Carlos Ghosn:Der Mann, der sich zu wichtig nahm

Carlos Ghosn, chairman and CEO of the Renault-Nissan-Mitsubishi Alliance, attends the Tomorrow In Motion event on the eve of press day at the Paris Auto Show, in Paris

Eigentlich sollte man mit 17 Millionen Euro im Jahr ganz gut über die Runden kommen. Doch bei Carlos Ghosn liegen die Dinge möglicherweise anders.

(Foto: REUTERS)

Der Topmanager Carlos Ghosn war einer der mächtigsten Wirtschaftsführer der Welt. Dass er nun fällt, liegt auch am Habitus der ganzen Branche.

Kommentar von Thomas Fromm

Der Mann, den sie in Frankreich "Le Cost Killer" nannten, hat in seinem Leben schon viele Kosten gekillt. Zuerst sanierte er Nissan, dann übernahm er auch bei Renault, schließlich machte er bei den Kollegen von Mitsubishi weiter. In Japan war man so beeindruckt, dass Carlos Ghosn die Auto-Ikone Nissan vor dem Bankrott bewahrt hatte, dass man ihn sogar zum Helden eines Manga-Comics machte.

Der Manga-Held Ghosn, der die brasilianische, französische und libanesische Staatsangehörigkeit hat, angeblich sieben Sprachen spricht, der mit dem Markenverbund Renault-Nissan-Mitsubishi einen der weltgrößten Autohersteller geformt hatte und der als mächtigster Automanager überhaupt gilt, hatte stets durchgegriffen. Er hat hart saniert und Kosten gekillt, nur bei einem nicht: bei sich selbst.

Der 64-Jährige erhielt im vergangenen Jahr 7,4 Millionen Euro als Renault-Vorstandschef; für den Chefjob bei Nissan, den er 2017 abgab, wurden ihm noch einmal 9,2 Millionen Euro überwiesen. Zwei Autobauer, doppeltes Gehalt - exorbitant viel? Der Manager würde wohl argumentieren: Um solche Konzerne zusammenzuhalten, zwischen denen 10 000 Kilometer und jede Menge Wasser liegen, ist das doch ein angemessenes Salär.

Gefängnis statt Luxusappartement

Nun könnte man meinen, mit 17 Millionen Euro im Jahr müsste einer eigentlich ganz gut über die Runden kommen. Bei einem Global-Auto-Manager wie Ghosn aber liegen die Dinge möglicherweise anders: Nach monatelangen Recherchen habe man festgestellt, dass Ghosn Firmengelder für private Zwecke verwendet und über Jahre zu niedrige Angaben zu seinem Einkommen gemacht hat, heißt es bei Nissan. Unter anderem kursieren in Japan Berichte über Immobilien, die von Nissan finanziert wurden und in denen Ghosn kostenfrei wohnen konnte.

Jetzt sitzt der einstige Manga-Held nicht in einem Luxusappartement in Paris oder an der Copacabana, sondern in einem japanischen Gefängnis, und dass ein Stratege wie Ghosn so tief fällt, könnte mit Gier zu tun haben, aber nicht nur. Es hat auch etwas mit der Branche zu tun, in der er arbeitet und die er in den vergangenen Jahren maßgeblich mitgeprägt hat.

Es ist ein Geschäft, das zur Hybris verleitet. Keine Branche ist so politisch, so mächtig, kaum eine so reich, keine hat so viele Arbeitsplätze zu verteilen, kaum eine ist so international, und kaum eine inszeniert Emotionen so geschickt wie die Autoindustrie mit ihren Messen und Partys. Wenn die Branche schon so wichtig ist - wie wichtig sollen sich dann erst die Menschen an ihrer Spitze fühlen?

Keine hörbaren Kritiker; von allen bewundert und hofiert; einer der mächtigsten Manager der Welt, der seine Abteilungen - im Wortsinne abgehoben - vom Flugzeug aus regiert: All das kann einen Menschen wohl irgendwann dazu bringen, sich für unverwundbar zu halten und die Geschäfte frei nach dem absolutistischen Leitsatz "L'État, c'est moi" ("Der Staat bin ich") zu führen. Oder eben: Le groupe automobile, c'est moi. Der Autokonzern bin ich. Wer sonst!

Bisher hat sich Ghosn noch nicht zu den Vorwürfen geäußert. Es wäre interessant zu erfahren, wie er die Dinge sieht.

Ghosns Unternehmen ist vergleichbar mit dem Volkswagen-Konzern

Der Mann stammt aus einer Zeit, in der sich Manager über Größe definierten. Im Fall des französisch-japanischen Großkonzerns heißt das, in Zahlen: 450 000 Mitarbeiter in an die 200 Ländern, Jahresabsatz: rund 10,6 Millionen Autos. Ghosns Unternehmen ist also vergleichbar mit dem VW-Reich, wo der langjährige Chef Martin Winterkorn in seinen besten Zeiten auch an die 16 Millionen Euro verdiente.

Und auch sonst ging es in Wolfsburg unter Winterkorn und dem langjährigen VW-Patriarchen Ferdinand Piëch jahrelang zu wie am Hofe. Piëch ernannte, Piëch feuerte, Piëch entschied. Er und kein anderer war lange Zeit "der Autokonzern", und es brauchte erst eine Dieselaffäre und deren Folgen, um das Reich (langsam) zu verändern. Dass es keine Frage des Alters ist, wenn sich Automanager überschätzen, zeigt das Beispiel des Tesla-Chefs Elon Musk, der seinen Twitteraccount dafür nutzte, um über einen möglichen Rückzug von der Börse zu spekulieren.

Der mit großem Abstand eklatanteste und dramatischste Fall aber dürfte nun der des Carlos Ghosn sein. Noch sind die Untersuchungen erst am Anfang. Aber so viel ist jetzt schon nach der Festnahme des Managers wegen des Verdachts der Veruntreuung von Firmengeldern klar: Die Geschichte könnte alles, was Ghosn in den vergangenen Jahren zwischen Frankreich und Japan aufgebaut hat, wieder einreißen. Ende einer globalen Autoallianz, Ende einer Karriere: der perfekte Stoff für den nächsten Manga-Comic.

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