Comic Review: Kramer (Zwerchfell)

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Comic Review: Kramer (Zwerchfell)

Mit „Kramer“ lieferte die deutsche Künstlerin Natalie Ostermaier im vergangenen Sommer ihre Debüt-Graphic-Novel beim Zwerchfell Verlag ab. Konnten frühere gezeichnete Werke wie „Fressen und gefressen werden“ oder auch „Jim“ noch auf ihrer Homepage eingesehen werden, widmet sich ihr erstes 192-seitiges gedrucktes Buch nun dem Schöpfer des „Hexenhammers“ Heinrich Kramer, dessen im 15. Jahrhundert veröffentlichtes Werk zur Legitimation der Hexenverfolgung diente und mehr als 200 Jahre lang für grausame Folter und Mord sorgte.

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Die junge Bäuerin Elsa lebt gegen Ende des 15. Jahrhunderts in der nähe einer kleinen Stadt. Aufgrund eines bezeugten epileptischen Anfalls wird sie beschuldigt, eine Hexe zu sein und muss sich dem Prozess eines Inquisitors unterziehen. Die Bestimmungen verlangen nach einem Fachmann, weshalb kein Geringerer als Heinrich Kramer selbst in die Stadt zitiert wird, der Autor des vermeintlichen „Hexenhammers“, dem Regelwerk der Hexenverfolgung.
Der massivst misogyne Fanatiker Kramer hat jedoch seine eigenen Dämonen zu bekämpfen und verstrickt sich in seinem kranken Wahn in reichlich anzüglich-lüsternden Fantasien gegenüber seiner Angeklagten. Seine Visionen treiben ihn um und erregen selbst in ihm mächtige Glaubenszweifel. Der Prozess wird zur Tortur, für die Gefolterte wie auch den Folterer, und dies alles unter den lechzend-gaffenden Blicken der kirchlichen Vertreter und der heimischen Bevölkerung.

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Ostermaiers übernatürliche Horror-Story erhebt mitnichten den Anspruch einer historischen Aufarbeitung der Person Heinrich Kramers gerecht zu werten, vielmehr ergießt sich die Handlung in vielfach dargebotener Symbolik, die leider teilweise etwas unter den Sexualfantasien und den dargestellten Gewaltexzessen begraben wird. Das wiederum verschafft dem Comic jedoch auch eine gewisse Vielschichtigkeit, deren vereinzelte Unausgewogenheit ein mehrfaches Lesen des Buches durchaus rechtfertigen.
Die wirklich tollen Bleistift-Tusche-Zeichnungen variieren dabei zwischen beißend-morbider Dynamik bis hin zu subtilen Stillleben, doch schaffen es die verhältnismäßig kargen Texte leider nur bedingt Einblick in den Charakter des Protagonisten zu werfen, da die Gewichtung des Comics deutlich mehr auf den visuellen Aspekten in Darstellung sexualisierter Gewalt liegt, anstatt die üppige Fläche für erzählerische Tiefe zu nutzen. So übt der Comic gewiss seine Faszination aus, doch schöpft die Künstlerin ihr Potential und das des Stoffs nicht vollends aus, denn der Horror ist hier sehr deutlich in den Bildern zu sehen, doch gelangt dieser dabei nur schwerlich in den Kopf des Lesers. Es bleibt ein gelungenes Debüt, das großartig hätte werden können.

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