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Garfield: Pointen für die Katz

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Comic-Kater Garfield Cat Content seit 1978

Lasagne, Kaffee und viel Schlaf - mehr brauchte der zynische Comic-Kater nicht, den Jim Davis 1978 für US-Zeitungen schuf. Garfield wurde zum Welterfolg, weil er so mittelmäßig war.

Mitten im mittleren Westen der USA liegt die mittelgroße Stadt Muncie. Hier, im Herzen Indianas, passiert nicht viel: Es gibt einen Baseballplatz, ein Krankenhaus, einige Bowlingbahnen. In den Zwanzigerjahren kamen Soziologen her, um das Leben in der urtypischen US-Kleinstadt zu erforschen. In ihrer Studie heißt Muncie einfach "Middletown".

Mittelmäßigkeit ist also typisch für Muncie. Und ganz besonders für den berühmtesten Bewohner. Cartoonist Jim Davis sagte der "Washington Post" einmal: "Er ist weder schwarz, weiß, männlich, weiblich, jung oder alt noch von einer bestimmten Nationalität. Seine Gedanken treten niemandem auf die Füße, weil sie ja von einem Tier kommen." Nämlich von der wohl berühmtesten "frechen, fetten, faulen und filosofischen" (und jetzt auch fierzigjährigen) Katze der Welt: Garfield.

Der orange Stubentiger mit der Vorliebe für Lasagne, Kaffee und Zynismus erschien auf dem Cover des "People"-Magazins, in Fernsehserien und Kinofilmen. Mehr als 200 Millionen Garfield-Bücher wurden bisher verkauft, die Comicstrips erscheinen täglich in 2400 Zeitungen mit 200 Millionen Lesern in 80 Ländern, 16 Millionen Fans folgen dem Facebook-Garfield . 2002 krönte das Guinness-Buch der Rekorde ihn zum meistlizenzierten Comicstrip der Welt.

Es gab aber nicht nur Jubel: So schimpfte das "Slate"-Magazin 2004, Davis habe den Comic-Kater "so unverfänglich" konzipiert, "dass man ihn nicht mal dafür hassen kann, so nichtssagend zu sein". Und 2009 schrieb SPIEGEL ONLINE vom "uninteressantesten populären Comicstrip der Welt". Nicht jeder liebt Garfield. Aber halb so wild. Denn jeder kennt ihn.

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Garfield: Pointen für die Katz

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Das Rezept ist einfach: Der dicke Kater treibt seinen Halter Jon mit Zynismus und Faulheit zur Verzweiflung, sinniert über Kaffee, Lasagne und das Leben - und versucht, so viel wie möglich zu schlafen. Nichts Besonderes eigentlich, genau darum so erfolgreich.

Mit Katzen machte Jim Davis früh Erfahrungen. In den Vierzigerjahren wuchs er nahe Muncie auf einer Farm auf, wo 25 Katzen umherstreunten. "Sie hatten alle ihre Persönlichkeiten", erinnert er sich, "aber eines hatten sie gemeinsam - sie waren smart, unabhängig, reserviert".

"Hätte mit Absagen einen Raum tapezieren können"

Viel mit den Katzen spielen konnte er nicht, denn der junge Jim litt an schwerem Asthma. Und vertrieb sich die Zeit im Krankenbett durch Zeichnen.

Nach abgebrochenem Kunst- und BWL-Studium versuchte Davis damit später Geld zu verdienen. Nur wollte kein Verlag seine erste Comicfigur "Gnorm the Gnat", eine Stechmücke. "Ich bekam so viele Absagen, ich hätte einen Raum damit tapezieren können", so Davis. Ein Herausgeber habe ihm zu einer Figur geraten, die besser zur Identifikation taugte als ein Insekt.

Bei der Analyse des Comic-Marktes fiel Davis auf, dass Tiere gut liefen, besonders bei Lizenzartikeln wie Plüschtieren: "Snoopy ist sehr begehrt für Lizenzen, Charlie Brown nicht." Und es gab viele Hunde-Comics, aber kaum welche mit Katzen. So entstand Garfield als "bewusster Versuch, eine gut vermarktbare Figur zu schaffen". Die Rechnung ging voll auf.

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Lasagne, Faulheit, Zynismus: Typisch Garfield - einige Folgen aus vier Jahrzehnten

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Am 19. Juni 1978 erschien ein kleiner Strip aus drei Bildern in 41 US-Zeitungen: Ein Cartoonist namens Jon stellt seine Katze Garfield vor - und umgekehrt. Jon verspricht, ihr einziger Gedanke sei, den Leser zu unterhalten. Garfield denkt: "Fütter mich!"

Schon mit Garfields erstem Auftritt war der lakonische Egozentrismus der Reihe festgelegt. Davis hatte den Kater nach seinem grantigen Großvater getauft, James Garfield Davis. Der Kater war verfressen, faul, trat heimlich dem Haushund Odie in den Hintern, klebte seinen Halter Jon am Stuhl fest und kommentierte alles mit zynischen Sprüchen. Genau dafür liebte man ihn.

