Stan Lee erfand Superhelden mit Schwächen

Stan Lee hat Dutzende fiktive menschliche Comicfiguren erschaffen: aussen stark, innen schwach. Der Autor wurde selber zu einer Legende und ist dennoch bis heute umstritten. Jetzt starb er im Alter von 95 Jahren.

Philipp Bürkler
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Stan Lee bei einer Filmpremiere im vergangenen Jahr. Spider-Man, Hulk, Iron Man, Thor, und die X-Men gehören zu seinen bekanntesten Erfindungen. (Bild: Mike Nelson/EPA)

Stan Lee bei einer Filmpremiere im vergangenen Jahr. Spider-Man, Hulk, Iron Man, Thor, und die X-Men gehören zu seinen bekanntesten Erfindungen. (Bild: Mike Nelson/EPA)

«1922–2018 Excelsoir!» heisst es im letzten Tweet auf dem Account von Stan Lee, den sein Management am Montag abgesetzt hatte. «Excelsoir», also «höher hinaus», ist das Motto des Bundesstaates New York, aus dem Lee stammte. Mehr als 24000 Menschen haben den Tweet mittlerweile kommentiert. Auch zahlreiche Prominente haben via Twitter des verstorbenen «Superhelden» gedacht. Tribut zollte ihm auch Oscar-Akademie: «Stan Lee, danke dir für alles.» Und die Schauspielerin Jamie Lee Curtis schreibt:

«Du warst und wirst für immer ein Superheld sein.»

Lee war bis kurz vor seinem Tod dick im Geschäft in Hollywood. Noch am 3. Oktober ist die letzte Geschichte seines letzten Helden Tom Tanner erschienen. In«Backchannel» langweilt sich Tom Tanner am Tag an der High School, und in der Nacht erlebt er als Hacker die wildesten Abenteuer im Netz. Wegen eines Stromausfalls verschmelzen die nächtliche digitale und die tägliche analoge Welt zunehmend miteinander, und Tom verwandelt sich in einen Supercomputer.

Gross und erfolgreich geworden ist Lee in einer Zeit, als er seinen Lebensunterhalt als Schriftsteller, Produzent und Redaktor in der Verlagsindustrie mit Comics verdiente. Comics waren damals ein Genre, das etwa den gleich schlechten Ruf hatte wie die Pornoindustrie. In der letzten Ausgabe des legendären Comic-Magazins «Amazing Fantasy» publiziert Lee 1962 mit dem Zeichner Steve Ditko die Geschichte von Peter Parker, einem gewöhnlichen Teenager, der bei seiner Grossmutter lebt und von seinen Schulkameraden als Streber und Weichling verspottet wird.

Während seine Mitschüler ausgehen oder Sport treiben befasst sich Parker nämlich lieber mit Wissenschaft. Eines Tages beisst ihn eine radioaktive Spinne und verleiht ihm Superkräfte. Als ein Einbrecher seinen Onkel erschiesst, beschliesst er, fortan seine Kräfte in den Dienst des Guten zu stellen und mit ihnen böse Machenschaften zu bekämpfen. Die Geschichte um Spider Man war derart erfolgreich, dass Lee kurze Zeit später eine eigene Heftreihe publizierte.

Menschliche Figuren mit Superkräften

In den darauf folgenden Jahren erfand Lee mit seinem Team rund 350 Fantasyfiguren: Hulk, Avengers, Iron Man, Black Panther, The Fantastic Four, Thor, Ant-Man, Daredevil und die X-Men, sind nur einige der berühmtesten Helden. Das Besondere an Lees Figuren sind ihre menschlichen Züge. Obwohl sie alle über Superkräfte verfügen, weisen sie stets auch menschliche Schwächen auf. Genau deshalb können wir uns - und vor allem Generationen von Jugendlichen - mit ihnen identifizieren. Dennoch blieben seine Figuren auch Lee selbst ein Rätsel. «Ich wusste nie, wer diese Figuren sind», sagte er einst in einem Interview. Das genaue Gegenteil zu Lees Figuren sind Hollywood-Charaktere wie beispielsweise Batman. Hinter der 1939 von Bill Finger und dem Zeichner Bob Kane erschaffen Figur, verbirgt sich der Milliardär Bruce Wayne. Obwohl Spiderman und Batman beide gegen das Böse kämpfen, fällt die Identifikation des Publikums mit einem Teenager, der ebenfalls mit Alltagsproblemen kämpft, offenbar leichter als mit einem Milliardär.

Stan Lee, der Sohn rumänischer Einwanderer hatte seine Karriere in der Comicbranche 1939 als Assistent beim Verlag Timley angefangen. Es war jener Verlag, aus dem später Marvel wurde und der bis heute in Hollywood eine Geldmaschine ist. Alleine der Film «Black Panther», der im Frühling 2018 in die Kinos kam, erzielte an den US-Kinokassen mehr als 600 Millionen Dollar.

2009 kaufte Marvel Entertainment von Disney für vier Milliarden Dollar übernommen. Mit seinen Figuren, Lizenzen und dem Verkauf an Disney wurde Lee reich, aber nicht superreich, wie er immer wieder betonte. Sein Vermögen wird heute auf 50 bis 60 Millionen Dollar geschätzt. Nicht nur seine Comicfiguren weisen Schwächen auf, auch ihr Erfinder. Wegen des Vermögens liegt die Familie seit Jahren im Streit.

Auch Stan Lee hat menschliche Schwächen

Seine mittlerweile 67-jährige Tochter J.C. kämpft seit längerer Zeit gerichtlich um das Vermögen ihres Vaters. Erst im Februar ist es offenbar zu einem heftigen Streit um das Vermögen gekommen. Laut dem «Hollywood Reporter» äusserte Lee Bedenken, seine Tochter würde nach seinem Tod nicht massvoll mit seinem Geld umgehen können.

Dabei soll es zwischen ihm und seiner Tochter regelmässig zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen sein. Ausserdem soll J.C. bereits mehrmals gefordert haben, dass ihr Vater einige seiner Immobilien an sie vermache. Ein «Superheld» der während Jahren Superhelden auf dem Papier erfunden hatte, der im echten Leben selbst mit menschlichen und familiären Problemen zu kämpfen hatte.