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Der Marvel-Neustart Legacy ist jetzt auch in Deutschland angekommen. Wir haben uns die ersten Hefte angeschaut und sagen euch, ob die Comics der perfekte Neueinstieg sind, als der sie beworben werden, und ob jetzt goldene Zeiten für Spider-Man, Deadpool und die Avengers anbrechen.

Der Juni ist der Monat, in dem unter dem Marvel-Logo zahlreiche neue Geschichten in Deutschland starten, um Leute zu ködern, die bislang keine Marvel-Comics (mehr) gelesen haben. Dazu beginnen die Serien ausnahmsweise nicht wieder bei Nummer Eins, aber vermutlich wird das mit dem „Fresh Start“, der voraussichtlich im nächsten Jahr in unseren Comicläden landet, der Fall sein. Die Geschichten hängen nicht direkt zusammen, aber sie geben die Richtung vor, in die sich das Marvel-Universum entwickeln wird. Neben den drei monatlich erscheinenden Reihen Avengers, Spider-Man und Deadpool schauen wir uns hier auch das Legacy-Special an, in dem wir erfahren, dass es auch schon in der Steinzeit Avengers gegeben hat und ihr Abenteuer dunkle Schatten auf das wirft, was kommen mag.

Was heißt Legacy?

Die Verkaufszahlen von Marvel Comics erfüllen schon seit Jahren nicht die Erwartungen, die die Popularität der Filme wecken könnten. Die Charaktere haben sich einfach zu sehr weiterentwickelt und sind nicht mehr die Figuren, welche Kinozuschauer gerade erst mit den Filmen kennengelernt haben. Darüber hinaus wurden immer wieder neue Figuren eingebaut, die in die Rollen ihrer großen Vorbilder geschlüpft sind (wie Miles Morales als Spider-Man oder Riri Williams als Ironheart). Das führte aber auch dazu, dass ein Comicleser, der sich ein Iron Man-Comic kauft, plötzlich nicht Tony Stark, sondern ein ihm unbekanntes schwarzes Mädchen im High-Tech-Anzug findet.

Nachdem DC Comics mit Rebirth ihr Universum wiederbeleben konnten, indem man sich auf den Kern der Geschichten zurückbesann, aber trotzdem die Entwicklung der letzten Jahre nicht vergaß, versucht Marvel nun etwas Ähnliches mit Legacy. Auf diese Weise sollen neue Geschichten erzählt werden, die sowohl alteingesessene Fans, aber gerade auch Neueinsteiger ansprechen sollen.

Marvel Legacy Special

Im Jahr 1.000.000 vor Christus kämpfte eine Truppe Superhelden gegen einen Celestial. Unter ihnen ist ein früher Träger des Star Brand, eines Zeichens unbeschreiblicher Macht, und ein früher Ghost Rider. Im Hier und Heute trifft Robbie Reyes, der aktuelle Ghost Rider, auf den aktuellen Träger des Star Brand, der mehr zu wissen scheint als Robbie. Gleichzeitig schickt Loki eine Gruppe Frostriesen in eine Lagerhalle von S.H.I.E.L.D., um dort eine Kiste zu bergen.

Neben diesen Handlungsfäden gibt es von unterschiedlichen Künstlern gezeichnete Teaser für die wichtigsten Legacy-Reihen, wie Hulk, Iron Man oder Black Panther. Das unterbricht den Lesefluss und lässt das ganze Heft wie ein einziges Werbeprospekt wirken, ohne die konkreten Produkte zu erwähnen. Ein paar der Geschichten schaffen es neugierig zu machen, ein paar andere lassen den Leser mit einem großen Fragezeichen zurück. Auch ist es unmöglich, alle Anspielungen zu verstehen, wenn man nicht bereits fest im Marvel-Universum verwurzelt ist. Dazu kommt, dass mir zwar der detaillierte Zeichenstil der Hauptstory zusagt, die ständigen Künstlerwechsel aber kein harmonisches Gesamtbild abgeben.

Daneben gibt es etliche Seiten Zusatzmaterial mit Interviews und einem Ausblick auf Legacy. Das ist fast spannender zu lesen als der eigentliche Comic, rechtfertigt aber meiner Meinung nach keinen Kauf.

Dieses Heft ist ein Fanservice, der es selbst nicht schafft, eigene Geschichten zu erzählen. Die beiden Haupthandlungen sind interessant genug geschrieben, dass man das Heft nicht als misslungen bezeichnen kann. Dennoch würde ich davon abraten, das Heft zu kaufen, wenn man nicht großes Interesse daran hat, die Teaser für zukünftige Geschichten zu entdecken. Wäre das Legacy-Special eine Gratisbeilage gewesen, wäre ich vermutlich hellauf begeistert gewesen, wieviel einem hier geboten wird. So fühlt es sich aber leider an, als ob man für eine Trailer-Vorführung im Kino Geld bezahlt hätte.

