Lonesome, Band 1 (Splitter)

Oktober 22, 2018

Kansas im Februar 1861, kurz vor Ausbruch des Sezessionskrieges. Vor wenigen Jahren wurde das Territorium den USA eingegliedert. Doch es herrschen chaotische Zustände. Denn dort kämpfen militante Gruppen für und gegen die Abschaffung der Sklaverei. Auf der einen Seite die Border Ruffians, die für die Sklaverei eintreten, auf der anderen die Jayhawkers, Abolitionisten, die auf der Seite des Nordens stehen. Beide Gruppen versuchen notfalls mit Gewalt die Bevölkerung auf ihre Seite zu ziehen. Mitten in dieses aufgeheizte Klima platzt ein namenloser Fremder. Ein Mann über den wir nichts wissen, der sich aus unbekannten „persönlichen“ Gründen auf die Spur von Pastor Markham geheftet hat. Denn Markham ist ein übler sadistischer Hetzer, der es nicht nur bei Predigten gegen die Sklaverei und die Sklavenhalter belässt. Nein, er begeht grausame Verbrechen und schiebt diese dem Süden in die Schuhe. Auch in dem verschneiten Holton hinterlässt Markham verbrannte Erde, ehe unser unbekannter Rächer eingreifen kann. Doch als dieser in Holton ankommt, erkennt er, dass Markham in der Stadt einen mächtigen Unterstützer hat: den Bankier und Bürgermeister Harper, dem die halbe Stadt gehört und der Markham entlohnt und deckt…

Eine neue Westernserie von Yves Swolfs? Also Durango 2.0? Nein, das nicht. Zwar verwendet Swolfs einige Elemente, die wir auch von Durango kennen, die aber auch für den Italowestern an sich charakteristisch sind: der namenlose Rächer führt sich mit einer veritablen Schießerei ein. Er ist wortkarg und schnell mit seinem Karabiner. Und er muss im Laufe der Story etliches einstecken, liegt in Dreck und Blut. Auch typische klassische Western-Elemente sind zu finden: mit dem epischen Showdown (Stichwort „High Noon“) und dem finalen Duell zitiert Swolfs gängige Hollywood-Western-Regeln. Was ist also neu oder anders als bei Durango, seiner langjährigen Italowestern-Serie, außer dass diese einige Jahrzehnte später spielt? Zum einen ist da ein kleines aber entscheidendes Fantasy-Element, das der Rache-Story viel an Frische verhilft. Denn wenn unser Held einen Fremden berührt, kann er dessen Vergangenheit sehen. Eine Art Superkraft, die der Handlung immer wieder dienlich ist, da sie schnelle Wendungen herbeiführen kann, ohne jedoch in ihrer Eigenschaft überstrapaziert zu werden.

Zum anderen der historische Hintergrund. Nicht der amerikanische Bürgerkrieg an sich, sondern dessen Vorgeschichte bildet den geschichtlichen Überbau. Kansas als Land in Aufruhr, in dem sowohl die eine als auch die andere Seite ihren Einfluss auch gerne mit Gewalt geltend machen will. Noch korrupter und brutaler als im Wilden Westen ohnehin. Aufrechte Männer haben es schwer, wie der Journalist Marcus, der in seiner Zeitung nicht nur die Gewalt dokumentiert und anprangert, der auch dahinter blickt und recherchiert, welche Gruppen von dem Konflikt und auch von dem sich anbahnenden Bürgerkrieg profitieren werden. Potentielle Kriegsgewinnler, ob Politiker oder Bankiers. Und der damit natürlich genau jenen, zu denen auch Harper gehört, ein Dorn im Auge ist. Eine Ebene tiefer geht es dann um Leben und Tod. Harper setzt Clayton, seinen Handlanger und eingekauften Söldner auf den schnüffelnden Fremden an, der sich so gar nicht einschüchtern lässt. Zwar ist Pastor Markham schon unterwegs zu seiner nächsten „Station“, aber der Fremde muss sich zuerst der vermeintlichen Übermacht Claytons und seiner Schergen stellen, was er auch todesmutig wie gekonnt tut.

Ein guter Serienauftakt. Und keine abgeschlossene Geschichte. Wohl oder übel muss der namenlose Held („Mein Name sagt dir nichts…“) seine Rache an Markham aufschieben. Zwar werden die Hintermänner enttarnt (mittels der „Fähigkeit“ des Fremden), dessen Herkunft und Motiv bleiben aber noch weitestgehend im Dunkeln. Fortsetzung folgt also. Zeichnerisch bleibt Swolfs seinem Stil treu. Realistische Darstellungen, der Schule von Giraud und dessen Blueberry verbunden, wenn auch härter im Strich. Die verschneite Landschaft, die wir schon aus früheren Durango-Abenteuern kennen (siehe die Gesamtausgabe, auch bei Splitter), beeindruckt immer wieder, wie auch die charakteristischen Western-Closeups und die gediegenen erdigen Farben, für die Swolfs’ Tochter Julie verantwortlich ist. Wann geht es also weiter? Wissen wir noch nicht. Denn auch in Belgien/Frankreich ist bisher nur der eine Band erschienen. (bw)

Lonesome, Band 1: Die Spur des Predigers
Text & Bilder: Yves Swolfs
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
15,80 Euro

ISBN: 978-396219-172-6

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