Lazarus, Band 6 (Splitter)

September 3, 2018

Nachdem der letzte Band mit der unerwarteten Attacke von Joacquim Morray auf Forever Carlyle schloss (derer beiden Familie ja eigentlich Verbündete sein sollen), wartet die aktuelle Ausgabe der Reihe einmal mehr mit einer Überraschung auf. Denn die Handlung wird nicht direkt weitergeführt, vielmehr verästelt Autor Greg Rucka das Geschehen und teilt es auf mehrerer Charaktere auf, die bisher in der Reihe eher ein Nischendasein führten oder er beleuchtet Dinge in der Lazarus-Welt, die so noch nicht ausführlich behandelt wurden. Dabei lässt er jede der sechs Episoden von einem anderen Zeichner in Szene setzen – der Anteil von Michael Lark beschränkt sich dabei auf die Covergestaltung – wobei auch Gastautoren zum Zuge kommen. Vor jeder der Geschichten, die getrennt voneinander gelesen werden können, steht ein Einführungstext, der den jeweiligen Kontext von Handlung und Personen in der Lazarus-Welt beschreibt.

Der Band beginnt mit der Ausbildung von Casey Solomon. Die bewirbt sich als gestandene Kriegsheldin für die Elitespezialeinheit der Dagger. Dort werden nur die Besten der Besten aufgenommen. Dementsprechend verläuft der Drill auch mit einer Härte, gegen die sich die Schikanen eines Sergeant Hartman in „Full Metal Jacket“ wie das Kinderprogramm ausnehmen. Eine typische Ami-Komiss-Story über Leidenswillen und Kameradschaft, nicht unbedingt ein gelungener Einstieg in den Band und damit gleichzeitig die schwächste Episode. Danach wird’s gleich besser – wir lernen Joacquim, den Lazarus der Familie Morray, genauer kennen, bzw. erfahren mehr über dessen Herkunft. Die Familie fragt sich, ob man ihm mit seinen ganzen Cyborg-Implantaten überhaupt noch trauen kann, hat er doch aus unerfindlichen Gründen (Kurzschluss?) seine Lazarus-Kollegin Forever (siehe Band 5) angegriffen. Die Frage ob Mensch oder Maschine kennen wir zwar schon aus Robocop, Terminator & Co., könnte hier aber interessant für die weitere Serienentwicklung sein.

Nun folgt ein Blick auf die Gesellschaft. Wir wissen, es gibt in dieser Serienwelt die Familien, die über die Erde herrschen („Geld regiert die Welt“ ist hier die wörtliche Devise). Ganz oben stehen dann auch die Familienmitglieder, dann kommen die Knechte – alle die der Familie von Nutzen sind – und schließlich das Gros der Bevölkerung, das man schlicht als Abfall bezeichnet. Das in Slums vor sich hin vegetiert, in Armut, Hunger und Krankheit. Joe und Bobbie Barrett waren Abfall. Ihr Sohn Michael (bester Kumpel von Casey Solomon) erwies sich für die Familie Carlyle als brillanter Wissenschaftler, weshalb die Barretts zu Knechten aufstiegen und sich nun in einer diktatorischen Welt wiederfinden. Und wie in jeder Diktatur regt sich auch hier der Widerstand. Lohnt es sich aufzubegehren oder bleibt man lieber unter der schützenden Hand der Familie und schaut weg?

Dann erleben wir zwei neue Lazari in Aktion (jede Familie besitzt bekanntlich einen dieser vermeintlich unsterblichen Krieger), die der Familien Meyers-Qasimi und Nkosi, die zusammenarbeiten, um einen Weg zu finden, den ZMEY zu besiegen, den übermächtigen, monströsen Lazarus der Familie Vassalovka (typisch Russe halt). Und anschließend wird das Schicksal des verschwundenen und angeblich toten Jonah Carlyle näher beleuchtet. Eine Reporterin forscht nach und kommt seinem möglichen Verbleib auf die Spur und zieht die richtigen Schlüsse – auch dies ist für den Fortlauf der Serie sicher demnächst von Belang. Abschließend, in der optisch beeindruckendsten Story, wird die Herkunft, bzw. die Entstehung des ZMEY zum gnadenlosen, brutalen Monster geschildert.

Die Qualität der dargebotenen Zeichnungen ist unterschiedlich. Kommt die erste Episode (von Steve Lieber, der mit Greg Rucka bereits das später verfilmte „Whiteout“ realisierte) etwas hölzern daher, wie auch die Story um die Familie Barrett, steigert sich die Qualität der Zeichnungen in der zweiten Hälfte des Bandes. Allen gemein ist die charakteristische Serien-Farbgebung von Stamm-Kolorist Santi Arcas, wodurch eine gewisse Einheitlichkeit entsteht, die dem Band gut tut und die die unterschiedlichen Zeichenstile verbindet. Trotz des Anthologie-Charakters des Bandes hängt jede dieser Episoden mit der Hauptstory aus den fünf bisherigen Ausgaben zusammen, es ist also wichtig, diese zu kennen, ansonsten bringt das für einen eventuellen Neuleser nicht viel. Einige der diversen behandelten Aspekte und Verästelungen werden dort mit Sicherheit wieder aufgegriffen, der Band steht also nicht für sich alleine, weshalb Splitter wohl auch die Seriennummerierung als Band 6 fortführt. Im März nächsten Jahres geht es mit der „regulären“ Reihe weiter. (bw)

Lazarus, Band 6: X+66
Text: Greg Rucka, Eric Trautmann, Aaron Duran, Neal Bailey
Bilder: Steve Lieber, Mack Chater, Justin Greenwood, Alitha Martinez,
Bilquis Evely, Tristan Jones, Michael Lark (Cover), Santi Arcas (Farben)
176 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
24,80 Euro

ISBN: 978-3-96219-141-2

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