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Flix: "Spirou zu zeichnen, ist der Wahnsinn"

Paula Rösler
1. August 2018

Erstmals durfte ein deutscher Künstler einen Band der berühmten franco-belgischen Comicserie "Spirou & Fantasio" zeichnen. Cartoonist Flix schickt die Figuren ins Ostberlin der 1980er Jahre. Auch für ihn ein Abenteuer.

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Flix / Carlsen, Spirou in Berlin
Bild: Flix/Carlsen

Flix, mit bürgerlichem Namen Felix Görmann, lebt und arbeitet als freier Illustrator in Berlin. Bekannt wurde er unter anderem mit seinen humoristischen Adaptionen von Literatur-Klassikern wie Goethes "Faust I" oder Cervantes "Don Quijote". Im DW-Interview erzählt er, wieviel Respekt er vor dieser anspruchsvollen Arbeit hatte.

DW: Flix, Sie sind der erste deutsche Comiczeichner, der ein Spirou-Album gestalten durfte und noch dazu eines, das in Berlin spielt. Wie fühlt es sich an, dass dieser Band aus Ihrer Feder jetzt überall in den Läden liegt?

Flix: Das ist der Wahnsinn. Ich habe bei der Arbeit schnell gemerkt, dass die Erwartungen bei vielen Leuten sehr groß waren. Jeder, der sich ein bisschen mit Comics auskennt, kennt Spirou und hat sofort ein Bild im Kopf. Dem zu entsprechen und trotzdem auch zu überraschen, war gar nicht so einfach. Ich musste zwischendrin ausblenden, woran ich da arbeite, weil es mich sonst verrückt gemacht hätte.

Sie sind in die Fußstapfen von großen Spirou-Zeichnern wie Rob-Vel, Franquin oder Fournir getreten. Was hat Sie dabei am meisten herausgefordert?

Diesen Künstlern gerecht zu werden. Das sind alles Zeichner, die ich als Kind schon geliebt habe. Sie sind mitunter der Grund, warum ich Comics machen wollte, weil sie eine solche Faszination in mir geweckt haben.

Auf einmal etwas machen zu dürfen, was daneben gelegt und verglichen werden kann, war eine große Aufgabe. Davon habe ich immer geträumt, aber als es dann soweit war, habe ich gemerkt, oh ha, das fordert eine Menge Arbeit und Schweiß.

Gleichzeitig war es auch wahnsinnig beglückend. Einmal habe ich im Atelier meine Spirou-Seiten getuscht. Unterm Tisch saß meine fünfjährige Tochter und las alte Spirou-Bände - so wie ich als Kind damals. Das fand ich irgendwie verrückt. Comics können auch etwas sehr Langlebiges und Generationenübergreifendes haben.

Sie schicken Spirou und Fantasio in das Berlin der 1980er-Jahre. Wie kam Ihnen die Idee zu dieser DDR-Geschichte kurz vor dem Mauerfall?

Ich hatte die Vorgabe, dass die Geschichte in Berlin spielen soll. Wann genau, durfte ich mir aussuchen. Die Spirou-Serie gibt es seit 1938. Die Handlung davor anzusiedeln, hätte für mich nicht funktioniert. Also blieben drei große Zeitfenster: Das Dritte Reich, die geteilte Stadt und die Jetzt-Zeit.

Spirou in Berlin (Flix/Carlsen)
Spirou und Fantasio stehen nach ihrer Ankunft in Berlin staunend auf dem AlexanderplatzBild: Flix/Carlsen

Das Dritte Reich schied für mich aus, weil das Thema schon in vorherigen Spirou-Bänden auftauchte. Die Jetzt-Zeit fand ich nicht charakteristisch genug, um etwas zu erzählen, das zeitlos ist. Also habe ich mich für die geteilte Stadt entschieden.

Ein durchaus ernstes Thema. War es schwierig, den  typischen Spirou-Witz in die DDR-Geschichte zu bringen?

Ja, schon. Gerade die Endphase der DDR war ja nicht für jeden schön. Es gab genügend Leute, die unter der Regierung litten. Wer sich dagegen auflehnte, hatte es nicht leicht. Das differenziert zu zeigen und gleichzeitig Humor zu bewahren, war nicht einfach. Ich habe lange daran geknobelt, bis ich das Gefühl hatte, so ist es eine ausgewogene Mischung.

Haben Sie eine Lieblings-Szene in Ihrem Spirou-Comic?

Es gibt eine Seite, wo Fantasio in der Stasi-Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen in einer Zelle sitzt und mit ständigem Licht an- und ausschalten psychisch unter Druck gesetzt wird. Diese Seite finde ich toll, weil sie auf mehreren Ebenen funktioniert.

Spirou in Berlin
Hell, dunkel, hell, dunkel: Fantasio in einer Zelle in der Stasi-Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen Bild: Flix/Carlsen

Es gibt für Jugendcomics eine Art Code, der besagt, dass Folter nicht gezeigt werden darf. Aber Licht an- und ausschalten, das geht. Genau diese Methode wurde auch in der DDR angewendet, wo es ja offiziell keine Folter gab. Durch den Wechsel von Hell und Dunkel ist die Seite außerdem grafisch sehr schön.

Hatten Sie weitestgehend künstlerische Freiheit, oder mussten Sie sich in Ihrem Stil anpassen?

Einerseits hatte ich sehr viele Freiheiten, weil es ja auch ein Spezial-Band ist. Auf der anderen Seite musste ich jeden Schritt mit dem französischen Verlag Dupuis abstimmen. Die haben ein Auge darauf, dass alles zu der Marke Spirou passt. Ich musste die Entwürfe immer wieder vorzeigen. Es gab Anmerkungen und Änderungswünsche. Das war schon eine interessante Erfahrung.

Sie haben zum Beispiel auf Ihre typischen quaderförmigen Flix-Nasen verzichtet.

Ja, das musste ich auf Wunsch von Dupuis. Das fand ich natürlich erstmal nicht gut. Aber im Nachhinein hat mir das mehr gestalterische Freiheiten gegeben. Das Ergebnis ist dadurch auch besser geworden. Die Nase macht bei den Figuren viel aus.

Eine Figur, auf die Sie verzichten mussten, ist das Marsupilami.

Das hat urheberrechtliche Gründe. Als Franquin Ende der 60er Jahre aus der Serie ausgestiegen ist, hat er die Rechte am Marsupilami behalten. Seitdem taucht es kaum mehr in der Serie auf. Ich finde das schade, weil ich das Marsupilami immer sehr mochte.

Ich hätte es auch wirklich gerne gezeichnet. Aber eigentlich gehört es nicht mehr in die Serie. Wir, die Älteren, vermissen das, aber alle jungen Leser finden es komisch, wenn auf einmal so ein gelbes, sonderbares, affenähnliches Wesen in der Serie herum springt.

Berlin im Comic

Könnten Sie sich vorstellen, noch weitere berühmte Comic-Figuren durch Berlin zu führen?

Klar, man könnte auch Lucky Luke nach Berlin schicken oder Tim und Struppi oder Asterix oder die Schlümpfe. Aber es muss ja auch nicht immer Berlin sein. Reizvoll wäre es natürlich, für andere Figuren Abenteuer zu schreiben. Darauf hätte ich schon große Lust. Mal gucken, was sich ergibt.

Das Gespräch führte Paula Rösler.