Von Zeichnern und Wundern – „Ein heiliges Experiment“

Seit 1977 schrieb der Schriftsteller und Comicautor Peter Mennigen zunächst deutsche Geschichten für Comicreihen wie „Gespenster Geschichten“, „Spuk Geschichten“, „Conny“, „Biggi“, „Vanessa“, „Felix“, „Lasso“, „Phantom“, „Axel F.“ und zahlreiche weitere Serien des Bastei Verlags. Ab den 90er Jahren arbeitete er für andere Verlage wie Egmont (Disney-Magazine), Panini (Jessy, Sternentänzer, Willi will‘s wissen) und Ravensburger (u.a. Fix und Foxi). In dieser Zeit verfasste er auch internationale Comics: „Lucky Luke“, „Schlümpfe“, „Bessy“ und „Isnogud“. Aktuell arbeitet er zusammen mit Ingo Römling an der Mystery-Steampunk-Serie „Malcolm Max“. Für comic.de blickt er in unregelmäßigen Abständen zurück auf seine Arbeit im deutschen Comicverlagsgeschäft.

„The idea was to bring together a group of remarkable people, see if they could become something more.“

Das berühmte Zitat von Nick Fury könnte auch von Dirk Schulz, ein Verleger des Splitter Verlages, und dem Bielefelder Illustrator Detlef Henke stammen. Für ein besonderes Projekt brachten sie 2013/14 einige der renommiertesten deutschen Comiczeichner zusammen.

Das Team bestand aus:
Peter Eickmeyer (Im Westen nichts Neues, Liebe Deinen Nächsten),
Jörg Hartmann (Nostradamus, Wilsbeg: in alter Freundschaft)
Detlef Henke (Mercury Blue), Ralf Marczinczik (U-Comix)
Gerd „Pirg“ Pircher (Die Denkmaschine, Integral, Cool, Clever, Classy)
Ralf Marczinczik (The Art of Gothic)
Ingo Römling (Malcolm Max, Die Toten, Survivor Girl, Star Wars Rebels)
Ralf Schlüter (Das Wolkenvolk, Schattengänger)
Dirk Schulz (Indigo, Parasiten, Celtis, diverse Perry Rhodan Cover)
Helge Vogt (Alisik)

Unter dem Motto „Ein heiliges Experiment“ feierte das Bistum Hildesheim anno 2015 sein 1200-jähriges Jubiläum. Neben zahlreichen Events anlässlich der Feierlichkeiten in der Diözese stach die Publikation eines Comic-Albums heraus. Exklusiv produziert, um dem Leser die bewegte Historie des Bistums in ihren vielfältigen Facetten näher zu bringen. Eine spannende Reise durch die Epochen von der Gründung bis zur Gegenwart, die nicht nur Einblicke in das Leben und Werk der kirchlichen Würdenträger gewährte, sondern auch in das seiner „einfachen“ Bevölkerung.

Die Idee zu dem Comic stammte von Jochen Bepler, dem Direktor des Hildesheimer Dommuseums und Thomas Harling vom Projektbüro „Bistumsjubiläum“. Zwecks Umsetzung kontaktierte Thomas Harling im Juni 2013 den Bielefelder Verleger Dirk Schulz und den Illustrator Detlef Henke. Vier Monate später trafen sie in Hildesheim die Vertreter des Bistums. Im Anschluss an das Meeting präsentierte Jochen Bepler, selbst ein bekennender Comic-Fan, seinen Gästen aus Bielefeld die Dombibliothek, in der er eine umfangreiche Comicabteilung eingerichtet hatte. Die Sammlung beinhaltete auch kontroverse Titel wie den „schrecklichen Papst“ von Jodorowsky.

