Kultur „Am Ende ist das ein Mega-Gefühl“

Go East: Spirou (links), Fantasio und Pips.
Go East: Spirou (links), Fantasio und Pips.

Das hat es so noch nicht gegeben: Ein Künstler aus Deutschland darf zum 80. Geburtstag der Serie „Spirou“ aus dem Dupuis-Verlag ein Album des franko-belgischen Comic-Klassikers zeichnen. Zunächst nur für den deutschen Markt, aber eine besondere Ehre war es für Flix dennoch. Und eine große Herausforderung. Jetzt ist „Spirou in Berlin“ bei Carlsen erschienen.

Wie entstand dieses außergewöhnliche Projekt?

Es gab diese Zukunftsfrage: Wie geht man mit der Marke Spirou um, wie bringt man sie voran im neuen Jahrtausend. Vor etwa drei Jahren sprachen darüber Redakteure des belgischen Verlags Dupuis und von Carlsen, des deutschen Lizenznehmers. Sie überlegten, wo Spirou noch nicht war, welche Orte denkbar wären? So kam man auf Deutschland und Berlin. Ein historischer Ort mit viel Geschichte, die auch für Europa relevant ist. Das fanden alle einen guten Ansatz. Und Klaus Schikowski von Carlsen meinte: „Gut, das probieren wir mal.“ Das lief dann zwangsläufig auf Sie als ausführenden Künstler hinaus ? Weiß ich nicht. Klaus Schikowski überlegte, welche Zeichner, Texter, Koloristen auf einem so hohen Level in Frankreich bestehen können. Was mit reinspielt, sind Auflagenzahlen, da bin ich bei Carlsen schon gut dabei. Und wenn ein Comic ins Spirou-Universum reinpassen soll, muss jemand ein bisschen diesen Funny-Stil beherrschen. Da gibt es gar nicht so viele in Deutschland. Dupuis hat dann signalisiert, dass sie sich gerne angucken, was wir entwickeln. Und wir legten los. Es war insgesamt ein Prozess über zwei Jahre und viel Arbeit. Hat man großen Respekt, sich an so eine Comic-Ikone heranzuwagen? Einerseits schon. Andererseits muss man den knallhart beiseite legen, um nicht handlungsunfähig zu werden. Es geht ja darum, etwas Eigenes zu schaffen. Da kam mir sehr zu Hilfe, dass ich mich schon öfter mit großen Geistern aus der Literatur beschäftigt habe. Das Prinzip ist das Gleiche: Es gibt ein funktionierendes Universum. Das kann man wie einen Steinbruch benutzen; man sucht sich die Teile raus, mit denen man etwas anfangen kann. Daraus baut man sein Haus. Am Ende ist das ein Mega-Gefühl. War es schwierig, die Figur nach Berlin zu verfrachten? Es war mir wichtig, eine Geschichte zu verfassen, die einen zwingenden Grund liefert, warum die Protagonisten gerade nach Berlin müssen. Und es stellte sich die Frage des historischen Zeitpunkts. Ich wollte keinesfalls eine Nazi-Geschichte erzählen als deutscher Zeichner. Das ist so ein Klischee. Jetztzeit fand ich auch schwierig. Diese abgedrehten Abenteuer, die die Serie ausmachen, kriege ich da nicht unter. Dann kam ich auf die DDR und den Mauerfall, der ja auch europäische Relevanz hat und damit gut zu diesem Projekt passt. Was hat Spirou mit dem Einsturz der Berliner Mauer zu tun? Das fand ich spannend. Wie gestaltete sich der zeichnerische Umgang mit der Figur? Das ging. Bei diesen Sonderbänden wird eine weitere Facette dazuerfunden oder ein historischer Ansatz gewählt. Daher konnte ich das weitgehend so machen, wie ich mir das vorstellte. Aber auch da gab es Hinweise und Anmerkungen von Dupuis. Ganz konkret waren die Nasen ein Thema. Ich zeichne normalerweise immer Quadernasen und hatte das bei den ersten Entwürfen so angelegt. Die Reaktion: „Nein, das sehen wir nicht.“ Da war ich schon ein bisschen enttäuscht, ist schließlich mein Markenzeichen. Also habe ich versucht es anders zu machen und bin im Nachhinein sehr froh damit. Ich überlege sogar, ob ich die neuen Nasen beim nächsten Projekt beibehalte. Welche Reaktionen gab es denn aus dem Kollegenkreis auf das Projekt? Das ist irre. Wir konnten nicht darüber sprechen, solange die Sache nicht besiegelt war. Als es dann klarer wurde, gab es eine ganz große Begeisterung. Wie beim Fußball: Einer von uns aus dem Ortsverein, der spielt jetzt bei Barcelona. Die Kollegen fiebern richtig mit. Ich würde mir wünschen, dass das Buch auch in Frankreich erscheint und ein Türöffner wird für deutsche Zeichner, dort noch mal anders wahrgenommen zu werden. Das steht aber noch nicht fest, wir müssen den Ball flach halten. Wie ist das Gefühl mit dem fertigen Spirou-Band? Ich hätte es im Moment nicht besser machen können, vielleicht in ein paar Jahren. In Deutschland können nur wenige Künstler allein vom Comiczeichnen leben. Was ist Ihr Erfolgsrezept? Da kamen mehrere glückliche Umstände zusammen. Mir war relativ früh klar, dass ich Comics machen wollte. Aber weil ich keine Ahnung hatte, wie man das anfängt, habe ich Bücher gemacht. Weil ich Bücher im Laden gesehen haben. Dann hatte ich Glück, direkt beim Eichborn-Verlag einzusteigen, also oben. Zudem fiel mir über die Jahre immer irgendetwas ein, was auch ankam. Das ist ein Geschenk. Und ich bin auf Leute und Kollegen gestoßen, die mir Mut gemacht haben, groß zu denken: Nicht nur Comics für die Szene zu machen, sondern damit auch andere Leute zu erreichen, die eigentlich keine Comics lesen. Das ist mein Ansatz. Und man braucht einen regelmäßigen, relativ hohen Output. Ich frage mich schon manchmal, ob ich diese Menge an Seiten und Geschichten auch noch die nächsten 20 Jahre schaffe. Welchen Anteil am Erfolg trägt eigentlich das Saarland? Ich habe gerne an der Kunsthochschule in Saarbrücken studiert, auch wenn es damals noch keinen Masterstudiengang Comic gab und ich relativ alleine war mit dem, was ich da machte. Ich wäre natürlich lieber in eine ganz große Stadt gegangen. Aber ich bin froh, dass es nicht so gekommen ist. Saarbrücken hat nicht das ausgedehnte Nachtleben, wo man Tage und Wochen versumpfen kann. Das hilft einem, seine Sache auf die Reihe zu kriegen. Das war gut, so konnte ich studieren und gleichzeitig Comics machen. | Interview: Peter Müller

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