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Der Übervater der Superhelden

Der legendäre US-Comic-Autor Stan Lee ist im Alter von 95 Jahren im Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles gestorben. Der Grund ist noch unklar. Lee war im vergangenen Jahr immer wieder erkrankt.

Stan Lee wurde mit Superhelden berühmt, die mittlerweile jeder kennt, der schon mal einen Comic oder ein Kinoprogramm überflogen hat: Spider-Man, Hulk, Iron Man, Thor, Black Panther, Doctor Strange. Diese Comicfiguren, um nur die Bekanntesten zu nennen, haben zuletzt weltweit für Milliardenumsätze an den Kinokassen gesorgt. Umso erstaunlicher, dass ihr Schöpfer in Europa nahezu unbekannt blieb – und das, obwohl der Autor (der in seinen Avengers-Verfilmungen stets in Kurzauftritten zu sehen war) für die grösste Comic-Heldendichte Amerikas sorgte.

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Lee, 1922 als Sohn rumänischstämmiger Juden in New York unter dem Namen Stanley Martin Lieber geboren, begann schon als Teenager bei einem Comicverlag zu arbeiten. Zunächst als Kopierassistent, dann, mit 17 Jahren, als Redaktor. Damals waren Comics vorwiegend auf Kinder (und Teenager) zugeschnitten. Der Verlag hiess Timely Publications und wurde später zu Atlas und schliesslich zu Marvel Comics umbenannt.

Lee begann mit Geschichten für «Captain America», einer Serie, die von Joe Simon und Jack Kirby zu Beginn des Zweiten Weltkriegs entwickelt worden war. Es waren Propaganda-Comics gegen Nazi-Deutschland. Auf dem ersten Cover von 1940 ist Captain America in voller US-Nationalflaggen-Montur zu sehen, wie er Adolf Hitler einen Kinnhaken verpasst.

DC war tonangebend in den USA

Mit dem expressiven Zeichner Jack Kirby sollte Lee in den Sechzigerjahren eine Comic-Revolution begründen. Das geschah allerdings eher aus Verlegenheit, denn aus Absicht, und das Ganze hat eine bemerkenswerte Vorgeschichte: In den Fünfzigerjahren war der Verlag DC tonangebend in den USA und machte mit properen Helden wie Superman, Batman und Wonder Woman Kasse.

Atlas/Marvel dagegen funktionierte als Gemischtwarenladen, der je nach Kinotrends und Publikumsgusto Western-, Monster- oder Science-fiction-Helden in die Welt stellte und wieder verschwinden liess. «Wir gaben den Leuten einfach, was sie haben wollten», sagte Lee, der zu jener Zeit Chefredaktor bei Marvel war.

Allerdings sah der Autor keine Zukunft in seiner Branche und war entschlossen, Schriftsteller zu werden. «Wir fabrizieren hier Nonsense», sagte er angeblich zu seiner Ehefrau Joan. «Comics sind ein bescheuertes Business für Erwachsene.» Es sollte anders kommen.

Marvel-Helden als gebrochene Figuren

Anfangs der Sechzigerjahre begann DC mit Batman & Co. eine Heldentruppe namens Justice League of America zusammenzustellen. Dieses Crossover-Konzept läutete das erfolgreiche «Silver Age» des amerikanischen Comics ein – und Stan Lee erkannte für Marvel eine Chance.

Zusammen mit Zeichner Jack Kirby erfand er die «Fantastic Four», ein Quartett, das Superkräfte erwirbt, als es auf dem Weg zum Mond in einen kosmischen Sturm gerät. Das Besondere an den «Fantastic Four»: Die Superkräfte sind für das Quartett keine Attribute der Stärke, sondern eine Bürde. Man spürt die Zeit des Kalten Kriegs.

Und im Gegensatz zu den souveränen DC-Helden erscheinen die Marvel-Wesen als gebrochene Figuren, als zweifelnde Charaktere, als von Gewissensbissen geplagte Ausgestossene. Es sind Freaks, die emotional reagieren und dabei oft einen erotischen Subtext erahnen lassen. Das stiess im Vorfeld der 1968er-Revolution auf enormes Interesse, und Marvel hatte keine Mühe, in seinen Heften ganze Leserbriefseiten zu füllen.