Dirk Schulz (Indigo, Parasiten, Celtis)
© Screenshots: Bernward Medien

Dirk Schulz und Detlef Henke entwarfen ein Konzept für das Album. Formal sollte es genauso hochwertig gestaltet sein wie die Alben aus dem Splitter Verlag: Hardcover, Überformat, edles Papier, 46 Seiten Umfang. Inhaltlich entschied man sich für eine Anthologie, bestehend aus einer Sammlung von sieben in sich abgeschlossenen Storys, die die bedeutsamsten historischen Ereignisse und politischen Entwicklungen des Bistums schilderten. Als verbindendes Element der teils durch Jahrhunderte getrennten Abläufe entwickelte man eine übergeordnete Rahmenhandlung. Witzige One-pager, in denen eine Expertenrunde über die Begebenheit der jeweils anstehenden Story diskutierte.

Nachdem das Konzept stand, bot Dirk Schulz mir an, die Geschichten für das Album zu schreiben. Per Post schickte er einen Stapel Unterlagen über geschichtliche Begebenheiten und wissenswerte Anekdoten rund um die Hildesheimer Vergangenheit. Es dauerte mehrere Tage, ehe ich mich durch den „Informationsberg“ gearbeitet hatte. Zunächst ordnete ich die Ereignisse chronologisch nach ihrer historischen Relevanz. Aus der Vielzahl möglicher Themen wählte ich dann die sieben interessantesten aus. Einige historische Quellen waren so umfangreich, dass sie auf das Wesentlichste reduziert werden mussten. Andere wiederum gaben kaum mehr als eine Fußnote her, über die ich dann selbst recherchierte. Auf Anfrage stellte auch Thomas Harling Hintergrundsmaterial zur Verfügung. Wie zum Beispiel eine sehr detaillierte, dreißig Schreibmaschinenseiten umfassende Biographie von Wilhelm Konrad Maxen. Für den geplanten 4-Seiten-Comic fasste ich sie zusammen und bereitete sie dramaturgisch so auf, dass eine ansprechende Story über die Chronik des Lindener Arbeitervereins entstand.

Dann arbeitete ich die ausgewählten Themen als Exposés aus. Dabei variierte ich den Erzählstil von Story zu Story. Eine reine Dokumentation in Comicform wäre für ein komplettes Album vielleicht wenig unterhaltsam und zu langweilig gewesen. Mir schwebte ein breit gefächerter Genremix vor, ein Spektrum aus Abenteuer, Comedy, Romantik und Drama. Darin sollte neben Dokumentarischem auch Fiktionales in Form von Halbwahrheiten oder Legenden seinen Platz finden. Wie die Sage um den tausendjährigen Rosenstock, der nach und nach eine zentrale Rolle in dem Comic spielte und sich schließlich wie ein Roter Faden durch das Album zog.

Detlef Henke (Mercury Blue)
© Screenshots: Bernward Medien

Nach Feigabe der Exposés durch Dirk Schulz und Detlef Henke setzte ich zunächst zwei der Geschichten als Skripte um. Das erste Skript handelte von der Kontroverse der Hildesheimer mit den Welfen von Braunschweig und der daraus resultierenden epischen „Schlacht bei Dinklar“. Haupt- und Identifikationsfiguren für den Leser waren zwei Bauernkinder und die Schilderung der Ereignisse aus ihrer Sicht. Beide überlebten nur knapp die Zerstörung ihres Hofes. Sie flohen nach Hildesheim. Dort wurden sie Zeuge einer für die Stadtbewohner unmöglich zu gewinnenden Schlacht gegen einen zahlenmäßig erdrückend überlegenden Gegner. Doch auf wundersame Weise gewannen die Hildesheimer den Kampf. Die Geschichte wurde von Ralf Schlüter sehr realistisch illustriert, so dass ein wirklichkeitsnaher Abenteuercomic daraus entstand. Genremäßig ganz anders gestrickt war das zweite Skript um den „Harsumer Gesangbuchstreit“, der sich quer durch die gesamte Gemeinde zog. Allein das Thema schrie förmlich nach einer Comedy à la Asterix. Entsprechend setzte Gerd „Pirg“ Pircher es in einem an Uderzo angelehnten Zeichenstil um.

