30 Wintermäntel, klärt die Zeichnerin Carolin Löbbert in ihrer Grafik auf, könne ein Durchschnittsverdiener in Deutschland sich theoretisch von seinem Monatsgehalt kaufen. Eine indische Textilarbeiterin hingegen muss zehn Monate arbeiten, um sich auf dem deutschen Markt auch nur einen Mantel leisten zu können. Eine Hebamme in Deutschland malocht 850 Tage für einen VW Golf, ein Profifußballer gerade einmal einen Tag. „Der Lohn der Arbeit“ heißt das Werk von Löbbert, das noch viele weitere Vergleiche zieht. Zu finden ist es zusammen mit 15 anderen grafischen Arbeiten im aktuellen „Spring“-Magazin.
„Spring“ wurde 2004 von einer Gruppe Künstlerinnen in Hamburg gegründet. Seitdem erscheint jedes Jahr im Sommer ein neuer Band zu einem anderen aktuellen Thema. Die Gruppe der beteiligten Künstlerinnen besteht von Anfang an nur aus Frauen. „Damals war die Comic-Szene stark von männlichen Zeichnern dominiert“, sagte Stephanie Wunderlich von „Spring“ in einem Gespräch im vergangenen Jahr. „Deshalb hatten die Gründerinnen das Bedürfnis zu zeigen, dass auch Zeichnerinnen ein gutes Magazin machen können.“ Mittlerweile gebe es viele international bekannte Künstlerinnen in diesem Bereich. Das Konzept des „Spring“-Magazins ist dennoch ein rein weibliches geblieben.
Das Magazin versammelt in diesem Jahr Beiträge von insgesamt 13 Künstlerinnen, die sich auf jeweils ganz unterschiedliche Weise demselben Thema nähern. Mal kritisch, mal mit viel Humor, mal in Form eines Comics oder einer Bildergeschichte, mal mit viel Text, mal mit wenig, aber immer um einen Begriff kreisend: Arbeit. „Es gibt die nachhaltige, erfüllende, spektakulär bezahlte Arbeit. Ebenso wie die moralisch bedenkliche, gesundheitsschädliche, unbezahlte Drecksarbeit. Auf dem Feld dazwischen gedeihen unzählige Ableger (…)“, heißt es einleitend im Vorwort des Buches, das nachfolgend irgendwie von allem ein bisschen abdeckt.
Schmusen und Schlachten
Die Bildergeschichte „Töten“ von Romy Blümel zum Beispiel zeigt den Arbeitstag einer Frau, beginnend beim Aufstehen und Schmusen mit ihrer Katze. Es folgen mehrere Bildseiten, die dieselbe Frau zeigen, wie sie bei der Arbeit in einer Schlachterei Schweine zerlegt und sich anschließend das Blut von den Händen wäscht. Die Künstlerin Moki erzählt in ihrer Zeichnung „Die Mauer“ von einer Gesellschaftsschicht, in der es „Was ist Was“-Bücher zum Thema Arbeit gibt, damit Kinder überhaupt verstehen, was Arbeit ist und warum manche Menschen sie ausführen müssen. Nina Pagalies beschreibt liebevoll das kurze aber anstrengende Leben einer Arbeitsbiene und Doris Freigofas erzählt in Haikus, der traditionellen japanischen Gedichtform, den schweren Alltag einer „Teilzeitmutter“.
„Spring“ ist nicht-kommerziell und praktiziert Selbstverwaltung. Verantwortlich für das Magazin ist eine feste Gruppe von Künstlerinnen, die die verschiedenen Produktionsaufgaben übernehmen und Entscheidungen beispielsweise über das Thema des Hefts oder die Auswahl von Gastzeichnerinnen, gemeinsam treffen. Das Magazin finanziert sich durch die Einnahmen aus dem Vorjahresverkauf sowie den Erlös aus überaus liebevollen, von den Künstlerinnen für die im Heft werbenden Unternehmen selbst gezeichneten Anzeigen. Die Künstlerinnen selbst hingegen verdienen an dem Projekt nichts.
Insgesamt versammeln sich in den bisher 15 Magazinen mittlerweile Arbeiten von mehr als 40 Künstlerinnen aus Deutschland und der ganzen Welt. 2010 wurde „Spring“ beim ICOM- Independent-Comic-Preis mit dem „Sonderpreis der Jury für eine bemerkenswerte Comicpublikation“ ausgezeichnet. Themen der bisher publizierten Magazine waren unter anderem Verbrechen, besondere Orte, Tragödien oder Wunder. Vor zwei Jahren reisten acht „Spring“-Künstlerinnen sogar nach Indien, um dort gemeinsam mit acht indischen Zeichnerinnen die Inhalte für das 13. Magazin zu entwerfen, das sich mit Rollenmodellen von Frauen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen auseinandersetzte. Im vergangenen Jahr drehte sich das Heft um das Thema Zukunft.
Weitere Informationen
Spring #15: Arbeit. Mairisch Verlag, Hamburg. 228 Seiten, 20 €. Erscheinungsdatum: 3. September. Mehr unter www.springmagazin.de.