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Der große Run auf die Bücher

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Gefühlt die schlimmste Halle zum Durchlaufen. Halle 3.0
Gefühlt die schlimmste Halle zum Durchlaufen. Halle 3.0 © Renate Hoyer

Eine Affinität zum Schlange-Stehen brauchte man definitiv bei der Buchmesse in Frankfurt. Egal ob bei den Autogrammstunden oder am Foodtruck.

Ich stehe im Stau“, brüllt die Frau im gelben Kleid in ihr Smartphone. Sie muss auch brüllen, denn es ist sehr, sehr laut. Und aufgrund der Stausituation ist nicht nur sie im leicht bis mittelschweren Aggro-Modus angekommen.

Die Besucher kämpfen sich in Halle 3.0 durch. Es ist gefühlt die schlimmste Halle zum Durchlaufen und Atmen auf der Frankfurter Buchmesse an diesem Besucherwochenende. In 3.0 findet man Bücher zu Angeln, Basteln, Kochen, TKKG bis hin zu Liebesherzklopf und Fantasy. Eine Etage darüber in 3.1. ist es etwas besser, aber nicht viel. „Wenn die Fans gedurft hätten, hätten sie am Abend zuvor hier gezeltet“, erzählt ein Herr am Stand des Fischer-Verlags und lacht. Er spricht von der Signierstunde der irischen Bestsellerautorin Cecelia Ahern am Samstag. Eine Endlosschlange.Bequeme Schuhe und eine Affinität zum Schlangestehen sind am ganzen Wochenende von Vorteil. Tausende Besucher kamen an beiden Tagen.

Paar hundert sind die Ahern-Fans. Sie sind zwischen 16 und Mitte 20 und weiblich. Ein Mann traut sich dazwischen. Viele von Aherns Liebesromanen sind verfilmt worden. Berühmtes Beispiel ist „P. S. Ich liebe Dich“ mit Hollywoodstar Hilary Swank. „Manche ihrer Fans kamen mit total durchgelesenen Ausgaben zur Signierstunde“, erzählt der Herr vom Fischer-Verlag und freut sich: „Eine total schöne Stimmung.“ Sogar Geschenke gab es für die Autorin, von Piccolo bis Schoki.

Da hat sie Glück, denn wer sich zwischendrin etwas zu essen oder trinken kaufen will, braucht viel Geduld. Denn es gibt zwar sehr viele Foodtrucks, aber trotzdem stehen nicht nur zur typischen Mittagszeit auf dem Außengelände der Messe die Menschen in sehr langen Schlangen an. „Ich habe mich hier angestellt, nicht weil ich dieses kleine Sandwich für acht Euro so attraktiv finde, aber es war die kürzeste Schlange von allen“, sagt eine 40-Jährige aus Heilbronn. Sie ist hier, um nach Büchern für ihre Kinder zu schauen. „Aber ich habe die Kinder Gott sei Dank bei den Massen zu Hause gelassen“, sagt sie. Nach 40 Minuten hält sie ihr Sandwich in der Hand. Dann setzt sie sich mit ihrer Freundin in die Sonne. „Zumindest ist es herrliches Sommerwetter“, sagt sie.

Überall auf der Buchmesse laufen die Fantasiefiguren aus der Manga- und Anime-Welt durch die Gänge: die Cosplayer. Manche zeigen viel nackte Pobacken und Bauch, andere tragen lange Kleider wie aus der Sisi-Zeit. Eine Frau hat so ein pompöses Kleid an, dass immer wieder jemand versehentlich darauf tritt. Sie selbst nimmt das mit Humor. „Ich bin selbst schuld, wenn ich so etwas bei den Massen anziehe“, sagt sie und lacht. Es gibt auch in diesem Jahr eine Cosplay-Area in Halle 1.1. Diese ist sogar auf 8000 Quadratmeter ausgeweitet worden, so beliebt war sie in den Vorjahren, so die Buchmessen-Veranstalter.