Bei einem Treffen in Bielefeld wurden die Skripte Jochen Bepler und Thomas Harling vorgelegt. Inklusive einer Coverskizze des Albums von Dirk Schulz, dem komplett geinkten Artwork der „Schlacht bei Dinklar“ und der Skizzenversion vom „Der Harsumer Gesangbuchstreit“. Außerdem steuerte Detlef Henke noch die Skizzen für die Rahmenhandlung bei. Das präsentierte Material fand die volle Zustimmung der Vertreter des Bistums – mit Ausnahme der Rahmenhandlung. Ihr Kritikpunkt: Die Onepager, die als verbindendes Element von einer Story zur nächsten überleiteten, wirkten zu statisch. Eine um einen Tisch sitzende und debattierende Gruppe Gelehrter gab in der Tat optisch nicht viel her.

In den folgenden Tagen arbeiteten Detlef Henke und ich alternative Ideen aus. In einem Entwurf nahm eine Touristengruppe an einer Führung durch das Dom-Museum teil, wo sie (und somit auch der Leser) in die historischen Hintergründe verschiedener Artefakte eingeweiht wurden. In einer anderen Fassung reiste ein Expertenteam durch das Bistum zu geschichtlich prägenden „Schlüsselpunkten“ der Region. Letztendlich entschieden wir uns für eine komplett fiktive Rahmenhandlung: Im Schatten des Hildesheimer Doms braute ein Alchimist mithilfe eines Zauberkessels ein magisches Fluidum, mittels der die „Essenz des Bistums Hildesheim“ herausgefiltert werden sollte. Wobei sich in jedem Onepager ein neuer Geist manifestiere, der dann zur nächsten Story überleitete. Ein leicht überforderter Helfer des Alchimisten peppte die Szenen humorvoll auf.

Cover „Ein heiliges Experiment“. Artwork: Dirk Schulz

Die Neufassung der Rahmenhandlung wurde genehmigt. Nun bekam das Album einen Release-Termin und wurde offizieller Bestandteil der Feierlichkeiten des Hildesheimer Jubiläums. Worauf im Februar 2014 ein Fernsehteam des Bistums Dirk Schulz, Ralf Schlüter und Detlef Henke zu dem in Arbeit befindlichen Comic interviewte.

Während ich mich um die ausstehenden Skripte kümmerte, suchte Dirk Schulz nach geeigneten Zeichnern. Durch seinen individuellen Stil sollte jeder Illustrator den einzelnen Geschichten etwas Einmaliges verleihen. Das Projekt lief inzwischen wie auf Schienen. Zu dem Zeitpunkt ahnten wir noch nicht, dass schon bald die Produktion des Albums aufgrund eines ebenso unerwarteten wie traurigem Ereignis vor dem Aus stehen sollte.

Als nächstes setzte ich eine Begebenheit über die komplexe Beziehung zwischen „Bernward und Godehard“ als Skript um. Zwei Geistliche, deren Ansichten über Kunst gegensätzlicher kaum sein konnten. Aufhänger der von Helge Vogt bebilderten Erzählung war ein lebensgroßer und nur mit einem Tuch bekleideter Jesus am Holzkreuz. Der Kunstförderer Godehard hatte die Figur aus seinem Urlaub als Geschenk für ein Kloster mitgebracht. Das führte bei den über so viel Nacktheit leicht geschockten Nonnen zu entsprechenden Irritationen.

Es folgte die von Ralf Marczinczik gezeichnete Story „Der Tod des Freiherren von Reuschenberg“. Im Zentrum der Geschichte standen die umfangreiche Bibliothek des Freiherren und dessen kritische Auseinandersetzung mit dem Unwillen der Kirche in Bezug auf Reformen. Noch etwas ernster ging es bei dem vorletzten – von Peter Eickmeyer umgesetzten – Comic des Albums zu: „Der Lindener Arbeiterverein“. Darin werden die Not und das Elend der Bistumsbewohner zu Zeiten der Industrialisierung geschildert.

