Operation Eikonal: Regierung schüchtert Ausschuss mit extremem Geheimschutz ein

Notwendiger Schutz oder reine Schikane? Mit ihrem Verhalten im NSA-Ausschuss hat die Regierung selbst ihre eigenen Mitarbeiter düpiert. Die Abgeordneten wollen das "perfide Vorgehen" nicht hinnehmen.

Artikel veröffentlicht am ,
Die Bundesregierung würde vermutlich den ganzen NSA-Ausschuss gerne als "streng geheim" versiegeln.
Die Bundesregierung würde vermutlich den ganzen NSA-Ausschuss gerne als "streng geheim" versiegeln. (Bild: Arnd Wiegmann/Reuters)

Die Bundesregierung hat in der vergangenen Woche im NSA-Ausschuss des Bundestags ihre umstrittene Geheimhaltungspraxis noch verschärft und damit offenbar für ein Novum gesorgt. Nach Angaben der Ausschussmitglieder von Grünen und Linke ließ sie die Vernehmung eines hochrangigen BND-Mitarbeiters mit der höchsten Geheimhaltungsstufe "streng geheim" einordnen. Dies bedeutet laut Geheimschutzordnung des Bundestags, dass Kenntnisse der Vernehmung durch Unbefugte "den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden würde". Selbst Vertreter der Ministerien mussten zunächst die Sitzung verlassen, weil sie nicht die erforderliche Sicherheitsüberprüfung vorweisen konnten.

Der Ausschuss hatte am vergangenen Donnerstag zunächst fünf Stunden lang den Unterabteilungsleiter aus dem Bereich Technische Aufklärung in öffentlicher Sitzung vernommen. Dabei hatte der unter den Initialen W.K. aufgetretene Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) erklärt, dass bei der Operation Eikonal keine Daten deutscher Bürger rechtswidrig erfasst und möglicherweise an andere Geheimdienste wie die NSA weitergegeben worden seien. In der nicht-öffentlichen Sitzung wollte die Opposition den Zeugen mit Akten konfrontieren, aus denen sich nach Ansicht der Grünen andere Schlüsse ziehen lassen.

Abgeordnete befürchten Strafanzeigen

Zur Überraschung des Ausschusses wurde die nicht-öffentliche Sitzung dann als "streng geheim" eingestuft. Das hatte unter anderem zur Folge, dass nur Personen, die über eine sogenannte erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü3) verfügten, überhaupt an der Sitzung teilnehmen konnten. Da mehrere Vertreter der Regierung diese nicht vorweisen konnten, musste die Vernehmung gestoppt werden, bis die Ministerien für ihre Mitarbeiter die erforderliche Bescheinigung zufaxen konnte. Einigen Mitarbeitern von Abgeordneten blieb die Teilnahme jedoch verwehrt. Alle Anwesenden mussten zudem ihre Handys und Tablets abgeben und durften selbst ihre Notizen der Vernehmung nicht mitnehmen. Laut Grünen und Linke hat es ein solches Vorgehen in dem früheren BND-Ausschuss nicht gegeben. Der Bundestag bestätigte auf Anfrage von Golem.de, dass zumindest seit Inkrafttreten des Untersuchungsausschussgesetzes im Juni 2001 keine Sitzung als "streng geheim" eingestuft worden sei.

Die Abgeordneten von Linke und Grünen vermieden am Dienstag vor Journalisten jede Andeutung, was den Inhalt der Vernehmung betrifft. Zu groß ist die Furcht, dass die Regierung ihre Drohung durch Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) wahrmachen könnte und Strafanzeige wegen Geheimnisverrats stellt. Das Schreiben Altmaiers "war eine Unverschämtheit, aber auch ein Zeichen, dass die Bundesregierung bereit ist, auf diesem Weg eine Auseinandersetzung zu suchen", sagte die Linke-Ausschussobfrau Martina Renner. Angeblich soll die Regierung nach Berichten über Praktiken und Pläne des BND schon Strafanzeige gestellt haben, um den möglichen "Maulwurf" ausfindig zu machen. Die Regierung bestätigte am Mittwoch, dass eine solche Anzeige geprüft werde. Nach Angaben Renners verweigerte der BND-Mitarbeiter aber selbst unter diesen hohen Sicherheitsauflagen auf manche Fragen die Antwort. Aus Sicherheitsgründen, wie es hieß.