Die harten Fakten

  • Autor(en): Jason Aaron
  • Zeichner(in): Esad Ribic, Steve McNiven, Mike Deodato, Alex Maleev, Russell Dauterman, Stuart Immonen
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Heft
  • Seitenanzahl: 68
  • Preis: 5,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini-Comics

 

Deadpool 23

Deadpool startet mit einer dreiseitigen Originstory in die Legacy-Ära, die zwar schon immer mal wieder erwähnt, aber noch nie so direkt visualisiert wurde. In der eigentlichen Geschichte geht es nun darum, dass Deadpool Cable jagt und töten will. Der Grund dafür ist dessen böser Klon Stryfe, der vor einigen Ausgaben Deadpools Tochter gerettet hat und nun seinen Tribut einfordert. Der Konflikt zwischen Deadpool und Cable ist brutal und auch ein wenig albern, wie es sich für Deadpool gehört. Eine wichtige Rolle nimmt dabei Cables Arm ein, sowie die hochentwickelte KI, die dort operiert. Die Autoren haben sich viel Mühe gegeben, damit ein unbedarfter Leser alles verstehen kann. Dennoch laufen hier auch viele Handlungsfäden zusammen, die seit einiger Zeit lose umherhängen. Das führt dazu, dass man Deadpools Handeln nicht wirklich nachvollziehen kann und auch einige Handlungen Cables mir das Gefühl geben, ich hätte irgendwas verpasst.

Wirklich gut zusammen will das alles nicht passen, und gerade eine Deadpool-Geschichte muss in irgendeiner Form außergewöhnlich kreativ zu sein, um wirklich zu überraschen. Das ist hier leider nicht der Fall. Als sehr gelungen empfinde ich dagegen den Zeichenstil und die dunkle Kolorierung. Beim Kampf der beiden Hauptfiguren werden immer mal wieder die Panels durchbrochen. Dadurch wirkt das Bild zwar chaotisch, aber sehr dynamisch und passt gut zu der actionreichen Geschichte. Geboten bekommt man aber, neben dem Einstieg in die Geschichte, eine von Wade Wilson geschriebene Einführung in die verwirrende Geschichte von Cable sowie ein doppelseitiges Poster.

Deadpool-Fans werden vermutlich nicht enttäuscht sein. Doch auch sie werden sich vermutlich nicht lange an dieses Heft erinnern, denn dazu ist es zu gewöhnlich. Die Handlung ist mehr brutal als lustig, dafür aber ganz hübsch in Szene gesetzt. Den Leser erwartet viel Action, und auch ein Neueinsteiger wird bei der Handlung mitkommen.

Die harten Fakten

  • Autor(en): Gerry Duggan
  • Zeichner(in): Scott Koblish
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Heft
  • Seitenanzahl: 52
  • Preis: 4,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini-Comics

 

Avengers 24

Die Avengers und die Champions entdecken beide dasselbe Phänomen, und so arbeiten die beiden wichtigsten Teams der Marvel-Comics zum ersten Mal vollständig zusammen. Durch seltsame Schwingungen droht die Gegenerde, welche von High Evolutionary und seinen New Men kontrolliert wird, mit der bekannten Erde vereinigt zu werden. Die vereinten Kräfte der Helden werden überall auf dem Planeten zugleich gebraucht. Ohne Erklärung scheinen sie sich überall hinzuteleportieren und alle sind rechtzeitig zurück, um gemeinsam den Endkampf auszutragen. Dabei nutzen sie ihre Fähigkeiten so kreativ, dass ihnen kein Hindernis lange im Weg steht.

Der Aufbau der Geschichte erinnert sehr stark an Heldengeschichten des goldenen Zeitalters, als sich die Autoren nur wenig um Stimmigkeit oder Logik gekümmert haben. Spannung will so keine aufkommen. Ebenso wird hier noch nicht geklärt, was es mit der Gegenerde auf sich hat und warum jetzt plötzlich dieses Schicksal droht. Geboten wird einem dafür viel Action und eine gute Einführung der Helden, so dass man, selbst ohne zu verstehen, was hier eigentlich passiert, von der Geschichte mitgerissen werden kann. Ein wenig störend ist die Tatsache, dass sich der Zeichenstil des Avengers-Zeichners stark von dem des Champions-Zeichners unterscheidet und die Figuren so in beiden Teilen ziemlich unterschiedlich dargestellt werden. Wird beim ersten Teil viel Wert auf plastische Figuren gelegt, wirkt der zweite Teil wie aus einem Cartoon mit dicken Linien und einer einfachen Kolorierung.