„Die Gründungsgeschichte des Bistums Hildesheim“
Artwork: Ingo Römling

Das abschließende von Jörg Hartmann illustrierte Kapitel der Chronik mit dem Titel „Die Nachkriegsgeschichte“ schlug eher besinnliche Töne an. Es erinnerte an ein trauriges Kapitel der deutschen Geschichte während der Wirren kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Der Comic thematisierte die Aufnahme von Vertriebenen und die – aus damaliger Sicht skandalösen – konfessionellen Mischehen zwischen Katholiken und Protestanten. Zu der Geschichte steuerte Thomas Harling einen Plot mit Dialogen bei.

Jedes fertige Skript erhielt zuerst Detlef Henke, der es zur Prüfung an das Bistum weiterleitete. Weil man dort allerdings mit der Organisation etlicher anderer Events anlässlich des Jubiläums ausgelastet war, dauerte es oft ziemlich lange, ehe die Freigabe der Storys – manchmal mit kleineren Korrekturwünschen – erfolgte. Thomas Harling äußerte sich wie folgt dazu: „Problematisch war, dass es doch ein sehr umfangreiches Unterfangen war, bei dem es galt, sehr viele unterschiedliche Akteure zusammenzubringen. Alles dauerte viel länger als gedacht und so entstand am Ende ein Zeitdruck.“

Inzwischen waren alle Skripte bei den Zeichnern in Arbeit, bis auf die Einführungsstory: „Die Gründungsgeschichte des Bistums Hildesheim“. Mit ihren acht Seiten war die Story nicht nur die längste des Albums, sondern auch die wichtigste. Sie entschied, ob der Leser die Lektüre nach ein paar Seiten gelangweilt weglegen würde, oder eben nicht. Um den Einstieg in das Album nicht zu „bleischwer“ zu machen, schrieb ich die Episode als lockerflockige Komödie.

Durch die Zusammenarbeit mit Ingo Römling an den „Malcolm Max“-Alben war ich inzwischen bestens mit dessen Stil vertraut, dass ich beim Schreiben des Skripts die Szenen so vor Augen hatte, wie er sie umsetzen würde. Weshalb ich ihn als den idealen Illustrator für die Story vorschlug. Im Prinzip hatte Dirk Schulz nichts dagegen, ganz im Gegenteil. Es gab nur ein Problem: Ingo Römling war über Monate hinaus mit anderen Projekten voll ausgelastet. Trotz des damit verbundenen terminlichen Risikos verlängerte Dirk Schulz schließlich die Deadline für die Zeichner, was es Ingo Römling ermöglichte, das Intro zu zeichnen.

Ralf Schlüter (Das Wolkenvolk)
© Screenshots: Bernward Medien

Bis dahin waren wir immer noch im Zeitplan, als plötzlich ein unerwartetes Ereignis das gesamte Projekt in Frage stellte: Jochen Bepler erkrankte schwer und verstarb kurz darauf. Er war nicht nur der Initiator des Comics, sondern auch dessen Herz und Seele. Mit seinem Tod kamen alle Arbeiten an dem Album zum Erliegen. Wie und ob es überhaupt weitergehen würde, wusste niemand. Lange Zeit stand die Produktion des Albums auf der Kippe. Schließlich entschied man im Bistum, es zum Andenken an Jochen Bepler doch zu vollenden. An seiner Stelle übernahm der Bistumsarchivar Dr. Thomas Scharf-Wrede die Co-Leitung des Unternehmens. Federführend für dessen technische Umsetzung war neben Thomas Harling der Geschäftsführer der Bernwardmedien GmbH, Thomas Hagenhoff.

Trotz des ernormen Zeitdrucks aufgrund der Produktionsverzögerung und der damit verbundenen Turbulenzen erschien das Album rechtzeitig zum Höhepunkt des Jubiläums am Ende des Jahres unter dem Titel: „Ein heiliges Experiment … eine andere Hildesheimer Bistumsgeschichte“. Im November 2015 lud die Leiterin des Dom-Museums Hildesheim, Frau Dr. Höhl, zur Präsentation des Albums ein. Unter der Leitung von Anna Tafel hatten Studenten der Universität Hildesheim einige Episoden aus dem Comic inszeniert und führten sie im Dom-Museum live auf.

