Was haben wir seit der Wahl von Donald Trump nicht alles über Blasen gehört. Eingemummelt in ihrem Kokon aus Biogemüse und Sojamilchcappuccinos hätten die "Eliten" das "echte Amerika" verschlafen. Nach Trumps erstem Wochenende im Amt hat man eher den Eindruck, dass die eigentliche Blase den gerade eingeführten Präsidenten umschließt. Als am Samstag riesige Märsche von Trump-Gegnern die Zuschauerzahlen der Amtseinführung in den Schatten stellten, benutzte Trump seine erste Rede im Amt, um sich mit den Medien über Einschaltquoten zu streiten. Seinen Pressereferenten Sean Spicer verdonnerte er, dessen erste Pressekonferenz ebenfalls mit Medienschelte zu verbringen.

"Alternative Fakten" habe Spicer geliefert, erklärte Trumps Beraterin Kellyanne Conway am Sonntag auf NBC. Wie so häufig regnete es Häme auf Trumps Team. Der amerikanische Duden, Merriam Webster, twitterte sogleich die Definition von "Fakt", nur für den Fall, dass es sich um ein Verständnisproblem gehandelt haben sollte. Die Faktenprüfer der Medien wiesen zum wiederholten Male nach, dass Conways Behauptungen zur Sache immer noch genauso falsch waren wie die von Trump und Spicer zuvor.

Ein wenig verwunderlich ist es, dass Conways Formulierung der "alternativen Fakten" so starke Resonanz erzeugte. Zumal der verabsolutierte Zynismus, dem sie Ausdruck verleiht, der einzige Wert ist, dem Trump von Anfang seines Wahlkampfes treu geblieben ist. Trump und seine Leute lügen ohne jede Scham – selbst wenn es ihnen sofort nachgewiesen werden kann, selbst wenn ihnen widersprochen wird, selbst wenn es ihnen nichts bringt.

Der Schulhoftyrann gegen die Faktennerds

Die Presse lässt sich in den USA zwar manipulieren, verlässt sich andererseits jedoch darauf, dass sie zumindest kompetent belogen wird. Trumps Leute machen sich diese Mühe nicht mehr. Bereits während des Wahlkampfes war klar, dass Trumps Repräsentanten bei CNN keinerlei Fakten liefern sollten, sondern nur Blödsinn verklappen. Dass das reine Machtspielchen sind, ist auch Trumps Wählerschaft klar. Sie hatte Freude daran, dass der Schulhoftyrann den Faktennerds mal so richtig einheizte. In Alice im Wunderland sagt Humpty Dumpty, dass die Bedeutung von Worten nur eine Frage aufwirft: "wer die Macht hat – und das ist alles".

Aber vielleicht hat die amerikanische Mainstream-Presse mit ihrer Fixierung auf "Ausgewogenheit" wirklich erst am Samstag begriffen, dass Trumps Team mit dem Arsenal der neuen Autokraten auffährt. Dass es kein Wahlkampfgeplänkel ist, Steve Bannon einen Nazi zu nennen, weil Steve Bannon tatsächlich ein Nazi ist. Dass Trump bewusst sämtliche Institutionen, Autoritäten, Gewährsleute demontiert, die den Bürgern Rückhalt in ihrem Widerstand geben könnten. Und, wie George Orwell und Viktor Klemperer schon erkannten, dass es der logische erste Schritt zur Zerstörung liberaler Demokratie ist, Fakten zum Spielball von Macht zu erklären.

Trump verlängert bewusst den Wahlkampf in eine Art permanente Revolution. Er bemüht sich nicht, Konsens zu bilden oder Trump-Gegner zu überzeugen, sondern sucht weiterhin die konstante Rückkopplung zu den 40 Prozent der Amerikaner, die ihn unterstützen. Er zwingt die Medien, ein Stück weit mit "alternativen Fakten" zu operieren. Denn ohne diese Fakten kann man Team Trump gar keine Fragen stellen, sondern sich nur mit ihnen streiten. Wenn Konsens, dann nur mit Trumps Alt-Fakten.