Die türkische Regierung hat ein neues Dekret erlassen, dank dem sie im Ausland lebende Türken unter bestimmten Bedingungen die Staatsbürgerschaft entziehen kann. Nach den in der Nacht zu Samstag veröffentlichten Notstandsdekreten gilt das für Personen, die schwerer Straftaten beschuldigt werden und trotz Aufforderung nicht innerhalb von drei Monaten in ihre Heimat zurückkehren. Gründe können unter anderem Putschversuche wie der im vergangenen Juli oder die Gründung bewaffneter Organisationen sein.

Die Regierung macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Umsturzversuch verantwortlich, in dessen Folge der Ausnahmezustand in der Türkei verhängt wurde. Danach hatten zahlreiche Staatsbedienstete im Ausland, die verdächtigt wurden, Verbindungen zur Gülen-Bewegung zu haben, der Aufforderung der Regierung zur Rückkehr in die Türkei nicht Folge geleistet. Darunter sollen Diplomaten und Nato-Offiziere sein. Andere setzten sich nach dem gescheiterten Putsch ins Ausland ab.

Per Notstandsdekret wurden in der Nacht zum Samstag erneut Tausende Staatsbedienstete entlassen. Außerdem sind die Befugnisse der Polizei für Ermittlungen bei Straftaten im Internet ausgeweitet worden.

Liste mit Namen und Adressen veröffentlicht

Außerdem wurden seit dem Putschversuch insgesamt 8.400 Staatsbedienstete entlassen. Darunter sind 2.687 Polizisten, 1.699 Mitarbeiter des Justizministeriums und 841 Angehörige der Streitkräfte oder des Verteidigungsministeriums. Außerdem verloren 631 Akademiker und 155 Verwaltungsangestellte an Universitäten ihren Job. Unter den zahlreichen weiteren von Entlassungen betroffenen Behörden sind auch die Religionsbehörde und das Presseamt.

Die von den Ministerien und Behörden entlassenen Staatsbediensteten wurden in Anhängen zu dem jüngsten Dekret erneut mit Namen und Dienstort genannt. Dieses Vorgehen ist umstritten, da die Betroffenen so öffentlich an den Pranger gestellt werden, ohne von einem Gericht verurteilt worden zu sein.

Das türkische Parlament hatte den Ausnahmezustand in der Nacht zum Donnerstag bis zum 19. April verlängert. Die Regierung begründete den Antrag unter anderem mit anhaltenden terroristischen Angriffen. In der Türkei wird die Gülen-Bewegung als Terrororganisation eingestuft.

Seit Verhängung des Ausnahmezustands kann Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan weitgehend per Dekret regieren. Die Dekrete haben Gesetzeskraft und gelten ab ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt. Das Parlament muss sie nur nachträglich bestätigen.