Hollywood:Kommt ein Superheld zum Arzt

M. Night Shyamalan sperrt in seinem Horrorthriller "Glass" Bruce Willis, Samuel L. Jackson und James McAvoy in die Psychiatrie - mit sehr seltsamen Folgen.

Von David Steinitz

Bei all den Spider-, Super- und Batmans, die derzeit durchs Kino schwirren, liegt die Grundidee dieses Films eigentlich auf der Hand: Würde man im echten Leben ein paar Typen, die behaupten, sie hätten Superkräfte, und im Cape in der Innenstadt auftauchen, um Schlägereien anzufangen, nicht umgehend in die Psychiatrie sperren?

Mit dieser Prämisse beginnt der Regisseur M. Night Shyamalan seinen Horrorthriller "Glass". Drei Männer, die glauben, übermenschliche Fähigkeiten zu besitzen, werden in einer geschlossenen Anstalt unter die Aufsicht der resoluten Psychiaterin Dr. Ellie Staple (Sarah Paulson) gestellt. Sie hat sich darauf spezialisiert, Patienten von deren Hybris zu heilen, wenn sie meinen, sie seien mit besonderen Kräften beseelt, wie Superhelden oder Superschurken aus einem Comicheft.

Die drei Burschen sind alte Bekannte, die Shyamalan schon in anderen Filmen eingeführt hat. Da wäre einmal der hyperintelligente Comicbuchhändler Mr. Glass, gespielt von Samuel L. Jackson. Er ist ein erstklassiger Psychopath und ließ im Thriller "Unbreakable" aus dem Jahr 2000 einen Zug entgleisen, um zu testen, ob darin vielleicht ein weiterer Mensch mit Superheldenpotenzial sitzt, der das Unglück überlebt und zum Gegenspieler taugt. Dieser Mensch war der Sicherheitswärter David Dunn, gespielt von Bruce Willis. David zieht seitdem als einsamer Rächer durch die Straßen Philadelphias und verdrischt Kriminelle. Weil Selbstjustiz im Amerika dieser realistisch angelegten Filmwelt aber verboten ist, wird er zu Beginn von "Glass" verhaftet und zu seinem alten Antipoden gesperrt. David hält sich zwar für einen der Guten, die Frau Doktor stuft ihn aber ebenfalls als dringend therapiebedürftig ein.

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In Sicherheitsverwahrung: Samuel Jackson, James McAvoy und Bruce Willis (v. l.) sind mit übermenschlichen Fähigkeiten ausgestattet - deshalb müssen sie in die Psychiatrie.

(Foto: Jessica Kourkounis/Verleih)

Die beiden erhalten schließlich noch Gesellschaft von einem weiteren pathologischen Fall namens Kevin. Der wird von James McAvoy gespielt und hat ein größeres Problem mit Schizophrenie - stolze 24 Persönlichkeiten streiten um die Vorherrschaft in seinem Kopf.

Diese Figur hat Shyamalan 2016 in "Split" eingeführt, in dem Kevin drei Mädchen entführte und im Keller einsperrte, um sie an das "Biest" zu verfüttern - eine seiner vielen Superschurken-Persönlichkeiten. Leider behandelt Shyamalan das Aufeinandertreffen seiner alten Figuren wie eine Serienfolge, die nahtlos an das bisherige Geschehen anschließt. Ohne kürzlich noch mal "Unbreakable" und "Split" angeschaut zu haben, wird man an "Glass" eher wenig Freude haben.

Was ist nur mit M. Night Shyamalan los? Einst galt er als möglicher neuer Spielberg

Aber selbst wenn man sich brav vorbereitet hat, ist der Thriller leider vor allem ein weiteres Rätsel in der schon mehrfach aufgeworfenen Frage, was nur mit M. Night Shyamalan los ist. Der Mann galt um die Jahrtausendwende nach seinem ersten Horror-Hit "The Sixth Sense" und eben "Unbreakable" als Wunderkind des US-Kinos, mit kinematografischen Zauberkräften ausgestattet, die einen neuen Spielberg erahnen ließen.

Scheinbar mühelos verschmolz er in seinen Filmen die Genres, balancierte elegant zwischen Drama, Horror und einer Prise Komödie. Er verpackte alltägliche Großstadtdramen von Einsamkeit und Depression nach alter Märchentradition in spannende Gruselgeschichten. Darin stand dann nicht das übliche Effekt-Tohuwabohu der amerikanischen Filmindustrie im Vordergrund, sondern die Protagonisten.

Während die meisten Hollywoodproduktionen den Zuschauer mit ein paar Tausend hektisch geschnittenen Einstellungen überfallen, drehte er einen Blockbuster wie "Unbreakable" langsam wie ein Ingmar-Bergman-Drama, mit kaum mehr als 300 Einstellungen, wie Filmnerds gezählt haben. Das Publikum war trotzdem (oder gerade deswegen) gefesselt. In den letzten Jahren ließ sich die dunkel lockende Magie seiner alten Filme noch manchmal erahnen, zum Beispiel in "Split". Vor allem aber drehte Shyamalan einen Haufen Schrott wie das Sci-Fi-Desaster "After Earth", bei dem man sich fragte, ob es tatsächlich vom selben Regisseur gedreht worden war, der sich "Sixth Sense" ausgedacht hatte.

Der Kontrast zwischen den früheren und späteren Werken ist in "Glass" besonders krass zu beobachten, weil das Kinopotenzial der Charaktere ja bereits bewiesen ist. Aber Bruce Willis, Samuel L. Jackson und James McAvoy stolpern glanzlos durch diese Horrornummernrevue, der ein roter Faden fehlt. Shyamalan sperrt durch seine an den Haaren herbeigezogene Dramaturgie drei extrovertierte Personen zusammen, die sich gegenseitig die Schau stehlen. Der finstere Erzählton der Vorgängerfilme, der die psychische Instabilität der drei Männer und den daraus folgenden Alltagshorror ernst nahm und fast körperlich erfahrbar machte, ist einem peinlichen Psycho-Gehampel gewichen, das man so überdreht in keinem guten Comic finden würde.

Glass, USA 2018 - Regie, Buch: M. Night Shyamalan. Kamera: Mike Gioulakis. Mit: Sarah Paulson, Samuel L. Jackson, Bruce Willis, James McAvoy, Anya Taylor-Joy. Disney, 129 Minuten.

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