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Verschwörungstheorien Das Geschäft mit der Angst

Dritter Weltkrieg, drohender Staatsbankrott, der Angriff der "Fäkal-Dschihadisten": Buchverlage und Internetportale bedienen die diffusen Ängste der Menschen - und verdienen damit gutes Geld.
Screenshot von Kopp Online: Pionier des aktuellen Zeitgeists

Screenshot von Kopp Online: Pionier des aktuellen Zeitgeists

Foto: Kopp

Hamburg - In Rottenburg am Neckar ist fast täglich Weltuntergang. In einer Halle im Industriegebiet am Rande der schwäbischen Kleinstadt verschicken die 60 Mitarbeiter des Kopp-Verlags jeden Tag bis zu 15.000 Bücher in die ganze Republik. Viele der Werke sind harmlos: Launige Bestseller, Historienschinken und Ratgeber gegen Gelenkschmerzen.

Doch was den Verlag so besonders macht, sind die Bücher, die man in der Bahnhofbuchhandlung eher nicht bekommt: In reißerisch beworbenen Werken beschwören die Autoren den "Albtraum Zuwanderung" oder "Das Szenario eines Dritten Weltkriegs" und verkaufen den Lesern ihren "Vorsorgeplan für Staatsbankrott, Zwangsenteignung und Bürgerkrieg".

Mit dem Schüren von Angst lässt sich prima Geld verdienen. Wie viel genau, das sagt der Verlag nicht. Man sei profitabel, erklärt Verlagsgründer Jochen Kopp auf Anfrage. Während andere Buchverlage darben, scheinen die Geschäfte bei Kopp gut zu laufen. Die Nachfrage sei "konstant positiv, mit gesundem Wachstum", so der Verlagschef. 2013 bezog sein Unternehmen ein neues Gebäude. Das alte war zu klein geworden.

Der 48-jährige Kopp ist ein erfolgreicher Unternehmer geworden, der sein Tätigkeitsfeld ständig erweitert. Als sich der ehemalige Polizist vor 20 Jahren mit dem Verlag selbstständig machte, ging es vor allem um Ufos, Geheimbünde und andere Verschwörungen, mittlerweile gehören auch die Euro-Krise und das weltweite Finanzsystem zu den wichtigsten Themen im Kopp-Universum.

Meist geht es auch dabei um Verschwörungen, mal kommen sie von der US-Notenbank Fed, mal von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel, die angeblich den Kollaps des Finanzsystems herbeiführen will, "um die vollständige Kontrolle über die Finanzen der Welt zu erlangen".

"Ist Michelle Obama eine Transe?"

Auch sonst scheut der Verlag vor steilen Thesen nicht zurück. Der ehemalige "FAZ"-Redakteur Udo Ulfkotte wettert bei Kopp nicht nur gegen den Euro, sondern auch gegen die "schleichende Islamisierung Europas". Als im Frühjahr 2011 halb Deutschland nach der Herkunft der krankheitserregenden Ehec-Bakterien fahndete, hatte Ulfkotte auf Kopps Online-Portal schnell eine ganz eigene Deutung parat: Orientalische Erntehelfer würden ihre großen Geschäfte gerne in Erdbeer- und anderen Feldern verrichten, um so den deutschen Konsumenten zu schaden. Stichwort: "Fäkalien-Dschihad".

Ulfkottes Kopp-Autorenkollege Gerhard Wisnewski hat für so ziemlich jedes Ereignis der Zeitgeschichte eine ganz besondere Erklärung. Ob der Untergang der Titanic, die Mondlandung oder die Terroranschläge vom 11. September 2001 - glaubt man Wisnewski, war nichts davon so, wie es in Zeitungen oder Geschichtsbüchern steht. Und wenn US-Präsident Barack Obama in Wirklichkeit schwul ist, was ist dann seine Frau? "Ist Michelle Obama eine Transe?", fragt Wisnewski geheimnistuerisch auf "Kopp Online".

