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Türkische Stellungnahme enthält keine neuen Beweise gegen Yücel

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Von Daniel-Dylan BöhmerSenior Editor
Veröffentlicht am 01.12.2017Lesedauer: 3 Minuten
Deniz Yücel
Deniz YücelQuelle: dpa/dpa-ZB

Seit Februar sitzt WELT-Reporter Deniz Yücel in der Türkei im Gefängnis. In einer Stellungnahme an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wiederholt Ankara die bekannten Vorwürfe.

Die Stellungnahme der türkischen Regierung zur Beschwerde des WELT-Korrespondenten Deniz Yücel vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg ist dessen Anwälten zugestellt worden. In dem Dokument, das der WELT vorliegt, bringt das türkische Justizministerium keine neuen Beweise gegen Yücel vor. Vielmehr wiederholt der Schriftsatz die Vorwürfe des Haftbefehls, die Terrorpropaganda und Volksverhetzung lauten, und verweist auf Artikel Yücels als Beweise dafür.

Yücel ist seit Februar in der Türkei in Gefangenschaft. Yücel hatte im April Beschwerde vor dem EGMR gegen seine fortgesetzte Inhaftierung eingelegt. Sie verstoße unter anderem gegen seine Grundrechte auf Freiheit, Sicherheit und freie Meinungsäußerung. Das Gericht hatte die Klage angenommen und beschlossen, sie mit Vorrang zu behandeln.

Die Türkei wurde daraufhin aufgefordert, zu Yücels Beschwerde Stellung zu nehmen. Das Dokument war auch deshalb mit Spannung erwartet worden, weil man sich daraus Aufschluss über den tatsächlichen Umfang der Vorwürfe gegen Yücel erhoffte. Eine Anklageschrift gegen ihn wurde bisher nicht vorgelegt. Die Ermittlungsakten sind geheim.

Bekannte Anschuldigungen wiederholt

In dem Schriftsatz, den die Regierung bereits am Dienstag einreichte, wiederholt sie die bereits bekannten Anschuldigungen aus dem Haftbefehl gegen Yücel. „In den einschlägigen Artikeln des Antragstellers, die in der Begründung des Haftbefehls angeführt werden, ist erkennbar, dass er die Terrororganisation PKK als eine legitime Körperschaft erscheinen ließ“, heißt es in dem Schriftsatz des türkischen Justizministeriums.

Der Vorwurf bezieht sich vor allem auf ein Interview mit Cemil Bayik, dem Exil-Chef der kurdischen Organisation, das Yücel 2015 veröffentlichte. Auch zahlreiche andere türkische und internationale Journalisten haben Bayik interviewt, ohne dafür belangt zu werden. „Die Gewalttaten der Terrororganisation, vor allem im Osten und Südosten unseres Landes, wurden damit gutgeheißen“, heißt es nun in der türkischen Stellungnahme. Zudem habe Yücel den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan als „Putschisten“ bezeichnet.

Zudem sei Yücels Beschwerde gegen die Verletzung seiner Menschenrechte nicht zulässig. Für das Grundrecht auf Freiheit und Sicherheit sowie für das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung habe die Türkei wegen des Putschversuches vom Juli 2016 eine Ausnahme geltend gemacht. Dass Yücel derzeit nicht arbeiten könne, sei zudem lediglich die Folge seiner Inhaftierung. „Es kann folglich nicht behauptet werden, dass die Untersuchungshaft gegen den Antragsteller verhängt wurde, um seine journalistischen Aktivitäten zu behindern.“

Auch sei Yücels Beschwerde vor dem EGMR unzulässig, weil das türkische Verfassungsgericht noch nicht über die Beschwerde des Journalisten entschieden habe. „Die Regierung weist darauf hin, dass eine Beschwerde vor diesem Gericht vor Abschluss des Verfahrens vor nationalen Gerichten oder dem nationalen Verfassungsgericht nicht vereinbar ist mit dem Subsidiaritätsprinzip, das ein grundlegendes Prinzip der Europäischen Menschenrechtskonvention darstellt.“ Demnach müssten zunächst die Gerichte eines Mitgliedsstaates einen Fall geprüft haben, bevor der EGMR ihn behandeln könne.

Yücel hatte die Beschwerde vor der höchsten türkischen Instanz am 27. März eingereicht. In den acht Monaten, die seither vergangen sind, gab es keine Verhandlung des Falles vor dem türkischen Verfassungsgericht. Dazu heißt es in dem türkischen Schriftsatz, angesichts der Vielzahl von Verfassungsklagen seit dem Putschversuch sei diese Bearbeitungszeit „durchaus angemessen“.

In der Vergangenheit hat der EGMR auch Fälle behandelt, in denen der nationale Rechtsweg formal noch nicht ausgeschöpft war, wenn er befürchtete, dass dem Antragsteller aufgrund der tatsächlichen Lage im Land kein „wirksamer Beschwerdeweg“ zur Verfügung steht. Dazu gehörten auch Fälle aus der Türkei. Der EGMR ist eine Institution des Europarats, dem die Türkei als eines der ersten Länder schon 1949 beitrat. Das Gericht überwacht die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention in den Mitgliedsländern und ist mit Juristen aus allen Nationen des Europarats besetzt.


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