Bilder: Stan Lee und seine Superhelden

Lee blieb der Comicwelt treu: «Man hört nicht auf, wenn man eine Erfolgssträhne hat». Und es gelang ihm, sein Erfolgsrezept mit Kirby mehrmals zu wiederholen. Zusammen schufen sie «Hulk», «Thor» und die «X-Men», die sich in den Achtzigerjahren zu einer der grössten amerikanischen Comicserien entwickeln sollten.

Die Auflagen der Marvel-Hefte schnellten von 18 Millionen (1961) auf 32 Millionen Exemplare (1965) hoch. Die vielleicht wichtigste Figur schuf Lee jedoch mit Steve Ditko zusammen. Das war ein jugendlicher Streber, der nach einem Spinnenbiss elastische Fähigkeiten entwickelt, im Herzen jedoch ein schüchterner Aussenseiter bleibt – Spider-Man. Mit einem Verlierer-Image imprägniert avancierte Spidey zur Identifikationsfigur einer ganzen Generation. Sogar Nouvelle-Vague-Filmregisseure wie Jean-Luc Godard oder Alain Resnais zeigten sich begeistert.

Stan Lee schrieb zwölf Hefte pro Monat

Marvel stieg in der Folge zum grössten Comicverlag der Welt auf, und Stan Lee, der über zwölf Hefte pro Monat schrieb, erfand notgedrungen eine neue Erzählformel. Er verzichtete auf vollständige Szenarios, sondern lieferte seine Geschichten nurmehr als Exposés ab, aus denen seine Zeichner dann ganze Bild-Abenteuer formten. Erst zum Schluss fügte Lee die Dialoge hinzu.

Dieser «Marvel Style of Comic Scripting» wurde später vielfach kopiert, er trug seinem Begründer jedoch auch herbe Kritik (namentlich von Kirby und Ditko) sowie zahlreiche Urheberrechts-Prozesse ein.

In den Siebzigerjahren büssten die Superhelden-Comics an Beliebtheit ein. Lee hielt sich jedoch im Gespräch, indem er zum Beispiel einen Freund Spider-Mans als Drogensüchtigen einführte und damit den strengen Comic-Code des US-Gesundheitsministeriums brach.

Grösste Geldmaschine Hollywoods

Als einer der Ersten erkannte Lee zudem das Potenzial für andere Medien und vermarktete seine Figuren in eigener Sache. Er trat an Comic-Conventions und in TV-Shows auf, hatte Gastauftritte bei den «Simpsons», arbeitete an «Playboy»-Umsetzungen mit Hugh Hefner, zog von New York nach Los Angeles und trieb dort die TV- und Filmauswertung seiner Superhelden voran.

Letztere sollten sich schliesslich als Milliarden-Goldgrube für Disney erweisen. Die Marvel Studios, 1993 gegründet, sind heute eine der grössten Geldmaschinen Hollywoods.

Lee selbst hat immer wieder betont, dass er mit seinen Comics nie viel Geld verdient habe. Tatsache ist allerdings, dass er sich für die entsprechenden Verfilmungen von Marvel eine aussergerichtliche Abfindung in Millionenhöhe erstritten hat.

Auftritt in jedem Marvel-Film

Daneben blieb der Comicautor bis ins hohe Alter aktiv, ausgesprochen prozessfreudig (noch im Mai 2018 verklagte er eine ehemalige Produktionsfirma) und entwickelte laufend neue Figuren, zum Beispiel von und mit Ringo Starr oder Arnold Schwarzenegger («The Governator»).

Zudem schuf er eine Serie für den langjährigen Comic-Konkurrenten DC («Just Imagine Stan Lee Creating...»), und er sicherte sich das Recht, in jedem seiner Superhelden-Filme auftreten zu dürfen. In den USA kennt ihn daher jedes Kind.

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Video: Hollywood-Ehren für Stan Lee