"Garfield ist ein Antiheld", erläutert Davis, "er verteidigt unser Recht, herumzusauen, zu verschlafen und egoistisch zu sein". Als die "Chicago Sun-Times" nach einigen Monaten den Comicstrip einstellte, verlangten 1300 wütende Leser die sofortige Wiederaufnahme.

Keine Wortspiele, keine Polit-Gags

Garfield wurde zum internationalen Comic-Star - und Davis zum Millionär. Bereits 1979 stand ein Sammelband auf der Bestsellerliste der "New York Times", genau wie die nächsten zehn Garfield-Bücher. "Einmal waren sieben zugleich auf der Liste", so Davis. "Da haben sie die Listenaufstellung verändert, weil sich Verlage beschwerten, dass ihre Autoren durch Garfield nicht mehr raufkamen."

Davis' Erfolgsrezept: ein Comic mit so wenig Ecken und Kanten, dass er überall verständlich blieb. Und vermarktbar. Er verzichte, erklärte Davis 1982, auf konkrete kulturelle Bezüge, um jeden als Leser anzusprechen: "Darum zeige ich nicht mal Jahreszeiten. Der einzige Feiertag, den ich erwähne, ist Weihnachten."

Ebenso fehlten Wortspiele oder Redensarten, "damit Garfield zu jeder Gesellschaft passt"; die Witze beschränkten sich "auf Essen und Schlafen. Das passt auf jeden, überall". Und bloß keine politischen Gags: "Leute lesen die Comic-Seiten, um unterhalten zu werden", so Davis, "nicht, um belehrt zu werden".

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Davis, Jim

Garfield - 40 Jahre Lachen & Lasagne: Happy Birthday to me

Verlag: Egmont Comic Collection
Seitenzahl: 288
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Auch den Zeichenstil habe er stark reduziert, oft sei die Umgebung nur eine Tischplatte: "Nichts lenkt das Auge ab, es gibt so wenige Worte wie möglich." Statt auf Sprache achtete Davis besonders auf Gesichtsausdrücke - die sind international.

Bitte nicht zu berühmt

Davis entpuppte sich als Vermarktungsgenie: Zur Lizenzierung schuf er schon 1981 die Firma "Paws". Garfield-Produkte gab es bald zuhauf, von Kaffeebechern, Radiergummis, T-Shirts über Unterhosen, Bettwäsche, Plüschtiere bis zu einer Garfield-Kreuzfahrt durch die Karibik und einem Musical.

Nach Malaysia verkaufte Davis eine Lizenz für ein "Garfield Pizza Café", nach China für die Nutzung in Schulbüchern. Selbst ein Obsthändler warb in 24 Ländern mit Garfields Konterfei für Äpfel, Birnen und Kirschen. Mehr als 5000 offizielle Garfield-Produkte gibt es schon.

Davis fürchtete indes stets die Übersättigung des Marktes. Sein Kalkül: Würde aus Garfield ein Hype statt nur das allseits beliebte Mittelmaß, könnte er Menschen auf die Nerven gehen.

Ende der Achtzigerjahre drohte das, als Garfield-Plüschtiere mit Saugnäpfen der Renner wurden. Ursprünglich eine Fehlproduktion (mit Klettband an den Pfoten sollten die Figuren an Gardinen hängen), wurden sie zur Kult-Deko für Autoscheiben. Autos wurden nur der Puppen wegen aufgebrochen. Davis reagierte drastisch: "Wir zogen für fünf Jahre alle Plüschtiere aus den Läden zurück."

Die Strategie ging auf. Bis heute ist Garfield eine zugkräftige Marke, die Lizenzprodukte sind Davis' Hauptgeschäft; sein Vermögen wird derzeit auf etwa 800 Millionen US-Dollar geschätzt.

Anti-Aging für die Zielgruppe

Viel Zeit für den Comic bleibe ihm da nicht: Er reserviere "ein paar Tage pro Monat, um mich aufs Schreiben zu konzentrieren". Ansonsten stehe er früh auf, um den Geschäftskram schnell wegzuschaffen - "damit ich eine Partie Golf dazwischengequetscht kriege, wenn das Wetter gut ist".

Beim Zeichnen, so verriet er 2014 dem Online-Magazin "Mental Floss", helfe ihm ein Mitarbeiterstab: "Ich begutachte Gags und arbeite mit Assistenten am Strip. Wir treffen uns gelegentlich alle und zeichnen (...) Formen wie Finger und Gesten, damit man nicht mehr unterscheiden kann, wer es gezeichnet hat."

In 40 Jahren hat sich durchaus einiges am Zeichenstil geändert: 1978 war Garfield noch ein unförmiger Fettkloß mit Hängewangen und stets gelangweilt halbgeschlossenen Augen. Schon 1979 wurden seine Augen größer, sein Bauch wurde kleiner, die Haltung aufrechter und menschenähnlicher. Auch die Beine zeichnete Davis bald länger - schon damit Garfield Haushund Odie besser treten konnte.

Das Alter sah man dem Kater nie an. "Ich habe ein paar Alterswitze mit Garfield gemacht, bei denen er sich beschwert, vergesslich zu werden", sagt Davis. Doch er merkte, dass zur Zielgruppe viele Kinder gehören, die Alterswitze nicht verstehen: "Ich habe nicht vor, Garfield altern zu lassen."

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