaffen.

Brösel: Ja, das wäre schon schön. Aber noch besser wäre es natürlich, wenn man nach dem Hinspiel auf der sicheren Seite ist. Ich fand ja, dass die Kieler bislang auswärts super waren - auch gegen gute Mannschaften. Ich hoffe auf 'nen Dreier für Kiel.

SPIEGEL ONLINE: Sie sind Kiel ja sehr verbunden, interessieren Sie sich da auch für den THW Kiel?

Brösel: Im Handball fallen mir zu viele Tore, das finde ich langweilig. Mit der Hand den Ball ins Tor zu werfen - das scheint ja nicht so schwierig zu sein. Im Fußball darf man den Ball nicht mit der Hand nehmen - sonst gibt's nämlich Ärger.

SPIEGEL ONLINE: Wenn wir schon beim Thema Regeln sind: Auch die Schiedsrichter wurden von Ihnen liebevoll charakterisiert. Der bei den Spielern gefürchtete Helmut Hochbein, genannt der Rote Helmut, dessen Pfeife an Rohrverstopfung leidet, und sein Kollege Bruno Koslowski scheinen im Laufe der Marktplatz-Partie doch ein wenig den Überblick zu verlieren. Hätte der Videoschiedsrichter geholfen?

Brösel: Ich finde, die Schiedsrichter haben eigentlich gut gepfiffen. Ich mein', okay, Abseits haben sie zwar nicht konsequent gepfiffen. Aber das ist auf dem Marktplatz auch nicht so wichtig! Immerhin haben sie alle Tore gegeben. Nicht so wie dieser Schiedsrichter da in Aue.

SPIEGEL ONLINE: Sie meinen das Zweitligaspiel zwischen Darmstadt und Erzgebirge Aue, als der Referee ein Tor und zwei Elfmeter für Aue nicht gegeben hatte.

Brösel: Das konnte doch jeder sehen, dass der Ball drin war. Und die Armbewegung Richtung Ball danach auch. Das war wirklich ungerecht. Der Schiedsrichter war wirklich ein Bernie Blindmann.