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Außergewöhnliche Frauen Unerschrocken am Ursprung der Liebe

"Der Ursprung der Liebe" ist beim avant-verlag erschienen, 136 Seiten, Softcover, 20 Euro.

"Der Ursprung der Liebe" ist beim avant-verlag erschienen, 136 Seiten, Softcover, 20 Euro.

(Foto: avant-verlag)

Niemand lässt sich gern ungefragt die Welt erklären - es sei denn, der Erzähler ist gut. Mit Liv Strömquist und Pénélope Bagieu finden zwei Frauen neue Ansätze, in Comics die Vergangenheit zu erzählen. Sie verraten so viel über die Gegenwart.

"Oh, Baby, Baby, du bist der Grund, wieso ich atme", sang Britney Spears. Und alle grölten mit. Keiner wies die Sängerin mal darauf hin, dass es zum Austausch der Atemgase etwas mehr bedarf als eines kringellockigen Kinderstars (Justin Timberlake) oder eines Background-Tänzers mit unlauteren Motiven (Kevin Federline). Wenn eine junge Frau verkündet, ihre lebenserhaltenden Körperfunktionen an irgendeinen Mr. Sexy zu koppeln, ist das offenbar kein Schocker. Dass Spears' musikalischem Durchbruch "… Baby One More Time" lyrische Megakracher wie "Born to Make You Happy" (Geboren, um dich glücklich zu machen) und "I'm a Slave for You" (Ich bin deine Sklavin) folgten, scheint da nur konsequent.

Eine Doppelseite aus "Der Ursprung der Liebe".

Eine Doppelseite aus "Der Ursprung der Liebe".

(Foto: avant-verlag)

So klingen sie, die Zeiten, in denen Konservative die Gleichberechtigung jedenfalls in westlichen Kulturkreisen gern mal für in ausreichendem Maße erreicht erklären. Beziehungen werden heutzutage auf Augenhöhe geführt, heißt es. Wir suchen uns unsere Partner ganz ohne elterlichen Zwang aus und dinieren zum Jahrestag bei Kerzenschein. Bumms, aus: romantische Liebe. Man muss genauer hingucken, um zu verstehen, wieso sich die manchmal so unfair anfühlt. Liv Strömquist ist die Frau für den Job.

Wie Sex zur Ware wurde

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In ihrem Comic "Der Ursprung der Liebe" zeigt die 40-jährige Schwedin, dass das, was wir heute für normal halten, irgendwann einmal angefangen hat und vielleicht nicht ganz so bewusst verhandelt wurde, wie wir denken. Deswegen findet man sich von mittelalterlichen Besitzansprüchen zuweilen noch heute bis ins Ehebett verfolgt. In kurzen Episoden erklärt Strömquist immer mit dem ihr ganz eigenen Humor, was Liebe bedeutet, wieso sie wehtut und aus welchen Gründen sie im Vergleich zu anderen Gefühlen und Beziehungsformen so einen Sonderstatus genießt. Strömquist nutzt popkulturelle Referenzen genauso wie soziologische Theorien. In ihrem Vorgängerwerk "Der Ursprung der Welt" hat sie ihre Leser über die tatsächliche Größe der Klitoris aufgeklärt (sieben bis zehn Zentimeter, jawolll), in "Der Ursprung der Liebe" lässt sie wissen, wie Sex zur Ware wurde. Nicht umsonst gilt Strömquist als eine der wichtigsten feministischen Stimmen ihres Heimatlandes.

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Wer es lieber etwas weniger anatomisch explizit hätte, lieber nicht von Genitalien, dafür aber von genialen Frauen lesen möchte, der findet sich zwischen den Buchdeckeln der "Unerschrocken"-Bücher von Pénélope Bagieu gut aufgehoben. Die 36-jährige Französin hat zweimal 15 Frauen im Comic-Stil porträtiert. Sie alle eint ein kühnes Wesen. Das konnte ihnen in vielen Fällen bislang keinen Platz in den Geschichtsbüchern sichern - da ist noch immer Männer-Club, doch Bagieu tritt an, das zu ändern.

Frauen mit Haltung

Während der erste Band von "Unerschrocken" vornehmlich historische Figuren in den Blick nahm, sind die Frauen von Band zwei meist noch am Leben. Sonita Alizadeh, die junge Rapperin aus Afghanistan, kennt der eine oder andere vielleicht aus den Medien und auch die autistische Tierwissenschaftlerin Temple Grandin erfreut sich dank TED-Talks oder der Verfilmung ihres Lebens mit Claire Danes einer gewissen Bekanntheit. Wer aber kannte Phoolan Devi, die indische Banditenkönigin, die als Mädchen brutal gequält und vergewaltigt wurde, die sich rächte und schließlich zur politischen Hoffnung der niederen Kasten des Landes wurde?

Ein Ausschnitt aus "Unerschrocken 2".

Ein Ausschnitt aus "Unerschrocken 2".

(Foto: Reprodukt)

"Unerschrocken" erzählt keine schlenkerfreien Erfolgsgeschichten. Bagieus Frauen sind stur, manchmal brutal. Sie scheitern, sie verlassen ihre Familie, aber allesamt beweisen sie Haltung in einer Welt, die ihnen das Glück nicht vor die Haustür gelegt hat. Bagieus Ton ist nüchtern. Der Vater Alkoholiker? Das Kind hat halt Pech. Massaker durch die französische Armee? Na, eine Widerstandskämpferin überlebt. Frauen, die sich durchboxen mussten, haben es nicht verdient, dass man ihre Geschichte schönt. "Unerschrocken" wirkt inspirierend, nicht weil der Leser sein will wie die Heldinnen - das zugehörige Leid würden wohl die wenigsten im Tausch für späte Würdigung auf sich laden. Die Frauen wirken als Vorbilder, weil sie mehr sein wollten als Prinzessin und weil sie für ihre Ziele gebuckelt und keine Pony-Mähne frisiert haben. Und irgendjemand muss ja vorangehen, damit sich mehr Mädchen zutrauen, was vorher meist nur Männer wagten.

Quelle: ntv.de

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