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Atomsubventionen Britisches AKW könnte deutschen Ökostrom verteuern

In England soll ein neues Atomkraftwerk entstehen: Gebaut von Chinesen und Franzosen, gefördert mit Milliarden britischer Steuergelder - und mit Erlaubnis der EU-Kommission. Ein deutscher Ökostrom-Anbieter will nun klagen.
AKW Hinkley Point, Blöcke A und B: Steuergeld für unrentable Atommeiler

AKW Hinkley Point, Blöcke A und B: Steuergeld für unrentable Atommeiler

Foto: Matt Cardy/ Getty Images

Hamburg - Zwei Meiler, mehr als drei Gigawatt Leistung, 60 Jahre Laufzeit - und Gesamtkosten von weit mehr als 40 Milliarden Euro. Der geplante Block C des britischen Atomkraftwerks Hinkley Point an der Südwestküste Englands wird sich kaum gewinnbringend betreiben lassen. Es sei denn, der Steuerzahler kauft dem Energiekonzern den Strom teuer ab. Und genau das hat die Regierung in London vor. Mit bis zu 22 Milliarden Euro will sie das AKW subventionieren.

Weil Europa aber auch energietechnisch immer weiter zusammenrückt, könnten die neuen Meiler in England auch die Förderung erneuerbarer Energien in Deutschland verteuern - das ist das Ergebnis eines Gutachtens, das der Hamburger Stromanbieter Greenpeace Energy in Auftrag gegeben hat. Verlierer wären demnach Stromkunden in Deutschland und vor allem kleinere Ökostromanbieter. Greenpeace Energy wird deshalb nach Informationen von SPIEGEL ONLINE jetzt gegen die EU-Kommission klagen, die mit ihrer Zustimmung die Subvention des Atomstroms erst ermöglicht hat.

Staatliche Beihilfen verzerren den Wettbewerb in Europa und müssen deshalb immer von der EU-Kommission genehmigt werden. Kurz vor Ihrem Ausscheiden tat die alte Kommission das auch noch. Der Protest gegen die Entscheidung war laut: Greenpeace empörte sich ebenso wie die Grünen im Europaparlament, die österreichische Regierung kündigte sogar eine Klage an. Die EU-Kommission verwies auf andere Beispiele für staatliche Beihilfen bei der nationalen Energieversorgung: Deutschland beispielsweise nehme energieintensive Betriebe von der Förderung für erneuerbare Energien größtenteils aus.

Abnahmegarantie zum doppelten Marktpreis

Die Verzerrung ist im Fall Hinkley Point C allerdings deutlich größer. Die Regierung in London garantiert für den Atomstrom 35 Jahre lang einen Abnahmepreis von rund elf Cent pro Kilowattstunde zuzüglich Inflationsausgleich - doppelt so viel wie der aktuelle Marktpreis und teilweise mehr als die Vergütung für Wind- oder Solarstrom in Deutschland. Profiteure sind die Bauherren und Betreiber: Der französische Nuklearkonzern Electricité de France (EdF), der angeschlagene Kraftwerksbauer Areva und ein Konsortium chinesischer Unternehmen.

Greenpeace Energy argumentiert, die milliardenschweren Beihilfen verzerrten den europäischen Wettbewerb, mit Folgen für das eigene Geschäft. Der "hoch subventionierte Atomstrom" beeinflusse auch die Börsenpreise für Strom in Deutschland, sagt Greenpeace-Energy-Vorstand Sönke Tangermann: "Weil dieser Effekt engagierte Ökostrom-Anbieter wie uns wirtschaftlich benachteiligt, ziehen wir vor Gericht."

In einem von dem Stromanbieter in Auftrag gegebenen Gutachten heißt es, der günstige Atomstrom aus den Meilern von Hinkley Point C werde zu einer Verschiebung des Preisniveaus auf dem europäischen Strommarkt führen. Durch den sinkenden Börsenpreis für Strom in Deutschland würden vor allem jene Versorger benachteiligt, die zu fixen Preisen direkt bei den Anlagenbetreibern einkauften - wie eben Greenpeace Energy.

Deutsche EEG-Umlage könnte steigen

Gleichzeitig, so die Gutachter von Energy Brainpool, würde der AKW-Neubau in Großbritannien die deutsche Ökostromförderung verteuern: Nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wird den Betreibern von Solaranlagen oder Windkraftwerken die Differenz zwischen dem Strompreis an der Börse und der (teureren) Erzeugung mit der EEG-Umlage bezahlt - damit Ökostrom keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber konventionell hergestellter Elektrizität hat.

Wenn aber der Strompreis sinkt, dann steigt die Differenz zwischen dem tatsächlichen Strompreis und dem fixen Abnahmepreis, den Betreiber von Ökostromanlagen garantiert bekommen - und die Verbraucher per EEG-Umlage ausgleichen müssen.

Ein von französischen und chinesischen Unternehmen gebautes und durch die britische Regierung subventioniertes Atomkraftwerk belastet dem Gutachten zufolge also das deutsche Fördersystem für erneuerbare Energien. Zwar ist der Effekt eher gering: Das Gutachten geht von einer Belastung des EEG-Kontos von höchstens 17 Millionen Euro aus - ein verschwindend kleiner Wert angesichts einer ausgezahlten EEG-Umlage in Höhe rund 20 Milliarden Euro. Allerdings fürchtet Greenpeace Energy, dass der Effekt sich vervielfachen wird.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat im vergangenen Herbst einen europäischen Investitionsfonds vorgestellt, der mit 315 Milliarden Euro gefüllt sein soll. Schon jetzt wünschen sich einige weitere Länder wie Polen, Tschechien, die Slowakei, Rumänien und Lettland Beihilfen für ihre neu zu bauenden AKW, was den Effekt ebenso verstärken würde, wie der Ausbau grenzüberschreitender Stromleitungen, den die EU-Kommission unter dem Stichwort "Energieunion" verwirklichen will.

Vor allem will Greenpeace Energy mit seiner Klage erreichen, "diesen Türöffner für weitere riskante und absurd teure Atomkraftprojekte in Europa" zu verhindern.

Zusammengefasst: Der Ökostromanbieter Greenpeace Energy will mit einer Klage verhindern, dass Großbritannien den Neubau eines Atomkraftwerks mit 22 Milliarden Euro subventioniert. Sonst könnte billiger Atomstrom die Ökostromförderung in Deutschland verteuern.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Textes hieß es, dass die EEG-Umlage steigt, wenn der Strombörsenpreis sinkt. Das ist nicht korrekt. In Wahrheit vergrößert sich die Differenz zwischen dem tatsächlichen Strompreis und dem garantierten Abnahmepreis - was die Kosten für die EEG-Umlage in die Höhe treibt. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten, ihn zu entschuldigen.

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