Als Bonus gibt es noch die Rückkehr einer Legende in einer separaten Geschichte. Diese ist aber vollständig im Marvel Legacy-Special veröffentlicht worden (siehe oben). Jemand, der sich beide Hefte kauft, wird vermutlich enttäuscht sein, und alle anderen werden nicht wirklich verstehen, was da gerade passiert. Ebenfalls als Bonus gibt es noch ein Panini-Album und einen Satz Sticker zu Infinity War, mit welchem die meisten Leser wohl nicht viel anfangen können.

Dieses Heft ist nicht viel mehr als eine Einleitung für eine größere Geschichte, die sich über die nächsten Ausgaben erstrecken wird. Die Bonusinhalte sind überflüssig – haben sich aber zum Glück nicht auf den Preis ausgewirkt. Als Einstieg in die Welt der Avengers mag das Heft funktionieren, wirklich interessant ist die Geschichte aber leider nicht.

Die harten Fakten

  • Autor(en): Mark Waid
  • Zeichner(in): Jesus Saiz, Humberto Ramos
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Heft
  • Seitenanzahl: 68
  • Preis: 4,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini-Comics

 

Spider-Man 24

Analog zu den anderen Legacy-Ausgaben, beginnt Spider-Man mit einem kurzen Abriss der Origin-Story der freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft. Direkt danach sieht man Peter Parker heruntergekommen in der Wohnung seiner neuen Freundin Bobby Morse. Er hat im Rahmen von Secret Empire alles verloren und ist nun der Buhmann der Nation. Vor Kurzem war er noch Firmenchef und Millionär – nun hat er nichts mehr. In dem Comic geht es um diverse Leute, die sauer auf ihn und seine Entscheidungen sind. Darunter Johnny Storm und Clayton Cole.

Das verspricht gute Action und einen Peter Parker auf Selbstfindungstrip. Doch er vergisst dabei natürlich nicht seine typischen Sprüche. Der Comic funktioniert außergewöhnlich gut für Neueinsteiger, da es für die Handlung nicht wichtig ist, wie es dazu kam, sondern nur, dass er seine Firma geopfert hat, damit Hydra die Technologie nicht bekommt. Die Motivationen der Figuren werden schnell klar, und das neue Team-Up mit Mockingbird funktioniert erstaunlich gut. Auch die Zeichnungen mit kräftigen und bunten Farben fangen sehr gut die Atmosphäre der einzelnen Szenen ein. Genau so muss für mich ein Spider-Man-Comic aussehen. Einzig beim Spannungsaufbau gibt es noch ein wenig Luft nach oben. Dazu plätschert die Geschichte dann, trotz der Kämpfe, zu gemächlich vor sich hin.

Als Bonusinhalt gibt es die erste Hälfte der Generations-Geschichte um Miles Morales, die sich vollständig im Band Generations #2 befindet. Das ist ein netter Appetithappen, aber letztendlich nur Werbung für das Paperback.

Insgesamt gefällt mir von allen Heften dieses Monats dieser Comic am besten. Er gibt einen guten Auftakt für zukünftige Ereignisse und nimmt auch den Neuleser mit. Peter Parker funktioniert mit Selbstzweifeln und ohne Besitz besonders gut. Hier sieht man am besten, wo die Reise der Legacy-Ära hingeht: hin zu Geschichten, die uns die beliebten Helden so zeigen, wie wir sie kennen, in Situationen, die sie so bisher nicht kannten.

Die harten Fakten

  • Autor(en): Dan Slott
  • Zeichner(in): Stuart Immonen
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Heft
  • Seitenanzahl: 68
  • Preis:4,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini-Comics

 

Fazit des Monats

Letztendlich läuft es in der Legacy-Ära nicht viel anders, als zuvor, aber die Ausgaben dieses Monats sind gut als Einstiegspunkt für Neuleser geeignet. Das liegt auch daran, dass es am Anfang jedes Heftes eine doppelseitige Einführung in die Geschichte gibt. Wer die Helden aber schon kennt (und das gilt durch die vielen Verfilmungen vermutlich für die meisten), wird diese Einführung nicht brauchen. Die Geschichten selbst sind sehr durchwachsen und werden wohl nur die Wenigsten zu Stammlesern machen, die es nicht bereits sind.

Der erhoffte perfekte Einstieg in das Marvel-Universum ist das Ganze nicht, aber ein gewillter Comicfreund wird mit den Bänden trotzdem nicht zu viel falsch machen. Ich würde mir aber wünschen, dass sich die Originalität und die Spannung mit den nächsten Bänden etwas steigern wird. Sonst wird dieser Neustart wohl genauso verpuffen, wie all die letzten Versuche auch.

Artikelbilder: © Panini-Comics, Bearbeitet von Verena Bach
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

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