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Zum Abschluss der kleinen Rückschau teilen einige der beteiligten Zeichner ihre Erinnerungen an der Arbeit daran:

Gerd Pircher alias Pirg – Illustrator von „Der Harsumer Gesangbuchwettstreit“:
www.profvandusen.com

Ich hatte gerade „Das geheimnisvolle Pergament“, das erste albumlange Abenteuer meiner als Onepager-Serie in einem österreichischen Jugendmagazin erscheinenden Reihe „Cool, Clever, Classy“, fertiggestellt und Probedrucke davon an verschiedene deutschsprachige Verlage geschickt, darunter auch an den Splitter Verlag. Der hat auch geantwortet, wollte aber nicht das Album verlegen (das erschien dann im Athesia Verlag), sondern mich für ein Anthologieprojekt anheuern. Nachdem es interessiert klang und das finanzielle Angebot auch passte, habe ich zugesagt.

„Der Harsumer Gesangbuchwettstreit“. Artwork: Gerd „Pirg“ Pircher

Die Arbeit an der Hildesheim-Kurzgeschichte entpuppte sich zunächst als eine ziemlich stressige Angelegenheit. Ich bekam dann dein Skript mit den detaillierten Angaben zu den fünf Seiten gemailt und sollte meine Entwürfe ungefähr zwei Wochen später abliefern. Das wäre eigentlich kein Problem gewesen, wenn ich nicht bereits meinen Sommerurlaub gebucht hätte, der genau in diese Zeit fiel – da blieben mir vorher nur mehr gut drei Tage übrig. Also habe ich mich in die Arbeit reingekniet und die Vorzeichnungen angelegt. Diese mache ich seit vielen Jahren mit einem roten Farbstift – inzwischen aber alles digital, da ich mit einem Cintiq und dem Manga Studio (jetzt Clip Studio Paint) arbeite. Die Vorzeichnungen habe ich dann am Vortag meiner Abreise an den Verlag geschickt.

Nach meiner Rückkehr aus dem Urlaub war der positive Bescheid bereits da, wenn ich mich richtig zurück erinnere… oder zumindest bald darauf; die Umsetzung war dann aber nicht mehr so eilig. Erst Ende des Jahres musste ich die fertig ausgeführten SW-Seiten liefern, mit einer groben Anleitung für die Farbgebung. Die gewünschte „malerische“ Kolorierung wäre für mich selbst zu diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen, da ich eine andere Technik pflege und allein die Einarbeitung zu viel Zeit verschlungen hätte. So hat die Kolorierung damals jemand anders übernommen. Leider habe ich keine Ahnung, wo die gemacht wurde (wohl irgendwo im Ausland, da ich die Angaben in Englisch schreiben sollte)… als man mir die fertigen Seiten gemailt hatte, war ich ziemlich überrascht, was man aus meinen Zeichnungen noch alles herausholen konnte. 😉

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Ralf Marczinczik – Illustrator von „Der Tod des Freiherrn von Reuschenberg“:
www.comixfactory.de

Ich erinnere mich an eine sehr nette Mail meines Kollegen Dirk Schulz (Splitter Verlag) vom Oktober 2014, die völlig aus dem Blauen heraus und ohne Vorwarnung kam: Man hatte einen Sammelband mit Kurzgeschichten, die von Peter Mennigen verfasst werden würden, der zum Jubiläum des Bistums Hildesheim erscheinen sollte. Hätte ich Lust, eine der Geschichten zeichnerisch zu übernehmen? „Na klar!“, schrieb ich zurück. Der Seitenpreis war für deutsche Verhältnisse solide und, was Dirk nicht wissen konnte, ich hatte keinerlei Berührungsängste bei kirchlichen Themen, denn ich habe als junger Mann im Alter von 21 Jahren eine Weile lang in einem Kloster im Sauerland leben dürfen.

