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Das Jahrhundert-Rätsel von Vals

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Je mehr sich Pierre mit der Therme befasst, desto mehr Geheimnisse kommen zum Vorschein. Entspannend ist sein Besuch in Vals definitiv nicht. Dafür spannend.
1996 baute Architekt Peter Zumthor das Bad. Der Bau verschmilzt mit der Aussenwelt, auch in Lucas' Graphic Novel.
Die Hauptfigur der Geschichte: Pierre, ein Student aus Paris.

Wer die Therme im bündnerischen Vals betritt, sucht Entspannung und Erholung in asketischer Umgebung. Das 1996 von Architekt Peter Zumthor erbaute Bad – ein mit Gneis-Steinplatten verfestigtes Labyrinth – fügt sich organisch in die Aussenwelt, atmet und spiegelt die Berggegend für den Badegast, der hier nicht die übliche Freizeitbespassung bekommt. Sondern Stein und Wasser.

Im Schnee ausgespuckt

Ob sich hinter diesen Mauern Geheimnisse verbergen? Den französischen Comicautor Lucas Harari hat die Architektur jedenfalls gereizt, sich einen Thriller auszudenken. In «Der Magnet» erzählt er von Pierre, einem Pariser Studenten, der von der Therme so besessen ist, dass er beim Schreiben seiner Abschlussarbeit ein Burn-out erleidet. Aber der ernste junge Mann rappelt sich auf und reist nach Graubünden.

Als er im Bad ankommt, um dem Mysterium der Therme zeichnend auf die Spur zu kommen, traut er jedoch seinen Augen nicht. Wo eben noch eine Tür war, ist auf einmal keine mehr. Später wird er hören: «Ihre Grundriss-Skizzen stimmen so nicht! Und trotzdem scheinen sie ganz exakt den Bauplänen zu entsprechen.» Schliesslich wird Pierre wie im Fiebertraum vom Gemäuer verschluckt – und mitten in der Nacht, nur mit einem Bademantel bekleidet, im Schnee wieder ausgespuckt. Erholsam ist anders. Pierre schliesst dann immerhin Bekanntschaft mit der rothaarigen Ondine und lässt sich auf ein amouröses Abenteuer ein. Und er stösst auf jene Legende, wonach sich der Berg, wo das Wasser entspringt, alle hundert Jahre einen Fremden hole und ihn verschlinge. Damit nicht genug, begegnet Pierre einem Architekturpublizisten, der umgehend sein Notizbuch behändigt und dieses nur widerwillig wieder herausrückt. Zufall oder Absicht?

Harari, der mit «Der Magnet» sein Comicdebüt vorlegt, versteht es, mit wenigen Worten Spannung aufzubauen, Figuren zu definieren, Stimmungen zu kreieren. Über ein paar szenische Umständlichkeiten darf man hinwegsehen. Die flächigen Panels, die im unterkühlten «Ligne claire»-Stil gehalten sind, wirken im Grossformat ebenso knallig wie karg. Mal arbeitet der 28-jährige Zeichner mit blau-roten Kontrasten, mal mit schwarz-weissen Akzentuierungen. Und überall scheint die Realität durch die Mauerritzen zu blitzen. Harari, der wie sein Protagonist sein Architekturstudium abgebrochen hat, lässt Pierres Notizen im Comic seinem Vater zukommen – und damit indirekt ihm, dem Autor. Die Figur des Architekturpublizisten wiederum scheint mit ihren hageren Zügen dem Thermenarchitekten Zumthor nachempfunden. Da rücken Wunderliches und Wirkliches auffallend nahe zusammen.

Lucas Harari: Der Magnet. Edition Moderne, Zürich 2018. 144 S., ca. 37 Fr.