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"Glass": Superhelden, Superschurken, Superschund

Foto: Universal Pictures

Filmdesaster "Glass" Ein Fall von Größenwahn

Mit dem Überraschungshit "Split" hatte sich M. Night Shyamalan ein bisschen Ansehen zurückerobert. Diesen Kredit verspielt er mit "Glass" wieder - so ein zäher und eitler Brei wurde selten zusammengerührt.

Gehen ein unverwundbarer Wachmann, ein ebenso zerbrechlicher wie intelligenter Rollstuhlfahrer und ein Mann mit dissoziativer Identitätsstörung zur Psychiaterin. Klingt wie der Auftakt zu einem schlechten Witz, ist aber die kurzmöglichste Zusammenfassung von M. Night Shyamalans nicht minder schlechtem Thriller "Glass".

Nach "Unbreakable" (2000) und "Split" (2016) schließt der Film Shyamalans "Eastrail 177"-Trilogie über das Werden und Wirken vermeintlicher oder tatsächlicher Superhelden und -schurken ab. Die fast zwanzig Jahre Wartezeit haben sich nicht gelohnt: "Glass" ist die aus Eitelkeit, Inkohärenz und Ödnis geformte Anmaßung eines Autorenfilms, weshalb eine Besprechung der Schadensaufnahme nach einer Katastrophe ähnelt.

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"Glass": Superhelden, Superschurken, Superschund

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So ist zuallererst festzuhalten, dass Zuschauer ohne Kenntnis der anderen beiden "Eastrail"-Filme im Kino nichts verstehen werden. Ob dies nun dem dramaturgischen Unvermögen von Shyamalan als Autor, Regisseur und Produzent geschuldet ist, oder doch eher der Arroganz des Filmemachers, der seine eigenen Arbeiten als gefälligst zu studierenden Kanon betrachtet, sei dahingestellt. Vermutlich trifft sowieso beides zu, jedenfalls können nur Komplettisten begreifen, was sich hier als Handlung hinzieht.

In selbiger gibt Bruce Willis erneut den wackeren, scheinbar unkaputtbaren Wachmann David Dunn aus "Unbreakable". Kurz nach dem Auftakt macht der stoische Selbstjustizler den bereits in "Split" von James McAvoy gespielten, mit multiplen Persönlichkeiten geschlagenen Mörder Kevin Wendell Crumb dingfest. Beide landen daraufhin in einer psychiatrischen Anstalt, wo schon Samuel L. Jackson als Dunns alte Nemesis, der an der Glasknochenkrankheit leidende Terrorist und Comic-Fetischist Eljjah Price, einsitzt.

Komik? Nur unfreiwillig

Dort werden Price, der sich selbst Mister Glass nennt, Dunn und Crumb von der Psychologin Ellie Staple (Sarah Paulson) behandelt. Mit radikalen Methoden will Staple die drei Männer von der irrigen Vorstellung befreien, ihre jeweiligen Fähigkeiten seien übernatürlichen Ursprungs.

Zumindest gibt sie dies vor, und der Film nervt in Folge mit reichlich ungelenken Andeutungen, dass natürlich mitnichten alles in dieser hochkonstruierten Gruppentherapie so ist, wie es zunächst scheinen mag. Die angeblich schockierenden Wendungen in "Glass" sind indes nicht nur für mühsam wachbleibende Zuschauer lange vorher abzusehen, sie erweisen sich auch als erschreckend uninspiriert. Dass Shyamalan zudem verlässlich jedes vorgebliche Spannungsmoment mit Schauerstreichermusik unterlegt, sorgt immerhin für etwas unfreiwillige Komik in einem ansonsten gänzlich humorfreien Szenario.


"Glass"
USA 2019

Buch und Regie: M. Night Shyamalan
Mit: Samuel L. Jackson, Bruce Willis, James McAvoy, Sarah Paulson, Anya Taylor-Joy
Produktion: Walt Disney/Buena Vista International, Blumhouse Productions et al.
Verleih: Walt Disney
Länge: 129 Minuten
FSK: keine Angabe
Kinostart: 17. Januar 2019


Weit interessanter als die bis zum antiklimatischen Finale gewälzte Frage, ob Superkräfte wirklich oder nur in krankhafter Einbildung existieren, ist daher die Beschäftigung mit dem offenbar therapieresistenten Größenwahn M. Night Shyamalans. Im Grunde seit dem Erfolg von "The Sixth Sense" (1999) klammert er sich mit aller fehlgeleiteten Gestaltungsmacht an den längst vergangenen Status eines kreativen Wunderkinds.

Nach narzisstischen Fehlschlägen ("The Lady in the Water", 2006), peinigenden Lektionen in Sachen Langeweile ("The Happening", 2008) und epochalen Flops wie "The Last Airbender" (2010) und "After Earth" (2013) hoffte man zuletzt zaghaft auf etwas mehr Demut seitens des nunmehr fast Fünfzigjährigen. Doch kaum schien Shyamalan durch den passablen Grusler "The Visit" (2015) und den Überraschungshit "Split" ansatzweise rehabilitiert, fällt er nun in die allzu vertrauten Muster zurück.

Extrem eitler Gastauftritt

Ohne echtes Interesse für die Figuren, die eh nur reine Funktionsträger im Shyamalanschen Masterplan sind, lenkt er in jeder Szene zwanghaft den Blick auf seine schon berüchtigte Handschrift. Die ästhetischen und narrativen Manierismen - darunter ellenlange Großaufnahmen, der unvermeidliche Story-Twist sowie ein extrem eitler Gastauftritt des Regisseurs - sind für sich genommen schon Ärgernis genug. Doch noch infamer ist die Hybris, mit der sich Shyamalan sowohl über das Genrekino als auch die Comic-Kunst erhebt.

Denn was seine Erzählung schlussendlich mit prätentiösem Getöse an kümmerlichen Erkenntnissen zum schicksalshaften Wesen des Superheldendaseins bietet, lässt nahezu jede Comicverfilmung der letzten 30 Jahre reflektierter, empathischer und unterhaltsamer dastehen.

So zerbricht "Glass" kläglich unter der Last behaupteter Bedeutung, die Shyamalan als vor allem von sich selbst überzeugter auteur im Gottmodus auftürmt. Aber wenn Scherben wirklich Glück bringen, bleibt dem Kino ein weiteres Debakel dieser Art in Zukunft vielleicht erspart.