23. Oktober 2018

Hyperaktive Leinwand

„Mutafukaz“ – Ganz schön zappeliger, aber durchaus reizvoller Sci-Fi-Pulp!

Lesezeit: 3 min.

Es ist wirklich sehr schade, dass abseits von Disney immer noch verhältnismäßig wenige Trickfilme in die deutschen Kinos gelangen und schon zweimal keine, die etwas ältere Zuschauer ansprechen. Dabei gibt es doch eine Menge schmackhafte Früchte am Wegesrand, die nur drauf warten endlich gepflückt zu werden. Der Münchner Publisher Peppermint Anime wagt seit einiger Zeit den Vorstoß und veröffentlicht in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen Filme vor dem Home-Video-Release im Kino, natürlich nur in sehr limitierter Form, aber immerhin! Zumal man nicht nur auf Ableger bekannter Franchisen wie „Sword Art Online“ setzt, sondern ebenso Kandidaten wie „Mutafukaz“ eine Chance gibt.

Was sich ein bisschen nach einem deutschen Gangsta-Rap-Album anhört, entpuppt sich als französisch-japanischer Zeichentrickfilm, der auf der gleichnamigen, sehr erfolgreichen, vom französischen Multimedia-Unternehmen Ankama herausgegebenen Comic-Reihe des als „Run“ oder „777Run“ tätigen Autoren und Zeichners Guillaume Renard basiert. Renard gab mit der Leinwandumsetzung seines Babys auch gleich sein Regie-Debüt. Ankama fungiert ebenso als Produzent des Films, allerdings holte man sich mit dem Studio 4°C („Tekkonkinkreet“, „Mind Game“) Anime-Prominenz als Unterstützung – die Japaner sind nicht nur Co-Produzenten, sondern stellten dem frischgebackenen Filmemacher weiterhin Shôjirô Nishimi, auf dessen Liste sich Mitarbeiten an Titeln wie „Akira“ oder „Batman: Gotham Knight“ befinden, als Co-Regisseur an die Seite.

Inhaltlich dreht sich alles um Angelino, der in Dark Meat City gerade mal so mit dem Ausliefern von Pizzen über die Runden kommt und zusammen mit seinen Freunden Vinz und Willy in einer völlig verratzten Wohnung wohnt, die die drei mit einer regelrechten Armee von Kakerlaken teilen. Eines Tages baut der unglückliche Tropf mit seinem Roller einen Unfall und wird danach von mysteriösen, gruseligen Visionen geplagt. Plötzlich heften sich seltsame Männer in schwarzen Anzügen mit großen Wummen an seine Fersen, und während der Flucht entdeckt der Pizzafahrer nach und nach sein wahres Ich: Angelino ist zur Hälfte Mensch, zur anderen Hälfte Angehöriger einer „Macho“ genannten Alien-Rasse, die – was auch sonst? – die Erde erobern will …

„Mutafukaz“ erzählt so gar nichts Neues, ist nie mehr als die Summe seiner Teile, allerdings besteht der rund 95minütige, hypernervöse, blutige Trip aus ziemlich vielen Teilen und die sind für sich genommen durchaus faszinierend: Egal ob die ungemein detailfreudige, sehr stilbewusst gestaltete Welt, die zwischen harter Straßenrealität und surrealer Pop-Abstraktion oszilliert (beim Kopf von Angelinos Kumpel Vinz zum Beispiel handelt es sich um einen permanent brennenden Totenschädel) oder die regelmäßig reinprasselnden Irritationen narrativer Art (unter anderem äußert sich ein Straßengangster ausschließlich in Shakespeare-Zitaten oder es gibt eine herrlich abstruse Erklärung zur globalen Erwärmung) – Renard und Nishima sind weniger am großen Ganzen interessiert, sondern vielmehr an den Details ihres schräg-pulpigen 2D-Universums, das allerdings nie so richtig ins postmodern-ironische abrutscht. „Mutafukaz“ begleitet bei allem Wahnwitz ein düster-ernster Grundton; die Charaktere, ihr Straucheln in der Welt und ihre Hoffnung aus all dem sie umgebenden Irrsinn wieder lebend herauszukommen, wird auf Augenhöhe zu den Figuren erzählt, was dazu führt, dass man erstaunlich schnell selbst einem ständig brennenden Totenschädel akzeptiert.

Alles in allem eine durchaus mitreißende Angelegenheit, deren einziges Manko wohl auf den Umstand zurückzuführen ist, dass eine mehrbändige Reihe verfilmt wurde. Denn die Adaption fühlt sich wie ein Setup für etwas Größeres an – wenn alle Hintergründe offenbart , die Fronten geklärt sind und es eigentlich wirklich losgehen könnte, rollt auch schon der Abspann (ein Sequel wurde bis dato noch nicht angekündigt).

Dennoch: Es wird sich sicherlich etwas seltsam anfühlen am Kartenschalter „Einmal Mutafukaz, hinten Mitte!“ anzufordern, aber Wagemutige sollten sich trauen – Disney geht immer, auf diesen irren Trip kann man sich vielleicht nur einmal begeben …

„Mutafukaz“ läuft ab dem 25.10.2018 im Kino!

Mutafukaz (Frankreich/Japan 2017) • Regie: Guillaume Renard, Shôjirô Nishimi • Sprecher (Originalfassung): Tay Lee, Mark Ryan Haltom, Ray Chung, Alp Altiner, Brita Hong, Victor Nguyen

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