Der neue Alltag für Sportvereine zeigt sich auf den Sportplatz Babenhäuser Landstraße im Süden Frankfurts: Die Kinder der TG Sachsenhausen laufen einzeln und mit Maske über eine Stahltreppe auf den Sportplatz, der direkt am Stadtwald liegt. Der Verein ist einer der größten in Frankfurt. Er bietet Fußball, Handball, Gymnastik, Gesundheitssport, Tischtennis, Turnen, Volleyball und Zumba an. Seit Monaten stand das Vereinsleben still. Drinnen geht noch immer nichts. Draußen dürfen zumindest Kinder wieder Sport treiben.

Die machen einfache Übungen. Sie spielen Fangen, springen über Hürden und kurven um Hütchen. Sie lachen. Auf der monatelang verwaisten Tartanbahn herrscht wieder Leben: Montags kommen die Kleinsten im Alter von vier bis sechs Jahren. Dienstags sind die Sechs- und Siebenjährigen dran. Mittwochs die Acht- bis 14-Jährigen. Übungsleiter und Eltern stimmen sich und die Termine vor jedem Training in WhatsApp-Gruppen ab und pflegen Doodle-Listen. Alles ist sehr aufwendig, und doch auch ein kleiner Schritt zurück zu irgendeiner Form von Vereinssport in der Pandemie.

Nun aber drohen wieder Einschränkungen: Mit der Änderung am Infektionsschutzgesetz wird der kontaktlose Sport im Freien nur noch in Gruppen von maximal fünf Kindern unter 14 Jahren erlaubt sein. Die Übungsleiter müssen ein negatives Testergebnis nachweisen. Noch härtere Einschränkungen, die Sport wieder nur für Angehörige eines Hausstands erlauben, den Teamsport also erneut verboten hätten, wurden im Sportausschuss des Bundestags gerade noch eben verhindert.

Seit mehr als fünf Monaten befindet sich fast der gesamte Breitensport im Lockdown. Nur beim gescheiterten Plan mit der "atmenden Öffnungsmatrix" erhielt er eine Perspektive, jetzt werden die Regeln wieder strenger. Forschende sind empört, denn manche ihrer Ergebnisse zeigen, dass die Vorschriften zu streng sein könnten. Und bleibt Sport verboten, könnte der Lockdown, der kurzfristig Ansteckungen verhindern soll, langfristig einen anderen großen gesundheitlichen Schaden verursachen.

Sportmediziner sind daher aufgebracht. Und werden laut. "80.000 Menschen sterben pro Jahr an Bewegungsarmut in Deutschland", sagte Perikles Simon, Leiter der Abteilung Sportmedizin am Institut für Sportwissenschaft der Universität Mainz und einer der renommiertesten seines Fachs, neulich der Mainzer Allgemeinen Zeitung. Dass Menschen an den indirekten Folgen von zu wenig Bewegung leiden, dieser Effekt würde sich nun verstärken. Man müsse sich vor Augen führen, was es für ein Kind im Alter von zwei bis acht Jahren bedeute, wenn es ein Jahr lang bezüglich Bildung und Sport eingeschränkt wird. "Bewegung ist lebensnotwendig, Bewegungsarmut fördert Krebs- und Herzkreislauferkrankungen. Die Politik in der Pandemie ist aber darauf ausgerichtet, dass Bewegung eigentlich egal ist."

Aus Simons Sicht stimmt der generelle Kurs seit Längerem nicht mehr: "Wir fahren aus einem Angst-Level heraus nur auf Sicht – und das nun schon seit einem Jahr." Dabei schaue man nur auf das virale Geschehen. Es gebe aber Kollateralschäden. Bei diesen psychischen und physischen Erkrankungen spiele fehlender Sport eine Schlüsselrolle: "Die Volksgesundheit lässt sich nicht nur an den Kranken bemessen. Wir haben nicht nur für die erkrankten Menschen eine Verantwortung, sondern auch gegenüber den Gesunden. Dieser Gedanke kommt mir zu kurz."

Der Unmut ist auch in den knapp 90.000 Vereinen zu spüren. Harald Seehausen ist Vorstandssprecher der SG Bornheim Grün-Weiß, einem 750 Mitglieder starken Stadtteilverein in Frankfurt, der sich als Treffpunkt sämtlicher Generationen und Kulturen versteht. Bestimmte Lockerungen für den Kindersport sind für ihn "unbedingt notwendig", die seelische und soziale Gesundheit zu fördern sei wichtig, vor allem jetzt, in den ersten Frühlingstagen.