Der Countdown läuft

von , 9.3.16

Am 10. März kam die Medienbeauftragte, Dunja Mijatovic, noch einmal, zum letzten Mal in ihr OSZE-Büro. Sechs Jahre lang war sie unermüdlich im Dienst der Medienfreiheit tätig. Unermüdlich und sehr, sehr effektiv: 2015 wurde sie in Aachen mit der Karls-Medaille für europäische Medien ausgezeichnet. Bei der Verleihung betonte Aachens Oberbürgermeister Marcel Philip, dass Dunja Mijatovic als Beauftragte der OSZE für die Freiheit der Medien immer unabhängig und konsequent die Freiheit der Medien verteidigt habe. Ihre Berichte, Mahnungen und Interventionen seien keine Fußnoten der großen Politik, sondern elementare Beiträge zur Verteidigung der Menschenrechte und der demokratischen Freiheiten. Und, direkt an Dunja Mijatovic gewandt: „Für Ihre exzellente Arbeit zur Sicherung von Freiheiten in den Ländern Europas haben Sie sich um die Einigung des Kontinents verdient gemacht. Die Auszeichnung, die Sie heute in Aachen erhalten, ist tiefer Dank hierfür.“

Wer ihre Nachfolge als OSCE Representative on Freedom of the Media antreten wird, ist nach wie vor ungewiss, wann es überhaupt zu einer solchen kommt, ebenso. Fest steht nur eines: Das ohnedies nicht üppige, operative Budjet dieser OSZE –Institution wurde rund um den Jahreswechsel dramatisch gekürzt. Die gute Nachricht: Zumindest die Gehälter des jetzigen Mijatovic-Teams sind offenbar gesichert. Was jedoch ist ein Corpus ohne Kopf, was eine Institution, die Representative on Freedom of the Media heißt, ohne eine entsprechende Leitfigur?

Qualifizierte Bewerber/innen gäbe es zu Genüge, doch die 57 Mitgliedsstaaten der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, können zu keinem gemeinsamen Beschluss kommen. Einstimmigkeit ist jedoch Voraussetzung bei solchen Entscheidungen. So wollen es die Statuten der OSZE, niedergeschrieben zu Beginn der letzten Dekade des 20. Jahrhunderts.

Damals setzten alle noch auf den gemeinsamen Glauben an demokratische Spielregeln.

Will nur ein Staat nicht, können alle anderen noch so sehr etwas anderes wollen. Vergeblich. Ein einziges Nein genügt, um qualifizierte Kandidaten zu Fall zu bringen. Nicht zum ersten Mal scheint dieses Nein aus Moskau zu kommen. Unbekannt ist der Preis, über den für ein mögliches Agreement verhandelt wird. Sofern ein solches überhaupt denkbar ist.

Bekannt ist nur, dass Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier in diesem Jahr 2016 den OSZE-Vorsitz innehat. Ihm obliegt es, ein Machtwort zu sprechen, eine Entscheidung zu treffen. Eine Entscheidung jedoch wofür: für eine, einen der bisher ablehnten Kandidaten, oder für eine aus dem Hut gezauberte, windelweiche Kompromisslösung? Oder ganz einfach den Posten erst einmal vakant zu lassen. So lange, bis aus dieser Ecke kein einziger Ton mehr kommt.

Bekannt ist auch, dass die Schaffung der OSZE- Institution Representative on Freedom of the Media einst eine Inititative Deutschlands war. Vater des Gedankens war Freimut Duve, der als erster OSZE-Repräsentant für die Freiheit der Medien 1997 diese OSZE-Institution aus der Taufe hob. Freimut Duve war – zumindest aus Sicht der Medien – so wohltuend kompromisslos, dass die Verlängerung seiner ersten dreijährigen Amtszeit auf nur zwei zusätzliche Jahre verknappt wurde. Sein Nachfolger Miklos Haraszti und wiederum dessen Nachfolgerin Dunja Mijatovic hielten sich jeweils sechs Jahre in diesem Job.

Allerdings: Auch nach Freimut Duves Abschied von der OSZE blieb der Posten gut zwei Monate lang vakant. Erst Anfang März 2004 wollten und konnten sich die OSZE-Mitgliedsstaaten über den ungarischen Nachfolgekandidaten Miklos Haraszti einig werden. Auch er ist, wie Freimut Duve Bürger eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union. Dunja Mijatovic hingegen war und ist keine Staatsbürgerin eines EU-Staates. Insofern ging damals die Entscheidung für sie relativ schnell über die Bühne. Dass sie sich im Laufe ihrer Amtszeit derart hartnäckig für die Interessen der Medienfreiheit einsetzen würde, hatten allerdings nicht alle erwartet. Warum eigentlich?

Per Definition lautet die Mission der OSZE-Institution Representative on Freedom of the Media folgendermaßen: „Die Schaffung der Institution des OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit beruht auf der Anerkennung der besonderen Bedeutung von OSZE-Verpflichtungen hinsichtlich der Freiheit der Meinungsäußerung und der Rolle freier und pluralistischer Medien.“ Und: „Der (die) Medienbeauftragte hat eine Frühwarnfunktion. Er wird tätig bei Einschränkungen der Medienfreiheit, die in der Regel Anzeichen einer konfliktträchtigen politischen Entwicklung sind. Bei Verdacht auf ernste Verstöße gegen OSZE-Prinzipien hat der Medienbeauftragte die Möglichkeit, direkte Kontakte mit dem Teilnehmerstaat und anderen Parteien aufzunehmen und den Sachverhalt zu beurteilen sowie dem Teilnehmerstaat Hilfestellung zu leisten und zur Lösung des Problems beizutragen.“

Und nun, was passiert nun? Der Countdown läuft. Dies in jeder Hinsicht.

Hoffen wir, dass das Amt bleibt, was es einst sein sollte. Apropos, was tut sich eigentlich gerade in Sachen Medienfreiheit in der Türkei? Dunja Mijatovic hat sich natürlich auch hier anlässlich der Regierungskontrolle über die Zeitung Zaman dieser Tage noch einmal zu Wort gemeldet.

—-

Rubina Möhring zählte 2010 selbst zu den Kandidat/innen für das Amt der/des OSZE-Medienbeauftragten.


Möchten Sie regelmäßig über neue Texte und Debatten auf Carta informiert werden? Folgen (und unterstützen) Sie uns auf Facebook und Twitter.

 

 

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.