Titeuf bei den Brasilianern

Die Schweizer Comicfigur sorgt im brasilianischen Wahlkampf für Aufruhr: Der rechtsnationale Kandidat Jair Bolsonaro wirft dem gezeichneten Buben vor, die Jugend zur Homosexualität zu verführen.

Claudia Mäder
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A priori scheint Titeuf an Frauen interessiert – aber für Leute, die an Verschwörungen glauben, ist die Welt bekanntlich nie so, wie sie sich auf den ersten Blick hin zeigt.

A priori scheint Titeuf an Frauen interessiert – aber für Leute, die an Verschwörungen glauben, ist die Welt bekanntlich nie so, wie sie sich auf den ersten Blick hin zeigt.

Für Comicfiguren sind die Zeiten nicht die besten – von allen Seiten werden sie beschossen. Tim, das Herrchen von Struppi etwa, steht aufgrund seines selbstgefälligen Auftretens im Kongo (1931) schon seit längerem unter Rassismusverdacht. Globi, unser komischer Nationalvogel, besucht derweil nur noch unverfängliche Orte wie Bauernhöfe oder Fernsehstationen, seit seine abenteuerlichen Fahrten zu fremden Völkern in den Fokus der postkolonialen Forschung geraten sind. Eine andere helvetische Gestalt sorgt dieser Tage nun im fernen Südamerika für Aufruhr: Titeuf, der quirlige Bub aus der Feder des Genfer Zeichners Zep, hat in Brasilien den Unmut eines Präsidentschaftsanwärters geweckt.

Dass der Comic-Held aneckt, ist eigentlich nicht erstaunlich, schliesslich braucht es wenig Phantasie, um in dem kleinen Männchen das grosse Böse zu erkennen: Titeuf trägt eine seltsame Tolle, die mitten auf seinem kahlen Kopf stramm himmelwärts ragt, und als wäre das nicht phallozentrisch genug, guckt der Bengel auch gerne auf unsinnig lange Frauenbeine, die in unerhört kurzen Röcken stecken. So etwas aber stört Jair Bolsonaro beileibe nicht. Der rechtsnationale Politiker äussert sich nämlich gelegentlich gar im brasilianischen «Playboy», etwa um seine Ansichten zur Homosexualität zu verbreiten: Diese findet er derart verwerflich, dass er seinen Sohn lieber bei einem Unfall als an einen Mann verlieren würde.

So weit, so schlimm, aber was hat das mit Titeuf zu tun? Schwer zu sagen. Bolsonaro versuchte es unlängst in einem Fernsehinterview zu erklären. Mit einem Comic-Buch in der Hand wetterte der ehemalige Militär gegen die überall grassierende Verführung zur gleichgeschlechtlichen Liebe – das Büchlein, in dem Titeuf jugendliche Leser über die Probleme der Pubertät, das Gelingen von Zungenküssen oder die Risiken des Schwangerwerdens aufklärt, ist in Bolsonaros Augen Teil einer verschwörerischen Gay-Kampagne zur Zersetzung der Gesellschaft.

Tatsächlich steht in dem Buch, dass es verschiedene sexuelle Orientierungen gibt. Aber vermag so ein schlichter wie wahrer Satz die Jugend wirklich subversiv zu infiltrieren? Eher wäre dazu doch eine magische Männerfreundschaft in der Lage: Was wird passieren, wenn Bolsonaro Asterix und Obelix entdeckt? Bei diesen Galliern geht’s nun wirklich drunter und drüber, bekanntlich hat der starke Mann dort statt praller Tollen schon weibliche Zöpfe auf dem Kopf. Der Dicke sollte sich warm anziehen: Laut gegenwärtigen Umfragen liegt Bolsonaro auf dem zweiten Platz.

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