„Der Tod des Freiherrn von Reuschenberg“. Artwork: Ralf Marczinczik

Das Manuskript kam wie angekündigt, und ich hatte nach dem ersten Lesen naiverweise einige kleinere Kürzungen in den Dialogen vorgeschlagen. Es war aber nach der ersten, etwas zögerlich verfassten Mail recht schnell klar, dass ich hier als Zeichner gebucht war, und so nahm ich das Script als Anlass, zum ersten Mal als reiner Auftrags-Comic-Zeichner zu arbeiten und fand diese Art der Arbeit eine recht ungewöhnliche Erfahrung, denn sonst schreibe ich meine Geschichten in der Regel lieber selbst. Das hat aber mehr mit dem Prozess an sich zu tun, denn ich schreibe und zeichne gleichzeitig.

Nachdem ich meine Roughts eingereicht hatte und keinerlei Änderungswünsche anstanden, war das Ganze innerhalb einer Woche getuscht und ein paar Tage später dann auch fertig koloriert. Lief sehr glatt und reibungslos. Nur eine Änderung gab es vor Druckbeginn noch: Meine Hauptfigur hatte eine Tonsur (eine ausrasierte Stelle auf dem Scheitelpunkt des Kopfes) – und nach Auskunft des Bistums war das nicht sicher belegbar. Also entschlossen wir uns kurzerhand, sein Haar aufzufüllen – und damit war das Ganze auch druckreif.

Rückblickend betrachte ich das Projekt als eine wirklich lohnenswerte Erfahrung: Ich konnte zum ersten Mal mit einem Full-Script eines anderen Autors arbeiten – und das wurde auch noch fair entlohnt. Dazu entwickelte sich noch ein wirklich schöner Kontakt zu einem Zeichnerkollegen (Detlef Henke). Was will man mehr?

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Helge Vogt – Illustrator von „Bernward und Godehard“:
www.trickwelt.com

Es ist jetzt schon eine Weile her, aber ich erinnere mich noch gut an die Arbeit an „Ein heiliges Experiment“. Na ja, was heißt schon Arbeit: Im Grunde ist das so einer der Jobs, den man sich wünscht, der mehr Spaß macht und zu dem das Wort Arbeit gar nicht so recht zu passen scheint. Denn Comics zeichnen, das wollen wir Comiczeichner doch. Aber nur allzu selten wird das auch gut bezahlt. Und so arbeiten die meisten von uns noch in der Werbung oder so. Ich habe ja schon das große Glück, neben meinen Comics (Alisik) Buchcover zu illustrieren (z. B. Percy Jackson, Die drei Fragezeichen).

„Bernward und Godehard“. Artwork: Helge Vogt

Bistumscomic klingt vielleicht erst mal trocken, aber die einzelnen Geschichten sind superlustig geschrieben und als ich dann noch hörte, wer sonst noch so alles am Start ist, musste ich natürlich auch dabei sein: In einem Werk mit einigen der bekanntesten Comicschaffenden Deutschlands! Und gut bezahlt!

Ich konnte erst etwas später mit dem Zeichnen „meiner“ Geschichte beginnen und so sah ich zuvor einige Seiten der anderen. Wow! Die hatten ganz schön was vorgelegt. Das pushte natürlich. Ich wollte auch nicht den eher „realistischen“ Stil von Alisik verwenden, sondern etwas mehr in Richtung Funny gehen. Und Outlines benutze ich eigentlich sonst auch nicht. Aber es macht natürlich auch Spaß, etwas Neues zu probieren.

Neulich war ich dann in Hildesheim und wollte mir selbstverständlich auch live all die Gebäude und Plätze ansehen, die ich gezeichnet habe. Leider hat es aber den ganzen Tag geregnet. Und so habe ich mir lieber abends im Bett noch mal unseren Comic angesehen.

Die Rahmenhandlung. Artwork: Detlef Henke

„Der Lindener Arbeiterverein“. Artwork: Peter Eickmeyer

„Die Nachkriegsgeschichte“. Artwork: Jörg Hartmann