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Eine Familie im Zeichen der Apokalypse

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Und das hat Nr. 5 in der Zukunft gesehen.
Reginald Hargreeves (r.) präsentiert seine Umbrella Academy. Auf dem Bild fehlt Kind Nr. 7, da es angeblich kein Talent hat.
Eines dieser Kinder kam so zur Welt.

Es könnte eine ganz normale Upperclass-Familie sein. Man schreitet durch üppige Gemächer, lässt sich bedienen, neckt und zankt sich, aber bei Tisch wird geschwiegen. Sir Reginald Hargreeves (Colm Feore), ein Wissenschaftler mit weissem Bärtchen und Monokel, hat das so bestimmt. Aber dann stellt sich heraus: Hargreeves ist ein Ausserirdischer, seine Frau ein Roboter, der Butler ein sprechender Schimpanse, und die sieben adoptierten Kinder wurden allesamt von Frauen geboren, die zur gleichen Zeit einen Tag lang schwanger waren.

Diese geballte Ladung an Absonderlichkeiten mag verwundern, hat in «The Umbrella Academy» aber System: Man fährt möglichst schräges Personal auf, zeichnet die angehenden Superhelden allerdings so menschlich wie möglich und reicht dazu reichlich Retrochic. Und dann läuft es doch anders, als man denkt. Die Adoptivgeschwister ziehen aus und finden erst nach dem Tod von Hargreeves wieder zusammen. Wobei «finden» relativ ist, kommt es doch bereits bei der Abdankungszeremonie vor dem Landsitz zu Prügeleien, worauf eine Statue – sie erinnert an die verstorbene Nummer 6 – zu Bruch geht.

Einer sah die Zukunft

Ja, die Kinder in «The Umbrella Academy» tragen Nummern, manchmal auch Namen. Einer arbeitet auf dem Mond, eine andere ist Schauspielerin, gemeinsam sollten sie die Welt retten, die in acht Tagen untergeht. Von der drohenden Apokalypse erfahren wir, weil Nummer 5 (Aidan Gallagher) die Zukunft gesehen hat und dort vierzig Jahre in einer Grossstadtwüste gefangen blieb. Als er endlich im Körper eines Teenagers zurückkehrt, wird er von der angeblich talentfreien Nummer 7 (Ellen Page) bemuttert.

Die Erzählanlage von «The Umbrella Academy» funktioniert, weil die Serie einen eigentlichen Mikrokosmos des Zwischenmenschlichen aufbaut. Hinzu kommen Überraschungen sonder Zahl, es geht von der Zeitreise zur Zeitellipse und wieder zurück. Dass die von Steve Blackman («Fargo») entworfene Serie auch Action beinhaltet, versteht sich aufgrund des Genres. Und apropos Superhelden: Da in nächster Zeit die gesamte Marvel-Armada von Netflix entfernt wird (Disney lanciert im Herbst 2019 ein eigenes Angebot), hat der Streaminganbieter mit dieser verhältnismässig jungen Comicreihe eine starke, ausbaufähige Alternative in der Hand.

Von der Musik zum Comic zur Serie

Erfunden hat «The Umbrella Academy» Gerard Way, der ehemalige Sänger von My Chemical Romance, zusammen mit Zeichner Gabriel Ba. Der Comic, ein knallendes Furioso, lebt von eckigen Figuren, expressionistischen Perspektiven und erzählerischer Verknappung. Auf Anhieb gabs dafür den Eisner-Award, den Oscar der Comicbranche.

In der Serie, die auf zehnmal sechzig Minuten ausgeweitet wurde, machen die Kampfszenen nurmehr einen kleinen Teil des Geschehens aus. Und das, obwohl die Apokalypse bevorsteht und zeitreisende Killer (Mary J. Blige, Cameron Britton) bekämpft werden müssten. Aber dann interessieren sich die von einem Konzern losgeschickten Bösewichte vor allem für Risikozulagen und Süssigkeiten.

Es sind solche Finessen, die der Serie eine gute Bodenhaftung verleihen und zusammen mit ausgesuchten Referenzen für Aha-Effekte sorgen. Zum Beispiel, als Nummer 1 (Tom Hopper) den Achtzigerjahre-Song «I Think We're Alone Now» durchs Familienanwesen dröhnen lässt. Da beginnen die Geschwister zu tanzen, jeder in seinem eigenen Raum. Treffender kann man eine dysfunktionale Familie nicht beschreiben.

Herausragend ist auch die Figurenzeichnung. Es gibt den loyalen Anführer, den kampfeslustigen Nerd, den traurigen Sonnenschein, den zugedröhnten Geisterversteher, den neunmalklugen Zeitreisenden und die talentfreie Geigerin. Ob diesen Freaks acht Tage reichen, um die Welt zu retten? Im Comic hatten sie nur drei Tage, aber da war auch kein Platz für sonstige Ausschweifungen. Passend zum Serienstart erscheinen jetzt die lange vergriffenen Graphic Novels in grösserem Format. Der Vergleich zeigt: Eine Geschichte derart umzukrempeln, dass sie am Ende immer noch der Essenz des Originals entspricht, zeugt von hoher Kunst.