#freedeniz

Bundesregierung bezieht Stellung im Yücel-Prozess

Autorenprofilbild von Daniel-Dylan Böhmer
Von Daniel-Dylan BöhmerSenior Editor
Veröffentlicht am 01.02.2018Lesedauer: 3 Minuten
#Free Deniz
Ein Schild mit der Aufschrift «#Free Deniz» an einem Kinderwagen in Flörsheim, der Heimatstadt von Deniz Yücel. Foto: Andreas Arnold/ArchivQuelle: dpa-infocom GmbH

Berlin macht seine Position vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte deutlich. Man werde nichts unversucht lassen, sagt Justizminister Maas. Der Notstand rechtfertige nicht übermäßigen Druck auf Journalisten.

Die Bundesregierung hat ihre Stellungnahme im Verfahren um die Inhaftierung des WELT-Korrespondenten Deniz Yücel vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) abgegeben. Nach WELT-Informationen weist die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass Yücel ausschließlich aufgrund seiner Berichterstattung inhaftiert wurde. Es bestehe Anlass zur Sorge, dass seine Inhaftierung gegen die Grundrechte und -freiheiten verstoße, wie sie in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben seien.

„Jede Unterdrückung von kritischer Berichterstattung ist mit unserem Verständnis von Pressefreiheit nicht vereinbar“, sagt Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) WELT. „Wir werden nichts unversucht lassen, um uns für ein rechtsstaatliches Verfahren für Deniz Yücel einzusetzen. Deswegen haben wir auch im Verfahren vor dem EGMR eine Stellungnahme abgegeben und darin unsere Position sehr deutlich gemacht.“

Nach Auffassung der Juristen der Bundesregierung kann sich die türkische Regierung bei der Einschränkung von Bürgerrechten nicht in jedem Fall auf den Ausnahmezustand berufen, der seit dem gescheiterten Putschversuch vom Juli 2016 herrscht.

„Wir legen in der Stellungnahme auch dar, dass selbst in einem Notstandsfall, auf den die Türkei sich aufgrund des gescheiterten Putschversuchs von 2016 beruft, ein Eingriff in das Freiheitsrecht aus Art. 5 der Konvention nicht grenzenlos möglich ist“, heißt es aus dem Bundesjustizministerium. Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention schützt Freiheit und Sicherheit der Bürger auch vor staatlichen Eingriffen.

Mehrere internationale Institutionen hätten die Befürchtung geäußert, „dass die auf diesen Putsch folgenden staatlichen Maßnahmen – auch strafrechtliche Maßnahmen – zu einem übermäßigen Druck auf die Presse und auf einzelne Journalisten geführt haben“, heißt es aus dem Ministerium. „Wir teilen diese Bedenken.“

Auch gegen ein weiteres Argument der türkischen Regierung gegen Yücels Beschwerde hat die Bundesregierung Einwände. Ankara hat kritisiert, dass Yücel den EGMR angerufen hatte, bevor das türkische Verfassungsgericht über den Fall entschieden hatte. Zwar darf der EGMR erst über Fälle urteilen, in denen der nationale Rechtsweg ausgeschöpft ist. Dies setzt aber nach der Rechtsprechung des Gerichts voraus, dass es im jeweiligen Land überhaupt einen wirksamen Beschwerdeweg gibt.

Dazu heißt es nach Informationen von WELT in der Stellungnahme der Bundesregierung, das türkische Verfassungsgericht sei offenkundig überlastet und könne Fälle nicht zeitgerecht behandeln. Auch weisen die Juristen des Justizministeriums auf zwei aktuelle Fälle hin: Das Gericht hatte kürzlich die Freilassung der beiden Journalisten Sahin Alpay und Mehmet Altan verfügt.

Doch hohe Regierungskreise bezichtigten das Gericht, damit seine Kompetenzen überschritten zu haben, woraufhin Richter unterer Instanzen sich mit derselben Begründung weigerten, das höchstrichterliche Urteil umzusetzen.

Nach Eingang der Stellungnahme kann das Gericht eine öffentliche Anhörung zulassen oder in nicht öffentlicher Sitzung befinden. Kürzlich war gemeldet worden, das Gericht wolle noch vor der Sommerpause entscheiden, ob Yücels Inhaftierung mit der Menschenrechtskonvention vereinbar ist.


Mehr aus dem Web

Neues aus der Redaktion

Auch interessant

Weitere Themen