Anklage fordert fortgesetzte U-Haft im «Cumhuriyet»-Prozess

Der «Cumhuriyet»-Prozess in der Türkei wird international als Schlag gegen die Pressefreiheit kritisiert. Einige der Angeklagten sitzen seit mehr als 300 Tagen in Untersuchungshaft - deren Fortsetzung die Staatsanwaltschaft nun fordert.

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Protest gegen den Prozess gegen die Journalisten von «Cumhuriyet» am Montag in Silivri bei Istanbul. (Bild: Keystone)

Protest gegen den Prozess gegen die Journalisten von «Cumhuriyet» am Montag in Silivri bei Istanbul. (Bild: Keystone)

(dpa) Im «Cumhuriyet»-Prozess in der Türkei hat die Staatsanwaltschaft die Fortsetzung der Untersuchungshaft für die fünf inhaftierten Mitarbeiter der Zeitung beantragt. Als Grund nannte der Staatsanwalt am Montag vor dem Gericht in Silivri bei Istanbul nach Angaben von «Cumhuriyet», die Inhaftierten könnten andernfalls Beweise manipulieren. Bei den Betroffenen handelt es sich um Chefredakteur Murat Sabuncu, Herausgeber Akin Atalay, den Kolumnisten Kadri Gürsel, den Investigativjournalisten Ahmet Sik und den Buchhalter Emre Iper.

Insgesamt sind 18 «Cumhuriyet»-Mitarbeiter angeklagt, von denen fünf seit Monaten in Untersuchungshaft sitzen. Ihnen wird die Unterstützung verschiedener Terrororganisationen vorgeworfen. Sabuncu, Atalay und Gürsel waren am Montag seit 316 Tagen in U-Haft, Sik seit 255, Iper seit 158. Das International Press Institute (IPI) - dessen Vorstand Gürsel angehört - kritisierte, durch die lange U-Haft würden die Angeklagten bestraft, ohne verurteilt worden zu sein. Das Verfahren sei «politisch motiviert» und diene dazu, Kritiker der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan mundtot zu machen.

Zu den 18 Beschuldigten gehört auch der frühere «Cumhuriyet»-Chefredakteur Can Dündar, der aber im Exil in Deutschland lebt. Den Angeklagten in der Türkei drohen langjährige Haftstrafen. Der Prozess gegen die Mitarbeiter einer der letzten regierungskritischen Zeitungen in der Türkei wird international als Schlag gegen die Pressefreiheit kritisiert.

Gürsel wies die gegen ihn erhobenen Vorwürfe am Montag erneut zurück. «Der Grund, warum ich hier in Untersuchungshaft sitze, ist, dass ich ein hinterfragender, kritischer, unabhängiger und oppositioneller Journalist bin», sagte er nach Angaben von «Cumhuriyet». «Weil ich den Grundsatz einer klaren Gewaltenteilung und eine laizistische, demokratische und parlamentarische Demokratie verteidige, bin ich zwangsläufig ein Oppositioneller.»

Nach Anadolu-Angaben forderte die Staatsanwaltschaft ausserdem fortgesetzte U-Haft für einen sechsten Angeklagten in dem Prozess, der aber nicht für «Cumhuriyet» arbeitet. Bei ihm handelt es sich um einen Twitter-Nutzer, der auf Basis seiner Twitter-Nachrichten angeklagt wird, Anführer einer Terrororganisation zu sein.

Neben den 18 «Cumhuriyet»-Beschuldigten und dem Twitter-Nutzer ist in dem Prozess noch ein freier Journalist angeklagt, der aber in Washington lebt. Die Verhandlung am Montag fand im Gerichtssaal gegenüber vom Gefängnis in Silivri statt, in dem auch der deutsche «Welt»-Korrespondent Deniz Yücel in U-Haft sitzt.

Nach Angaben von IPI sind derzeit über 170 Journalisten in der Türkei inhaftiert - mehr als in jedem anderen Land der Welt. Die türkische Regierung vertritt den Standpunkt, dass Journalisten in der Türkei nicht wegen ihrer Arbeit, sondern wegen anderer Straftaten wie beispielsweise Terrorunterstützung inhaftiert würden. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt die Türkei auf Platz 155 von 180.