Leichte Beute (Carlsen)

Juli 24, 2018

Spanien, im Jahr 2014. Kommissarin Olga Tabares und ihre rechte Hand, Carlos Sotillo, untersuchen einen möglichen Mord. Das Opfer, ein Vertriebsmitarbeiter der Banco Ovejero, wurde eventuell vergiftet. Noch ehe sich dieser Verdacht durch die Untersuchung der Forensiker bestätigen kann, geschieht ein weiterer Mord. Eine Bank-Filialleiterin bricht in einer Bar tot zusammen. Wieder ein Tag später wird die Leiche eines Bankchefs am Strand gefunden. Und in den nächsten beiden Tagen passieren weitere Todesfälle, alles Bankangestellte. Sotillo spricht aus, was jeder denkt, zumal sich bei allen eine Vergiftung mit Zyanid als Todesursache bestätigt: Hier sind ein oder mehrere Serienkiller am Werk. Oder gar Terroristen. Auf jeden Fall müssen die Mörder gut durch organisiert sein und ihre Taten von langer Hand geplant haben. Nur: Welche Verbindung gibt es zwischen den Toten, die alle in, bzw. für unterschiedliche Banken arbeiteten? Und vor allem: was ist das Motiv? Und wie passt der Tod des Vorstandsvorsitzenden der Bancamar in das Schema, der offenbar durch einen Autounfall starb? Nach und nach führen die Ermittlungen in eine völlig überraschende Richtung…

In seiner neuen Graphic Novel beschäftigt sich Miguelanxo Prado mit der spanischen Finanzkrise und deren Auswirkungen auf den „kleinen Mann“. Zumindest indirekt. Im Vordergrund steht die eingangs geschilderte Krimi-Geschichte. Die ist zweigeteilt. Zuerst passieren die Morde, bzw. die seltsamen Todesfälle, und Tabares und Sotillo versuchen erst ein Schema, dann eine Verbindung zwischen den Taten zu finden. Dann beginnt im zweiten Part die Ermittlungs- und Aufklärungs-Arbeit, die nach einigen Sackgassen recht schnell zu Ergebnissen führt, welche anfangs hinsichtlich der Täterschaft (wir versuchen hier, so wenig wie möglich zu spoilern, was nicht leicht ist) überraschen, sich danach aber auf die Motive und die Rekonstruktionen der Tathergänge konzentriert. Das nimmt der eigentlichen Krimi-Handlung etwas Wind aus den Segeln, stellt aber gleichzeitig den notwendigen Bezug zum Anfang des Bandes und zur bereits erwähnten Finanzkrise her. Womöglich versucht Prado einen Spagat aus Allegorie auf jene Krise und Krimi – man beachte in diesem Zusammenhang auch die Symbolik auf dem Cover des Bandes. Stichwort Moral und Selbstjustiz.

Bei der Charakterisierung bzw. dem Verhältnis zwischen den Polizisten Tabares und Sotillo greift Prado dagegen auf ein gängiges Klischee zurück: die Kommissarin und ihr Assistent sind eigentlich Best Buddies und kabbeln sich ständig. Laufend schickt der/die eine oder der/die andere Spitzen in Richtung seines Gegenübers, was immer wieder für einen gutlaunigen Faden sorgt, der konsequent den ganzen Band durchzieht und die Story aufhellt. Optisch wird es dagegen finster, denn hier geht Prado einen neuen Weg: Natürlich ist sein charakteristischer Stil unverkennbar, der die Personen markant und unverwechselbar wiedergibt. Aber diesmal nicht in den gewohnten opulenten Farben, wie noch bei Ardalén (bei Egmont erschienen), seiner letzten Graphic Novel, sondern in düsterem Schwarz-Weiß, oder besser Grau- Schwarz-Weiß, was den finsteren, abgründigen Aspekt der Geschichte dauerhaft hervorhebt. Die Comics von Miguelanxo Prado, der heuer wieder beim Comic-Salon in Erlangen ein gefragter Gast war, waren schon immer lesenswert und tiefgründig. Auch dieser Band (beim Fortschreiten des Lesens fragt man sich, wer denn hier nun die leichte Beute ist) macht da keine Ausnahme. (bw)

Leichte Beute
Text & Bilder: Miguelanxo Prado
96 Seiten in Schwarz-Weiß, Hardcover
Carlsen Verlag
18 Euro

ISBN: 978-3-551-73428-0

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