Anne (17) aus Darmstadt ist eine der vielen Cosplayer. Sie läuft in ihrem selbst genähten Ballkleidchen aber mit ihrer Mutter über die Buchmesse. „Ich habe mir einen eigenen Fantasycharakter ausgedacht. Ich bin ein süßes Kätzchen.“ Die Buchmesse ist eine Art Laufsteg für sie und die vielen anderen Cosplayer. „Für mein Outfit bekomme ich dauernd Komplimente“, sagt sie.

Sie liebt Mangas, begleitet ihre Mutter aber auch zu einem Vortrag über die Entwicklung der Literatur im diesjährigen Gastland Georgien. „Das macht sie nur mir zuliebe“, sagt ihre Mutter. Die 50-Jährige mag vor allem Fantasy und sucht nach neuen Büchern. „Manchmal kaufe ich auch ein Buch, weil mich ein Autor am Stand von seiner Geschichte überzeugt hat“, sagt sie. Jedes Jahr kommt sie hierher. „Mich ärgert nur, dass das Ticket für beide Tage mittlerweile 30 Euro kostet, und diesmal ist nicht mal der RMV inklusive. Das bedeutet, für mich und meine Tochter zahle ich allein 50 Euro pro Person an diesem Wochenende“, sagt sie.

Sie hätte sich auch überlegt, zu Marc-Uwe Kling zu gehen. Vier Jahre mussten sich seine Fans gedulden, bis er wieder nachgeliefert hat: Vor ausverkauftem Saal liest der Erfolgsautor am Samstag aus seinem neuen Werk „Känguru-Apokryphen“. „Aber das hätte fünf Euro extra Eintritt gekostet. Auch wenn er diese für einen guten Zweck spendet, geht das doch auf Kosten meines Portemonnaies“, sagt die Darmstädterin. Wer Otto Waalkes sehen und hören wollte, der aus „Kleinhirn an alle: Die große Ottobiografie“ vorlas, musste sogar knapp 30 Euro extra zahlen.

Kein Geld, nur viel Geduld benötigen die Fans bei der Signierschlange der Jugendbuchautorin Laura Kneidl. Sie ist nicht so weit vom Alter ihrer Fans entfernt, denn sie ist selbst Jahrgang 1990. „Sie hat einen tollen Schreibstil und schreibt Fantasy. Und es gibt meist eine Liebesgeschichte und die Protagonisten lernen sich meist in der Uni kennen“, sagt Diana (17).

Seit 45 Minuten steht sie schon vor der Halle 3.0 und hat mäßige Fortschritte gemacht. „Ich fürchte, ich werde heute nicht mehr drankommen.“ Keinen einzigen Platz mehr gibt es auf dem bestuhlten Busdeck von Amnesty International auf dem Außengelände. Hier spricht Deniz Yücel, der „Welt“-Reporter, der ein Jahr lang wegen angeblicher „Terrorpropaganda“ in der Türkei in Untersuchungshaft saß.

Die Menschen am Samstag stehen hochkonzentriert auf dem gegenüberliegenden Außentreppengelände, um etwas zu sehen – und zumindest ein paar seiner Sätze zu hören. Er spricht über Erdogan und dass „die Schäden, die dieses Regime in der Gesellschaft angerichtet hat“, mehr bedürften als nur einen Machtwechsel. Die Folgen würden „mindestens noch eine Generation“ andauern.

Ein ganz anderes Publikum sitzt am Samstag mit Blitznarbe auf der Stirn, schwarzer Brille und Zauberumhang im Congress Center – beim Versuch, den Weltrekord des größten Harry-Potter-Fantreffens mit 1000 Kostümierten zum 20. Jahrestag von Harry Potter nach Deutschland zu holen. Der vom deutschen Potter-Verlag Carlsen angestrebte Weltrekord scheitert jedoch. Es sind 100 Fans zu wenig gekommen. Die Bestleistung hält also weiter Australien mit 997 Potter-Kostümierten. „Vielleicht klappt es zum 25. Jubiläum. 25 ist eine magische Zahl“, sagt ein weiblicher Harry.

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