3. Juli 2018

Maid aus Stahl mit Problemen

Neue Origin-Story: „Supergirl: Being Super“ von Mariko Tamaki & Joëlle Jones

Lesezeit: 4 min.

Supergirl“ ist die aktuell unterhaltsamste und am wenigsten verschwubbelte DC-Superheldenserie im Fernsehen, trotzdem hat die kryptonische Maid aus Stahl es schwer. In den Staaten wechselte die Show mit der wunderbaren Melissa Benoist in der Titelrolle zur zweiten Staffel vom Sender CBS zu The CW, das Budget wurde gekürzt, das Set verlegt – und in Deutschland reicht es wegen konstant mauer Quoten für die dritte Season nicht mal mehr für einen Platz im Spätprogramm bei ProSieben, sondern ab 5. Juli nur noch für eine Ausstrahlung auf Sixx. In ihrer Comic-Heimat hat Supergirl derzeit immerhin mal wieder eine eigene fortlaufende Panel-Soloserie, außerdem veröffentlichte DC in den USA zwischen 2016 und 2017 die vierteilige Miniserie „Supergirl: Being Super“ von Mariko Tamaki und Joëlle Jones, die auf Englisch nun endlich als Paperback-Sammelband vorliegt.

Darin dichten Autorin Tamaki und Zeichnerin Jones Supergirl Kara Danvers letztlich eine neue Origin und Jugend an, also eine frische Hintergrund-Geschichte, vor ihrem Treffen mit Superman und vor ihrem ersten Abenteuer im Kostüm. Kara lebt in der ländlichen Kleinstadt Midvale, wo sie als Kind mit ihrer außerirdischen Kapsel crashte, und bis auf ein paar ominöse Träume hat Kara keinen Schimmer, wieso, weshalb oder woher. Sie wird von einem Farmer-Ehepaar großgezogen, wobei Karas irdische Ziehmutter auf gutes Essen als Heilmittel für Leib und Seele schwört und ihr Vater ein muffeliger, wortkarger Verschwörungstheoretiker ist. Karas beste Freundinnen sind indes eine lesbische Querdenkerin und eine ehrgeizige Sportskanone, und alle drei gehören sie zum Leichtathletik-Team ihrer Highschool. Dann überschlagen sich eines Tages die Dinge: Karas mysteriöse Kräfte lassen sie zeitweise im Stich, sie hat einen echt fetten Pickel im Gesicht, und Midvale wird von einer Katastrophe heimgesucht, die für die junge Stählerne aus dem All alles verändert …

Für ihren euphorisch aufgenommenen Coming-of-Age-Comic-Roman „Ein Sommer am See“ erhielten die aus Kanada stammenden, in den USA lebenden Künstlerinnen Jillian und Mariko Tamaki vor ein paar Jahren den amerikanischen Eisner Award und den deutschen Max und Moritz-Preis (vermutlich sollte an dieser Stelle erwähnt werden, dass der Franzose Bastien „LastMan“ Vivès die Tamakis mit „Eine Schwester“ in Sachen Sommer-Hit und Coming-of-Age-Highlight gerade bravourös ausgestochen hat). Interessant ist, wie sich die Karrieren der Cousinen seither entwickelt haben: Während Jillian als Magazin-Illustratorin, Storyboard-Zeichnerin und Comic-Macherin noch immer einer ausgesprochen künstlerischeren Linie folgt und eher auf Anspruch setzt, schreibt Mariko inzwischen hauptsächlich Panel-Storys mit Franchise-Helden wie eben Supergirl, den Lumberjanes oder Lara Croft, womit sie letztlich den kommerziellen US-Comic-Mainstream bedient. Dass die Helden-Ikonen eben dieses Mainstreams eine überarbeitete Origin spendiert bekommen, hat im Grunde Tradition und passiert relativ oft, in Zeiten der multimedialen Präsenz sogar noch öfter als früher.

Allerdings versucht Mariko Tamaki in „Supergirl: Being Super“, die typische Superhelden-Story mit Elementen zu erweitern und aufzuwerten, die man eben eher in einem typischen, seitenstarken Coming-of-Age-Comic-Werks abseits des DC-Universums erwarten würde. Das ergibt einerseits einen frischen Blick auf Supergirl, zumal Tamaki Karas Charakter und Stimme extrem gut trifft – andererseits wirkt die Mischung aus löblicher, erquickender Kleinstadt-Highschool-Diversität, schwankenden Alien-Kräften und fiesen Wissenschaftlern immer mal recht gezwungen, unentschlossen, unausgeglichen und zuweilen sogar löchrig. Nicht zuletzt, weil sich die 1975 geborene Tamaki zu sehr darauf verlässt, dass man die klassische Origin der Figur wenigstens in groben Zügen kennt. Das ist sicher nicht ganz falsch gedacht, da die meisten Leser vermutlich DC-Fans sind, aber was ist eben mit den Tamaki-Anhängern, die ihr ins Superhelden-Genre folgen und ihre erste Supergirl-Geschichte lesen, oder gar mit Comic-Neulingen?

Tamaki hat Glück, dass sie sich jederzeit auf die grandiose Joëlle Jones verlassen kann. Die Amerikanerin, die mehrere Graphic Novels um „12 Gründe dich zu lieben“, Roman-Adaptionen wie „The Girl Who Owned A City“, Geschichten mit Spider-Man, Mockingbird, Madame Xanadu oder Superman, die Wikinger-Fantasy „Helheim“, Bestseller wie „Fables“ und ihre eigene blutige Vintage-Krimi-Serie „Lady Killer“ gestaltete, pflegt seit Jahren einen fantastischen Stil. Den hat sie für „Supergirl: Being Super“ ein wenig zurückgefahren, und dann sind da ja auch noch die obligatorischen Tuscher, doch das ist am Ende meistens immer noch unverkennbar Joëlle Jones, und diese Frau kann einfach alles zeichnen, jeden Gesichtsausdruck, jede Stimmung einfangen und jede Geschichte erstklassig erzählen. Das hat man bei DC inzwischen auch erkannt und Jones erst zur Stammzeichnerin von Tom Kings „Batman“-Serie befördert und ihr als Autorin und Zeichnerin schließlich die neue „Catwoman“-Serie anvertraut, die nach der Hochzeit der Katzeneinbrecherin und des Dunklen Ritters startet. Verdient und erfreulich.

Am Ende ist es freilich nicht nur das Artwork, das „Being Super“ auszeichnet. Denn man mag diese Neuinterpretation von Supergirls Anfängen unterm Strich viel lieber, als man angesichts der erzählerischen Schwächen und Probleme dürfte, und hätte gern mehr vom Coming-of-Age-Supergirl von Tamaki und Jones – und das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass der Comic zwar einiges falsch macht, aber auch genug richtig und, nun ja, super.

Bilder: TM & © 2018 DC Comics. All Rights Reserved.

Mariko Tamaki und Joëlle Jones: Supergirl – Being Super DC Vertigo, Burbank 2018 • 208 Seiten • Tradepaperback: $ 16,99 • Sprache: Englisch

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