Grünen kritisieren "perfides Vorgehen"

Allerdings sehen die Abgeordneten durch das Vorgehen der Regierung die Aufklärungsarbeit des Ausschusses behindert. Da die Protokolle und Inhalte der Vernehmung so stark geschützt seien, könnten sie beispielsweise nicht in den Abschlussbericht einfließen. Zudem ließen sich die Unterlagen und Notizen nur in der Geheimschutzstelle des Bundestags einsehen. Für Verwirrung in der Sitzung sorgte außerdem, dass der Zeuge in den Akten plötzlich mit einem anderen Kürzel aufgetaucht sei. Während der BND-Mitarbeiter zunächst mit dem Kürzel seines Tarnnamens geführt worden sei, habe er später mit dem Kürzel seines richtigen Namens in den Akten gestanden. Dies habe die Vorbereitung der Vernehmung erschwert, kritisiert Renner.

Nach Ansicht der Grünen nutzt die Regierung die öffentlichen Sitzungen zur positiven Selbstdarstellung und für Dementis, während in geheimer Vernehmung dann unangenehme Details eingeräumt würden. Das sei ein "perfides Vorgehen", sagte Grünen-Ausschussmitglied Hans-Christian Ströbele, da die Abgeordneten durch die strenge Geheimhaltung "gehemmt" seien, den Zeugen öffentlich die Akten vorhalten zu können. Grünen-Ausschussobmann Konstantin von Notz sieht durch die Vernehmung jedoch den Eindruck bestätigt, dass auch der BND anlasslos und massenhaft Daten erfasst. Es handele sich zwar nicht um einen Full take des Datenverkehrs, aber Milliarden Daten würden geprüft.

Neue Akten aufgetaucht

Die Opposition will die streng geheime Einstufung der Sitzung nun überprüfen lassen. Die Begründung sei nicht überzeugend, sagte Renner, denn die besprochenen Unterlagen seien nicht "streng geheim" gewesen. Die Regierung habe argumentiert, dass die "Summe der Teile" als streng geheim geschützt werden müssten. Im Raum stehen weiterhin mögliche Klagen, um gegen die restriktive Schwärzung von Akten vorzugehen. Jedoch laufen derzeit noch zwei Verfahren, um mehr Unterlagen freizubekommen, darunter auch Material über die Zusammenarbeit mit den Five Eyes. Allerdings erleben die Abgeordneten auch positive Überraschungen. So seien vom Bundeskanzleramt weitere 277 Seiten zur Operation Eikonal beim Ausschuss eingetrudelt. Und das, obwohl das Kanzleramt schon längst eine Vollständigkeitserklärung abgegeben hatte.

Nachtrag vom 26. November 2014, 14:40 Uhr

SPD-Ausschussobmann Christian Flisek zeigte Verständnis für das Vorgehen der Regierung. Eine Einstufung von Befragungen sei manchmal begründet und nachvollziehbar, sagte er am Mittwoch vor Journalisten in Berlin. Dabei sei es sinnvoll, ein bestimmtes Themengebiet komplett unter einer bestimmten Geheimhaltungsstufe abzuhandeln und nicht dauernd zwischen verschiedenen Stufen hin und her zu wechseln. Für den Ausschuss sei jedoch wichtig, dass das Protokoll der streng geheimen Vernehmung später möglichst umfangreich freigegeben werden. Nach Informationen von Golem.de waren einzelne Akten, die besprochen wurden, als "streng geheim" eingestuft.

Ein Regierungssprecher bestätigte zudem, dass aufgrund der jüngsten Veröffentlichungen über Erkenntnisse und Pläne des BND geprüft werde, Strafanzeige gegen unbekannt zu stellen.

Nachtrag vom 8. Dezember 2014, 9:50 Uhr

Wir haben die Angaben des Bundestags im dritten Absatz ergänzt. Zudem wolle die Regierung inzwischen darauf verzichten, eine Strafanzeige gegen unbekannt zu stellen, berichtete der Spiegel.

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morfiel 28. Nov 2014

Jeder deutsche Beamte und Politiker wird gemeinsam mit dem Amtseid verpflichtet, jedwede...

plutoniumsulfat 27. Nov 2014

Sometimes the sarcasm-tags helps ;)

Porterex 27. Nov 2014

Haha. Du glaubst doch selbst nicht was du schreibst oder glaubst du den PR Müll wie "E...

Atalanttore 26. Nov 2014

Es kann ja nicht sein, dass die breite Öffentlichkeit erfährt, wer in der BRD im...



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