Mit seiner Mischung aus Rechtspopulismus, Kapitalismuskritik und Tabubrecher-Attitüde ist der Kopp-Verlag so etwas wie der Pionier des aktuellen Gegenzeitgeists - eines Geists, der sich gegen eine vermeintliche Political Correctness der etablierten Medienlandschaft richtet, weil diese angeblich ständig irgendeine Wahrheit unterdrückt.

Dieser Geist ist mittlerweile längst nicht mehr nur an den Rändern der Gesellschaft zu finden. Er hat sich so weit in den Mainstream ausgebreitet, dass viele Akteure an ihm verdienen können. Thilo Sarrazin gehört dazu, der mit seinen Büchern ständig irgendwelche Tabus bricht, die es gar nicht gab. Den Lesern scheint das egal zu sein: Sie haben den SPD-Politiker auf dessen alte Tage zum Multimillionär gemacht.

Europafeindliche Reflexe

Dabei verschwimmen zunehmend Grenzen - die zwischen rechts und links und die zwischen seriös und unseriös. Im Kopp-Verlag etwa publizieren längst nicht nur Spinner, sondern auch die etablierten Professoren Joachim Starbatty, Wilhelm Nölling, Karl Albrecht Schachtschneider und Dieter Spethmann. Die Wissenschaftler sind vor allem dadurch bekannt geworden, dass sie regelmäßig vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Instrumente der Euro-Rettung klagen - und dabei regelmäßig verlieren. Bei Kopp sehnen die Pofessoren das Ende des "Euro-Abenteuers" herbei - und bedienen damit die Europafeindlichkeit großer Bevölkerungsteile.

Auf diesen Reflex gegen europäische Institutionen setzen auch neue Online-Portale. Der ehemalige Fernsehjournalist Michael Mross etwa betreibt seit der Finanzkrise 2008 die Internetseite "MMnews", die sich nach seinen Angaben "zum größten Wirtschaftsblog Europas" entwickelt hat.

Dort wettert Mross gegen den angeblichen "Lug und Trug" der Europäischen Zentralbank und die vermeintliche Zensur bei den "Mainstream-Medien" (dazu zählt natürlich auch SPIEGEL ONLINE), deren Mitarbeiter bei "MMnews" auch gerne als "Medienhuren" bezeichnet werden. Forscher und Journalisten, die vor den Folgen der Erderwärmung warnen, heißen bei Mross wahlweise "Klima-Esoteriker" oder "Klima-Alarmisten".

Deutlich subtiler füttern die "Deutschen Wirtschafts Nachrichten" ("DWN") die Mischung aus Angst und Misstrauen bei einem wachsenden Teil der Bevölkerung. Der spröde Name trügt: Bei den "DWN" geht es zwar meist um Wirtschaft und Politik, beides wird gelegentlich jedoch so reißerisch aufbereitet, dass der Leser vor Schreck zusammenzuckt. Immer wieder berichtet die Redaktion über angebliche Geheimpläne, mit deren Hilfe Institutionen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) oder die EU-Kommission den deutschen Bürgern ans Geld wollen. Bei genauerem Hinsehen entpuppen sich die Fakten dann meist als weniger dramatisch.

Man kann das für aufklärerisch halten oder für krawallig. Das Konzept scheint jedenfalls zu funktionieren: Immer wieder gehören Texte aus den "DWN" zu den am häufigsten verbreiteten auf Facebook. "DWN"-Gründer und Herausgeber Michael Maier, immerhin mal für ein halbes Jahr Chefredakteur des "Stern", hält die Berichterstattung seines Mediums nicht für überzogen. Zwar spitze man Themen zu, teilt der Österreicher auf Anfrage schriftlich mit, allerdings nur, um die "politische und gesellschaftliche Brisanz hinter den politischen Worthülsen" aufzuzeigen: "Wir lehnen jede Art von Angstmache ab."

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