Sein Strich war Verletzung. Nicht nur in seinen "bösen" Zeichnungen, den Ikonen der amerikanischen Obszönität, den politrics und den Karnevalstänzen der Lust, sondern auch wo er heiter und kindlich scheint, zeichnete Tomi Ungerer die Haut nicht als Kontur, sondern als verletzte und verletzbare Grenze zwischen einem Wesen (und sei’s der Frosch in seinem Kamasutra) und der Welt. Etwas Unheimliches frisst immer an seinen Figuren, aber die lassen es sich gefallen.

Zum Schönsten, was er je gezeichnet hat, gehören winklige Turm-Architekturen und bizarre Maschinen, ein Uhrenturm, den schwarze Vögel umkreisen. Jean-Thomas Ungerer war der Sohn eines Uhrmachers und Turmuhrenfabrikanten in Straßburg, der starb, als Tomi vier Jahre alt war. Danach lernte er Krieg und Besatzung im Elsass kennen, ein Leben, in dem beide Seiten, die französische wie die deutsche, vor allem die Unterdrückung der anderen Seite pflegten. Er wich in ein nomadisches, abenteuerliches und gefährliches Leben aus, bis er endlich im Jahr 1956 in die USA kam und sich als Kinderbuch-Illustrator aus alltäglichem Elend befreite. Seine märchenhaften Kinderbücher kann man lesen wie Blicke in den Abgrund, und seine späteren zeichnerischen Blicke in diverse Abgründe wirken wie mit den Augen eines unschuldig-neugierigen Kindes gesehen.