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Nordische Kulisse: Eine Seite aus „Die Saga von Grimr“.

© Avant

Comic „Die Saga von Grimr“: Held ohne Heimat

„Die Saga von Grimr“ gewann in diese Jahr den Preis für das beste Album auf dem Comicfestival in Angoulême. Jetzt wurde das Buch auf Deutsch veröffentlicht.

Eine isländische Saga in Comicform? Da stellt man sich ein Heldenepos vor, in dem sich Heroen und Götter ein Stelldichein vor nordischer Kulisse geben. Bei der nun auf Deutsch erschienenen Graphic Novel „Die Saga von Grimr“ ist der Fall allerdings komplexer – der hünenhafte Titelheld mit dem pausbackigen Kindergesicht ist alles andere als ein Bilderbuch-Recke. Als Waise, der nicht einmal die Namen seiner Eltern kennt, ist er ein Underdog im von Dänemark unterdrückten Island des späten 18. Jahrhunderts.

Zuvor fiel der Zeichner mit „Der Affe von Hartlepool“ auf

Durch seine außergewöhnliche physische Kraft fällt Grimr dem Dieb Vigmar auf, der ihn wie sein eigenes Kind großzieht. Früh wächst in dem Jungen der Wunsch, der Held einer jener Sagas zu werden, die sein Ziehvater oft erzählt. Doch Schicksalsschläge suchen den Protagonisten immer dann heim, wenn er sich am geborgensten fühlt und nehmen ihm die Menschen weg, die er liebt.

Zu Unrecht wird er des Mordes an Vigmar beschuldigt und zum Tode verurteilt. Mit seiner Ohnmacht gegenüber der Gesellschaft wächst auch die Wut. Nach seiner Flucht wird er nicht nur zum Schrecken der abergläubischen Dörfler und Walfänger, die in ihm einen „Troll“ sehen, er wird auch zum Baumeister, der die monströse Natur der Insel bezwingen will.

Der 1987 geborene französische Zeichner Jérémie Moreau fiel bereits 2013 mit der ungewöhnlich gestalteten Graphic Novel „Der Affe von Hartlepool“ (Szenario: Wilfrid Lupano) auf, einer abgründigen Gesellschaftssatire nach historischen Begebenheiten.

Bis zur letzten Seite packend

Dieses Jahr gewann er mit der von ihm selbst geschriebenen „Saga von Grimr“ den Preis für das beste Album auf dem Comicfestival in Angoulême. In der Tat ist ihm eine faszinierende, den historischen Hintergrund mit vermittelnde Erzählung gelungen, die an nordische Sagas erinnert, sich aber jeder eindeutigen Genre-Zuordnung verweigert.

Man kann darin die klassische Entwicklungsgeschichte eines jugendlichen Außenseiters vor historischer Kulisse (die Geschichte beginnt 1783, im Jahr des verheerendsten Vulkanausbruchs) sehen, ebenso eine eigenwillige Superhelden-Variation oder eine tragische Monstergeschichte.

Das Titelbild des besprochenen Bandes.
Das Titelbild des besprochenen Bandes.

© Avant

Jérémie Moreau gelingt eine bis zur letzten Seite packende wie berührende Comic-Erzählung voller ambivalenter Charaktere. Faszinierend ist auch die Gestaltung: In leuchtenden Aquarellfarben und abwechslungsreichem Seitenlayout erschafft Moreau atemberaubende Landschaftsbilder zu unterschiedlichsten Lichtstimmungen. In Verbindung mit der vielschichtigen Story machen sie das Buch zu einem Erlebnis, das lange nachwirkt.

Jérémie Moreau: Die Saga von Grimr, Avant, Übersetzung Claudia Sandberg, Lettering Thomas Gilke, 232 Seiten, 30 Euro

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