In der millionenschweren Schmiergeldaffäre bei Media Markt, Europas größter Elektronik-Handelskette, sind neue Urteile gefallen. Wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit hat eine Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts sechs Angeklagte schuldig gesprochen und zu Bewährungsstrafen verurteilt. Bereits im Dezember waren Michael Rook, bis zu seiner Verhaftung im Oktober 2011 der Deutschland-Chef von Media Markt, und ein weiterer Top-Manager wegen Bestechlichkeit zu hohen Haftstrafen verurteilt worden.
Media Markt: Chronologie einer Schmiergeld-Affäre
August 2010: In der Ingolstädter Media-Markt-Konzernzentrale geht ein erstes anonymes Schreiben ein. Darin werden Korruptionsvorwürfe gegen zwei Geschäftsführer und eine der Ehefrauen erhoben. Namen werden nicht genannt.
18. Januar 2011: Vom Konzern eingeschaltete Wirtschaftsprüfer der KPMG stellen fest: es gibt keine Korruptionszahlungen.
Februar 2011: In der Konzernzentrale und bei der Augsburger Staatsanwaltschaft gehen gleichzeitig anonyme Schreiben ein. Erstmals werden sechs Namen genannt, auch der des Deutschlandchefs Michael Rook. Der Konzern selbst erstattet Anzeige.
13. Juli 2011: Bundesweite Razzia in Privathäusern und Media Märkten, gegen 20 Personen wird ermittelt. Februar 2012 Anklage der Staatsanwaltschaft Augsburg gegen neun Personen wegen gewerbs- und bandenmäßig begangener Bestechung oder Bestechlichkeit.
6. Juni 2012: Prozessbeginn
Die jetzt verurteilten fünf Männer und eine Frau haben über ihre Verteidiger die Vorwürfe der Anklage bestätigt. Demnach hatten sie durch Scheinrechnungen und Buchungstricks seit 2005 geholfen, Zahlungen in Höhe von mehr als vier Millionen Euro an die beiden Konzern-Manager zu verschleiern. Anschaulich verglich Richter Wolfgang Natale die Rolle der Angeklagten – vier von ihnen sind Hamburger Geschäftsleute – mit der einer „Waschmaschine“.
Treffpunkte für diskrete Geldübergaben waren noble Restaurants
Jeder Schleudergang machte die beiden Manager um Beträge zwischen 60 000 und 80 000 Euro reicher. Treffpunkte für diskrete Geldübergaben waren noble Restaurants am Münchner Promenadeplatz, am Ammersee oder auch mal eine Herrentoilette am Flughafen. Michael Rook und Bruno H. – ihm unterstanden die Märkte in Süddeutschland – sorgten für Gegenleistung. Ihre Geldgeber waren Marketingfirmen in Wetzlar und Hamburg. Sie durften in den 330 deutschen Media Märkten fortan konkurrenzlos DSL-Verträge für das schnelle Internet verkaufen. Ein lukratives Geschäft, mit dem sie in sechs Jahren 65 Millionen Euro Umsatz erzielten.
Die Korruptionsaffäre war im Februar 2011 durch einen anonymen Hinweisgeber ans Licht gekommen. Dieser nannte der Augsburger Staatsanwaltschaft Namen. Monate später durchsuchten Fahnder die Zentrale von Media Markt in Ingolstadt. In der Folge verhafteten sie 21 Personen. Ein erster Prozess gegen die Drahtzieher endete mit Schuldsprüchen. Mit Ausnahme von Rook hatten fünf der sechs Angeklagten die Vorwürfe eingeräumt. Der 48-Jährige, zur Haftstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt, hat gegen sein Urteil Revision eingelegt.
Historische Villa steht zur Zwangsversteigerung an
Das sind Media Markt und Saturn
1961 eröffnet das Unternehmerpaar Friedrich Wilhelm und Anni Waffenschmidt die Saturn Electro-Handels GmbH & Co. KGin Köln.
Ab 1972 konzentriert sich Saturn neben dem Verkauf von Elektrogeräten vor allem auf den Handel mit Schallplatten. Bis zu 60.000 LPs und Singles werden pro Tag verkauft.
Das Unternehmen Media Markt wird 1979 von Leopold Stiefel, Erich und Helga Kellerhals sowie Walter Gunz gegründet.
Der erste Media Markt öffnet damals in München.
Zum Jahresende 1987 gibt es in Deutschland zehn Media Märkte mit einem Netto-Gesamtumsatz von umgerechnet 91 Millionen Euro.
Ein Jahr später, 1988, beteiligte sich Kaufhof mehrheitlich an der Holding der Media Märkte.
1990 und 1993 erwirbt die spätere Media-Saturn-Holding GmbH die Saturn-Häuser. Man beschließt, die Marken Media Markt und Saturn parallel und im Wettbewerb zu betreiben.
Im Jahr 2002 startet Saturn die Kampagne „Geiz ist geil!“ - was in den Folgejahren zum geflügelten Wort wird.
2008 eröffnet Saturn in Frankreich den weltweit 200. Markt.
Heute sind Media Markt und Saturn an über 850 Standorten in 16 Ländern Europas und Asiens vertreten und haben 2010 rund 20,8 Milliarden Euro Umsatz erzielt.
Die Unternehmensgruppe beschäftigt derzeit mehr als 70.000 Mitarbeiter - davon mehr als 2.000 an ihrem Hauptsitz in Ingolstadt.
2011 erschüttert ein Korruptionsskandal das Unternehmen. Es geht um Schmiergeld im Zusammenhang mit Auftragsvergaben.
Im März 2012 erhebt die Augsburger Staatsanwaltschaft gegen einen Media-Markt-Vorstand und acht weitere Personen Anklage wegen Korruption. Der 47-jährige Deutschland-Vertriebschef des Unterhaltungselektronikunternehmens soll zusammen mit einem Regionalmanager fünf Millionen Euro Schmiergeld kassiert haben. Dafür habe er drei Firmen Aufträge über 65 Millionen Euro zugeschanzt, obwohl deren Konkurrenz bessere Angebote vorgelegt habe, teilt die Staatsanwaltschaft mit.
Ausgerechnet Bruno H., mit Rook auch befreundet, hatte ihn im Prozess schwer belastet. Der 53-Jährige, der eine fast fünfjährige Haftstrafe zu verbüßen hat, will sich 2,6 Millionen Euro mit seinem Vorstand geteilt haben. Weitere 1,7 Millionen Euro an Bestechungsgeld hatte eine Tarnfirma von Bruno H.’s Ehefrau kassiert. Die 10. Strafkammer hat die heute 39-Jährige jetzt zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Nach ihrer Verhaftung hatte sie der Kripo wichtige Hinweise gegeben. Das rettete Tina H. davor, ins Gefängnis zu müssen. Auf die Mutter zweier Kinder kommen schwere Zeiten zu. Das Finanzamt und Media Markt fordern vom Ehepaar wie von Rook Millionenbeträge zurück. Ihre historische Villa in Utting am Ammersee steht zur Zwangsversteigerung an.