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Am Chiemsee wird eine erstochene Konvertitin aus Afghanistan beerdigt Prien nimmt Abschied

Prien am Chiemsee. Den Weg zum Friedhof begleiten Fragen und Mutmaßungen: Warum musste Farimah sterben? Ließen Frustration oder gar Neid den Täter zustechen? War er ein religiöser Eiferer? Als sich die Trauernden am Donnerstag auf den Weg zum Friedhof in Prien am Chiemsee machen, sind die Hintergründe der schrecklichen Bluttat noch immer nicht geklärt.
05.05.2017, 00:00 Uhr
Lesedauer: 2 Min
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Von Linda Vogt

Prien am Chiemsee. Den Weg zum Friedhof begleiten Fragen und Mutmaßungen: Warum musste Farimah sterben? Ließen Frustration oder gar Neid den Täter zustechen? War er ein religiöser Eiferer? Als sich die Trauernden am Donnerstag auf den Weg zum Friedhof in Prien am Chiemsee machen, sind die Hintergründe der schrecklichen Bluttat noch immer nicht geklärt.

Die 38-jährige Frau aus Afghanistan war am vergangenen Sonnabend vor den Augen ihrer Kinder vor einem Supermarkt niedergestochen worden. Sie starb wenig später im Krankenhaus. Ein 29 Jahre alter Flüchtling – ebenfalls aus Afghanistan – gilt als dringend tatverdächtig. Die Frau war vom muslimischen zum christlichen Glauben übergetreten und hatte sich in der evangelischen Kirchengemeinde engagiert.

„Es ist genau das passiert, wovor wir alle Angst hatten“, betont Pfarrer Karl-Friedrich Wackerbarth in seiner Trauerrede, „ein Mord, der Vorurteile und Ängste schürt." Da die Tat möglicherweise religiös motiviert gewesen war, ruft der evangelische Seelsorger eindringlich zum Miteinander auf. „Wir stehen hier gemeinsam am Sarg, Christinnen und Christen jeder Konfession, Menschen muslimischen Glaubens, Bürgerinnen und Bürger“, begrüßt der Pfarrer die rund 200 Trauergäste, die Abschied von der vierfachen Mutter nehmen. Immer wieder beschwört der Geistliche die Bürger, der sinnlosen Gewalt Vertrauen, Liebe und Frieden entgegenzusetzen. Er kannte die Frau aus Afghanistan gut. Sie hatte sich in ihrer neuen Heimat in der Kirche engagiert. Den Täter schließt der Pfarrer in sein Gebet ein. Auch ein Pastor einer afghanisch-christlichen Gemeinde spricht zu den Trauernden.

Die beiden jüngsten Söhne im Alter von fünf und elf Jahren werden an diesem Tag von ihren Taufpatinnen gestützt und getröstet. Wie ihre Mutter, die vom Islam zum Christentum konvertierte, sind die Jungs evangelisch getauft. „Ihre Patinnen sind wie Großmütter für sie geworden“, sagt Pfarrer Wackerbarth. Die Jungen leben nun bei ihnen. Der Friedhof füllt sich mit Verwandten, Freunden, Flüchtlingshelfern, Flüchtlingen und Bewohnern der oberbayerischen Gemeinde. Sie alle schließt der Pfarrer in seine Rede ein. „Farimah hat ihr Christsein mit dem Leben bezahlt – so müssen wir vermuten. Aber Farimah hat auch ihr Recht auf Selbstbestimmtheit und Freiheit mit dem Leben bezahlt.“

Dass die 38-Jährige vielleicht genau deswegen sterben musste, bestürzt auch Bürgermeister Jürgen Seifert (parteilos). „Wir sind fassungslos“, sagt er. Der gewaltsame Tod habe die 10 000 Einwohner zählende Gemeinde in ihrer Mitte getroffen: „Farimah war ein Vorbild für gelebte und gelungene Integration. Für Demokratie und Freiheit.“

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