Bevor „Der kleine Nick“ ein Kinderbuch-Klassiker wurde, startete er als Comic. Der erscheint nun erstmals auch auf Deutsch.

Es scheint ein Quell, der nie versiegt. „Der kleine Nick“, die wunderbaren Kinder-Geschichten von René Goscinny mit den ikonographischen Illustrationen von Sempé, haben seit den 60er-Jahren Generationen junger Leser erfreut. Nicht nur in Frankreich, sondern weltweit. Dann gab es Jahrzehnte später einen Sensationsfund. Bei einem Umzug entdeckte Anne Goscinny, die Tochter des Texters, bislang unveröffentlichte Geschichten vom kleinen Nick. So viele, das nicht alle in das Buch mit den neuen Geschichten passten, das 2oo5 erschien. Im Jahr darauf folgte gleich noch eins. Da freute sich das Kinderherz, auch das erwachsene.

Und nun, ein weiteres Jahrdutzend später, gibt es den „Kleinen Nick“ noch mal ganz anders zu bestaunen. Nämlich nicht, wie bekannt, als Geschichten mit den markanten Federstrichzeichnungen. Sondern als bunter Comic mit Sprechblasen. Es muss viele Kisten im Hause Goscinny geben, die auch nach dem Umzug nicht alle ausgepackt sind. Vielleicht hat aber auch der inzwischen 86-jährige Sempé seinen Speicher ausgemistet. Jedenfalls hat man sich plötzlich dieser alten Comics besonnen, die sogar die eigentliche Geburtsstunde des kleinen Nick darstellen. Sie wurden nun noch einmal neu aufgelegt, in Deutschland erscheinen sie sogar zum ersten Mal.

So kennt und liebt ihn Groß und Klein: Der kleine Nick aus den zeitlosen Kinderbüchern
So kennt und liebt ihn Groß und Klein: Der kleine Nick aus den zeitlosen Kinderbüchern © picture alliance / dpa | Diogenes Verlag

In den Geschichten um den „petit Nicolas“, wie er im Original heißt, geht es vor allem um Freundschaft. Und eine solche war auch der Anfang von allem. 1954 lernte Jean-Jacques Sempé René Goscinny kennen. Der Zeichner war gerade 21 Jahre alt, der Texter sechs Jahre älter. Sie wurden sofort Freunde, erinnert sich Sempé: „Es war der Humor, der uns verband.“ Der Zeichner hatte damals humoristische Bilder über einen kleinen Jungen begonnen. Goscinny lieferte Ideen und Texte dazu.

So kamen die ersten Abenteuer des kleinen Nick zustande, insgesamt 28 Comic Strips, die dann vom September 1955 bis Mai 1956 im belgischen Magazin „Le Moustique“ erschienen. Die bunten Sprechblasenseiten kamen jedoch nicht so an und wurden bald eingestellt. „Der kleine Nick“ ließ seine geistigen Väter aber nicht los, weshalb sie sich Jahre später erneut zusammen setzten, um ihre Figur anders fortzuführen. In der bekannten Form, als durchgeschriebene Geschichten mit je drei bis vier Schwarzweißillustrationen, wie sie zuerst 1959 in der Zeitung „Sud-­Ouest“ erschienen und dann ab 1960 als Bücher. Die wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt und erfreuten Groß und Klein erfreuten. Weil Goscinny für seine Geschichten eine „Nick-Sprache“ entwickelt hatte, mit dem Vokabular, dem Jargon und den Metaphern eines kleinen Buben.

Auch im Kino ein Erfolg: „Der kleine Nick macht Ferien“ aus dem jahr 2014
Auch im Kino ein Erfolg: „Der kleine Nick macht Ferien“ aus dem jahr 2014 © dpa | Jean-Marie Leroy

Der Band „Der kleine Nick. Wie alles begann“, der jetzt bei Diogenes erschienen ist, versammelt die Comics in chronologischer Reihenfolge, wie sie damals gedruckt wurden. Da ist der kleine Nick noch nicht so viel mit Freunden unterwegs wie in den späteren Büchern. Die aus je zwölf Bildern bestehenden Comics handeln vor allem vom Generationen-Clinch mit den Eltern, insbesondere mit Nicks Vater. Der kommt vom Büro gestresst nach Hause, wo der Bengel ihn um die ersehnte Ruhe bringt. Manchmal will der Vater seinem Spross auch was Gutes tun und geht mit ihm Boxauto fahren, was dem großen Kind aber weit mehr Spaß macht. Das kleine Kind lacht erst, als Papa mit dem eigenen Wagen Boxauto fährt. Immer wieder gibt es auch Ärger mit dem Nachbarn, wobei der sich dann mit dem Vater in die Haare kriegt, während die Nachbarskinder schon wieder miteinander spielen. Um ein berühmtes Goscinny-Zitat aus einem anderen Comic abzuwandeln: Die spinnen, die Erwachsenen.

Das sind hübsche, kleine, immer ein wenig anarchische Geschichten, von denen man aus heutiger Sicht gar nicht verstehen mag, warum sie damals keinen Anklang fanden. Goscinny hatte aber auch mit einem anderen Zeichner, Uderzo, erst wenig Glück mit seinem Western-Comic „Umpa-Pah“, bis beide dann mit dem unbeugsamen Gallier Asterix berühmt wurden und den Comic, zumindest im belgisch-französischen Raum, zur „neunten Kunst“ erhoben.

Als besonderes Schmankerl sind im vorliegenden Band nicht nur die Comic-Strips von einst abgedruckt. Die Sprechblasen-Seiten, die Goscinny und Sempé direkt in Bildergeschichten umgewandelt haben, stehen zum Vergleich gleich nebendran. So kann man den Werdegang der kleinen Kultfigur genau verfolgen.

Goscinny & Sempé: Der kleine Nick. Wie alles begann. Diogenes Verlag, 48 Seiten, 18 Euro.