Hunderte Rechtsradikale randalieren in Leipzig

Am Jahrestag der fremdenfeindlichen Legida-Bewegung randalierten rund 250 Rechtsextreme und Hooligans im Leipziger Stadtteil Connewitz. Sie setzten Autos in Brand und warfen Fensterscheiben ein.
Eskalation in Leipzig: Beim Aufmarsch von Legida und Pegida ereifert sich die Hauptrednerin über „afroarabische Sexterroristen“. Zeitgleich randalieren im Stadtteil Connewitz Hunderte Hooligans.
Ein Weltbild kann so einfach sein. Zum ersten Jahrestag des Leipziger Pegida-Ablegers Legida wurde es am Montagabend lauthals umrissen. Für alle Übel dieser Welt gibt es für Legida drei Ursachen: Flüchtlinge, als angebliche Volksverräter agierende Politiker und die „Lügenpresse“ als vorgebliche Helfershelfer der Politik.
Legida und Pegida marschieren gemeinsam in Leipzig auf

Sachsens Sicherheitskräfte sind in Alarmbereitschaft. Legida und Pegida marschieren gemeinsam in Leipzig auf, Krawalle werden befürchtet. Mit einem Großaufgebot sichert die Polizei die Aufzüge.
Pegida um Chef Lutz Bachmann hatte die übliche Demonstration durch Dresden diesmal ausfallen lassen und zur Teilnahme in Leipzig aufgerufen. Deshalb war auch Bachmann selbst nach Leipzig gekommen, statt der sonst üblichen mehreren hundert Teilnehmer waren es dieses Mal etwa zwischen 1500 und 2000 Demonstranten.
Bachmann überließ die Rolle des Scharfmachers und Einpeitschers allerdings Tatjana Festerling. Das frühere AfD-Mitglied, das bei der Oberbürgermeisterwahl in Dresden im vergangenen Juni im ersten Wahlgang für Pegida etwa jede zehnte Stimme erhielt, hatte eine Rede vorbereitet und abgelesen, die das besagte einfache Weltbild in neue Untiefen katapultierte.
„Afroarabische Sexterroristen ins Land geholt“
Sie stellte die These auf, dass der Münchner Hauptbahnhof zu Silvester nicht wegen einer Terrorgefahr geschlossen worden sei. Nein, es habe daran gelegen, dass Flüchtlinge dort Frauen hätten sexuell belästigen wollen. „Zog dort eine Horde afroarabischer Sexterroristen auf, vor der man sich nur zu schützen wusste, indem man den Bahnhof schließt?“, fragte sie allen Ernstes. Damit spielte die 51-Jährige auf die Übergriffe am Kölner Dom zu Silvester an, die sie wörtlich als „Sex-Dschihad“ bezeichnete.

Festerling stufte die Kölner Ausschreitungen als „flächendeckenden Terroranschlag“ ein. „Wieviel fehlt denn noch, dass aus der Kölner Domplatte eine Kölner Schlachtplatte wird?“, orakelte sie.
Und wer ist Schuld daran? Im Weltbild Festerlings und der Legida-Anhänger alle „Politiker, die die afroarabischen Sexterroristen ins Land geholt haben“. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos), die im Oktober am Tag vor der Wahl von einem mutmaßlichen Rechtsextremisten schwer verletzt worden war, wurde von Festerling gar als „erbärmliches Kölner Funkemariechen“ klassifiziert.
„Geh zu den linken Faschisten rüber und schreib dort weiter“
Und wer trägt laut Legida neben den Flüchtlingen und Politikern auch noch die Hauptverantwortung? Journalisten. „Die Lügenpresse als Helfershelfer der Politik versucht, das Offensichtliche zu verschweigen“, befand Festerling, die früher selbst als Zeitschriften-Redakteurin gearbeitet hat.
Während der Kundgebung wird der Autor dieses Beitrags für die Legida-Anhänger als Journalist erkennbar, weil er sich während Festerlings Rede Notizen macht. Daraufhin wird er von einem Legida-Anhänger massiv körperlich bedrängt und an den Armen gepackt. „Ey, was schreibst du denn hier für einen Mist? Was schmierst du denn hier zusammen?“, wird der Reporter angeherrscht, von dem Legida-Anhänger abgedrängt und abgeführt. „Geh zu den linken Faschisten rüber und schreib dort weiter.“
Legida-Chef Markus Johnke hatte die Gegendemonstranten, die über den Leipziger Innenstadtring eine Lichterkette gebildet hatten, zuvor als „staatliche Schlägertrupps“, „irregeleitet“ und „antidemokratische Faschisten“ bezeichnet. Der Reporter meldet den Legida-Anhänger bei einer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit der Bundespolizei. Die unternimmt jedoch nichts.
Rechtsextreme randalieren im Stadtteil Connewitz
Im Leipziger Szeneviertel Connewitz, das linksalternativ geprägt ist, hinterlassen zeitgleich mehrere hundert mutmaßlich Rechtsextreme ein Bild der Verwüstung. 250 Randalierer werden von der Polizei festgesetzt und mit Polizeitransportern weggefahren. Zuvor hatten sie Pyrotechnik auf Häuser geworfen, die Fassaden in Brand setzten. Außerdem zerstörten sie mit großen Pflastersteinen und Baseballschlägern mehrere Geschäfte und Schaufenster.

Ein Dönerladen, eine Buchhandlung und ein Augenoptikergeschäft wurden beschädigt. Vor vier Wochen, am 12. Dezember, hatte ein angemeldeter und genehmigter Aufzug von Rechtsextremisten in Connewitz dazu geführt, dass Linksextremisten sich heftige Straßenschlachten in der Südvorstadt und in Connewitz mit der Polizei lieferten. 69 Polizisten wurden verletzt, 50 Polizeiautos beschädigt.
Diesmal legten wahrscheinlich ebenfalls Linksextremisten mit einem Brandanschlag östlich von Leipzig die Zugstrecke von Dresden nach Leipzig lahm, um die Anreise von Pegida-Anhängern zu Legida nach Leipzig zu erschweren. Den Auftritt und die Rede Festerlings haben sie damit jedoch nicht verhindert.
Auch in Potsdam fliegen Steine und Böller
Nach einer Kundgebung der islam- und ausländerfeindlichen Pegida-Bewegung kam es am Abend auch in Potsdam zu Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten. Nach Angaben der Polizei versuchten die Pegida-Gegner, Teilnehmer des sogenannten „Abendspaziergangs“ anzugreifen, die von der Polizei zum Bahnhof geleitet wurden.
Es flogen Steine und Böller, auch abgerissene Verkehrsschilder und Mülltonnen wurden geworfen. Augenzeugen berichteten von kleineren Rangeleien mit Polizisten. Die Beamten setzten Pfefferspray ein und das Polizeipräsidium beorderte zwei zusätzliche Einsatzhundertschaften nach Potsdam.
Fünf Beamte aus Berlin und zwei aus Brandenburg seien verletzt worden, sagte ein Potsdamer Polizeisprecher. Kenntnis über verletzte Demonstranten habe er nicht. Ein Einsatzfahrzeug der Berliner Polizei und ein Bus von Versammlungsteilnehmern aus dem Pegida-Bereich seien beschädigt worden. Der Bus habe einen Riss in der Frontscheibe und mehrere Dellen im Blech, so der Sprecher.