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Comic-Katze
Der Antiheld und Fernsehjunkie Garfield wird 40

Er ist fett, faul und gefräßig, aber er macht die Leute seit 40 Jahren glücklich: Garfield. Die orange-gestreifte Comickatze mit den Klimperaugen, so sein Zeichner Jim Davis, biete eine "emotionale Pause vom Rest der Medien" - und die popkulturelle Lizenz zum Geldverdienen in 80 Ländern der Welt.

Von Achim Hahn | 19.06.2018
    Satt und zufrieden: Kater Garfield liegt auf dem Rücken, umgeben von leeren Packungen Fertiglasagne.
    "Er kann zehn Portionen Lasagne auf einmal essen. Das ist menschlicher, als einen Bus zu retten", findet Garfield-Erfinder Jim Davis. Hier eine Szene aus der Kinoverfilmung von 2004 (imago / United Archives)
    Jim Davis: "Wir leben in einer Zeit, in der wir dazu gebracht werden, uns immer schuldig zu fühlen, fürs Essen, fürs Schlafen und so weiter. Und wenn Garfield das macht, dann nimmt er sich einfach das Recht und ist zufrieden damit."
    Und das sei eines der Geheimnisse seines Erfolges. Sagt Jim Davis, der Erfinder dieser allgegenwärtigen, fetten, gefräßigen und faulen Katze mit den überdimensionalen Klimperaugen.
    "Der ist wie ein alter Freund geworden, dessen einziger Existenzgrund es ist, dass wir uns ein wenig besser fühlen, um uns das Leben ein wenig einfacher zu machen. Und ich denke, das berührt die Leute. Mit der Zeit entwickelt man Zuneigung."
    Und deshalb gibt es Garfield nicht nur in etlichen Comicstrips, sondern auch auf Tassen, T-Shirts, Bettwäsche und sonstigen Fanartikeln. Seine tägliche Reichweite: 200 Millionen Leser. 2400 Zeitungen in 80 Ländern und 40 Sprachen. So die Vermarktungsfirma des Künstlers. Dazu Spielfilme, Serien, ein Musical und einige Fan-Fiction-Variationen.
    Die Superkräfte des Antihelden
    "Garfield wurde Teil der Popkultur. Anfangs war er nur ein Comicstrip, aber dann wurde sein Name immer öfter genannt als Referenz für alles Mögliche. Das ist garfield-esk." Und das heißt faul und destruktiv, fies und sarkastisch. Unsympathisch und orangefarbig. Im ersten Moment: kein Super- sondern ein Antiheld - und nebenbei eigentlich Fernsehjunkie. Garfields Superkräfte:
    "Er kann 10 Portionen Lasagne auf einmal essen. Das ist menschlicher als einen Bus zu retten, der gerade von einer Klippe fällt. Die Menschen identifizieren sich viel eher mit Antihelden, weil sie menschlicher als Helden sind."
    Und sie stehen nicht auf Insektencomics. Der eigentliche Grund für Garfields Existenz, wie Jim Davis zugibt: "Ich habe 9 Jahre als Assistent an einem anderen Comicstrip gearbeitet, der hieß "Tumberweeds". Und in der Zeit habe ich versucht, einen Comicstrip über Insekten zu machen. Da hab ich nur Absagen bekommen. Die Verleger meinten, die Zeichnungen wären zwar okay und Gags großartig - aber Insekten? Damit will sich doch keiner identifizieren. Und dann hab ich mich umgesehen: Es gab jede Menge erfolgreicher Hunde-Comics wie zum Beispiel Snoopy, aber keine Katzen. Und ich dachte mir: wäre es nicht lustig, eine mürrische Katze mit dem warmen Charakter im Inneren zu kreieren."
    Die Vorwegnahme des YouTube-Katzencontents sozusagen. Heute vor 40 Jahren. Noch schlicht in Schwarzweiß gehalten, aber im Prinzip hat sich wenig verändert, so der 72-Jährige: "Er hat sich eigentlich nicht verändert. Weil Humor aus Konflikten entsteht wie groß, klein, dick, dünn, schlau, dumm, Katze, Hund."
    Jim Davis selbst hat mit Garfield wenig gemein. Gut, er mag auch Lasagne, aber sonst ist er doch eher: "Wischiwaschi!"
    Garfields Humor gerade besonders günstig
    Eben das Pendent zu Jon Arbuckle, dem Comiczeichner im Strip - und sagt man Herrchen bei Dosenöffnern? Garfield jedenfalls sei das, was Jim Davis in den anderen Menschen sähe. Und die lieben Garfield, weil sie sich mit ihm identifizieren könnten. Vielleicht auch, weil er sich traut, das zu denken und zu tun, was alle gerne sagen und tun würden. "Und damit fühlen auch wir uns ein bisschen besser, wenn wir Garfield lesen. Und das ist übertragbar auf alle anderen Länder und Kulturen."
    Fest steht für Jim Davis, dass die Zeiten für Garfields Humor gerade wieder besonders günstig sind. Nicht nur, weil in den USA die Farbe Orange gerade tonangebend ist, sondern, weil Comics in Zeiten von Kriegen und ökonomischen Krisen populärer würden: "Ich bin gerade vom Denver Comic-Con hergekommen, und so viele Menschen haben sich bei mir bedankt für den Humor, mit dem sie durch den Tag kommen. Sie können gar nicht erwarten nach Hause zu kommen, um einen Strip zu lesen. Das ist wie eine emotionale Pause vom Rest der Medien."
    Den Schluss, dass sich Garfield auch mal politisch einmischen könnte, zieht Jim Davis jedoch ganz bewusst nicht: Er fühle sich vielmehr verantwortlich, Garfields Humor aus der Politik oder sozialen Kommentaren rauszuhalten. "Das machen alle: die Zeitungen, im Fernsehen, den Medien - und dann alles noch übers Internet. Das mache ich nicht. Ich balanciere es aus. Es ist Garfields Aufgabe, dass man sich ein wenig besser fühlt."
    Oder um es mit Garfields Humor zu sagen - sofern er eine "Filosofie" vermittelt: "Das Leben ist nicht so schlecht und wir sollten lernen, über uns selbst zu lachen. Er sagt im Grunde: werdet ein bisschen fröhlicher Leute."