Der Verkehr steht, die Luft ist zum Schneiden dick. Das ist, kurz gesagt, die Situation seit Tagen in Stuttgart. Alles beim Alten also. Seit 17. Januar wird hier der Grenzwert für die Feinstaubbelastung der Luft regelmäßig überschritten, an manchen Tagen sogar um mehr als das Dreifache. An bisher 29 Tagen dieses Jahres bestand bereits Feinstaubalarm, und die Autofahrer wurden aufgefordert, auf Busse und Bahnen umzusteigen.

Geändert hat sich aber nichts. Werte um 80 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft sind an den Messstationen der Innenstadt noch immer die Regel. Erlaubt sind täglich höchstens 50 Mikrogramm.

Das baden-württembergische Verkehrsministerium droht Besitzern älterer Dieselautos deshalb jetzt mit einem Fahrverbot. Von Januar 2018 an sollen Modelle, die nicht die aktuelle Abgasnorm Euro 6 erfüllen, nicht mehr durch Innenstädte fahren dürfen. Davon wären allein in der Landeshauptstadt rund 73.000 Personenwagen betroffen.

"Gegen Feinstaub bringt ein E-Auto nicht viel"

Doch längst mehren sich Hinweise von Fachleuten, die den Sinn einer solchen drastischen Maßnahme bezweifeln – zumindest, wenn es um die Verringerung der Feinstaubemissionen geht. Neueste Messresultate der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) zeigen nämlich: Nicht die Dieselabgase sind der Hauptverursacher der hohen Feinstaubbelastung. Stattdessen hat die LUBW "Aufwirbelungen und Abriebprozesse" ausgemacht, die "eine wesentliche Rolle" spielen.

Den Messungen zufolge entsteht der verkehrsbedingte Feinstaub der Partikelgröße PM10 (bis zehn Mikrometer Durchmesser) zu rund 85 Prozent durch Reifen-, Bremsen- und Straßenabrieb sowie durch die Aufwirbelung der Staubschicht auf den Fahrbahnen. Für die inzwischen bundesweit bekannte Messstelle am Stuttgarter Neckartor, wo seit Jahren die höchsten Staubkonzentrationen gemessen werden, bedeutet das laut der neuesten LUBW-Tagesmittelwerte: Pro Kubikmeter Luft stammen lediglich 1,9 Mikrogramm Feinstaub aus den Auspuffrohren der vorbeifahrenden Autos. 11,9 Mikrogramm werden hingegen durch Abrieb und Aufwirbelungen verursacht.

Mit anderen Worten: Selbst wenn nur abgasfreie Elektroautos durch die Stadt führen, änderte sich kaum etwas an der Feinstaubbelastung der Atemluft. "Den Abrieb von Bremsen, Reifen und die Wiederaufwirbelung gibt es beim E-Auto genauso wie bei Autos mit Verbrennungsmotor", erklärte Dekra-Fachmann Clemens Klinke kürzlich das Phänomen und resümierte: "Gegen den Feinstaub bringt das Elektroauto nicht allzu viel."

Das Hauptproblem liegt also woanders und wird laut Klinke "zu wenig beachtet": Nicht die Motoren, sondern die Bremsen und Reifen unserer Autos sind die größten PM10-Feinstaubquellen. Das bestätigen auch die Messergebnisse der zweiten Feinstaubsorte PM2,5, deren Partikel – kleiner als 2,5 Mikrometer – vor allem im Abgas der Autos festgestellt werden. Diesen besonders winzigen Feinstaub misst die LUBW an 22 Messstationen in Baden-Württemberg, sie hat dort aber laut Pressesprecherin Tatjana Erkert "seit Jahren keine Überschreitungen der Werte" registriert. Die Benzin- und Dieselmotoren sind also in puncto Feinstaub offenbar umweltfreundlicher als ihr Ruf.