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OECD-Ländervergleich Warum Frauen in Deutschland so wenig verdienen

Immer mehr Frauen in Deutschland sind berufstätig. Doch laut einer neuen Studie tragen sie so wenig zum Haushaltseinkommen bei wie in keinem anderen europäischen OECD-Land.

Es ist einiges passiert in den vergangenen 15 Jahren bundesdeutscher Gesellschaftspolitik - aber längst nicht genug. Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die steigende Erwerbstätigkeit von Frauen, die bessere Versorgung mit Kitaplätzen: Die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) attestiert Deutschland in einer umfangreichen Studie beträchtliche Fortschritte. Die Analyse wird am Montag in Berlin vorgestellt. (Diese Meldung stammt aus dem SPIEGEL. Den neuen SPIEGEL finden Sie hier.)

Und doch gibt es auch immer noch eine Menge Defizite. Demnach arbeiten 37,5 Prozent der erwerbstätigen Frauen in Deutschland in Teilzeit, mehr als in anderen Ländern. Von den erwerbstätigen Müttern verdient sogar über die Hälfte ihr Geld in Teilzeit. Allerdings vielfach nicht freiwillig, sondern weil starre Öffnungszeiten von Schulen, Kindergärten und Kitas insbesondere die Mütter dazu zwingen.

Zwar sind die öffentlichen Investitionen in frühkindliche Betreuung, in Bildung und Erziehung in den vergangenen Jahren in Deutschland gestiegen und liegen inzwischen über dem OECD-Durchschnitt. Und doch bleibt Deutschland in Europa in einigen Punkten das Schlusslicht: Nirgendwo tragen etwa Frauen anteilig so wenig zum Familieneinkommen bei. Der durchschnittliche Anteil am Familieneinkommen beträgt in Deutschland 22,4 Prozent, in Dänemark sind es beispielsweise 42 Prozent.

Foto: OECD

Und das, obwohl die Erwerbstätigenquote der Frauen in Deutschland in den vergangenen 15 Jahren von 58,1 auf 69,5 Prozent gestiegen ist - nach Chile der zweitgrößte Anstieg im gesamten OECD-Raum. Damit hatte Deutschland im Jahr 2014 den höchsten Anteil erwerbstätiger Frauen außerhalb der nordischen Länder und der Schweiz.

Kritisch vermerkt die Studie jedoch das nach wie vor bestehende Einkommensgefälle. So verdienten vollzeitbeschäftigte Frauen im Jahr 2013 13,4 Prozent weniger als vollzeitbeschäftigte Männer. Besonders ausgeprägt sind die Unterschiede dabei im unteren Lohnsegment.

Absolute Priorität hat für die OECD-Forscher jedoch eine gerechtere Aufteilung der Chancen und Pflichten in Arbeits- und Privatleben. Davon profitierten sowohl die Familien als Ganzes als auch die einzelnen Familienmitglieder, so die Wissenschaftler. Väter, die Zeit mit ihren Kindern verbringen, hätten ein geringeres Scheidungsrisiko und seien subjektiv zufriedener mit ihrem Leben sowie physisch und psychisch gesünder als weniger engagierte Väter.

Foto: OECD

Außerdem bemerkenswert: Berufstätige Mütter verändern die Gesellschaft langfristig. Sie tragen, so besagt die Studie, "zu generationsübergreifenden Effekten im Hinblick auf die künftige Gleichstellung der Geschlechter" bei. Kinder, deren Mütter berufstätig waren und sind, erwarteten "von der Gesellschaft eher, dass sie Frauen auf dem Arbeitsmarkt die gleichen Chancen bietet wie Männern". Söhne, die von berufstätigen Müttern erzogen wurden, "verbringen als Erwachsene später mehr Zeit mit der Betreuung der Kinder als Söhne von Hausfrauen".

Vor allem aber: Töchter berufstätiger Mütter "sind erfolgreicher auf dem Arbeitsmarkt": "Ihre Arbeitsplätze sind besser, ihre Bezahlung ist höher und ihre Arbeitszeiten sind länger als diejenigen von Töchtern von Hausfrauen."

So ist auch die Wirtschaft, wenn sie weiterwachsen will, auf das Potenzial der Frauen angewiesen. Würde die Beschäftigungsquote der Frauen in den OECD-Ländern in den kommenden 20 Jahren das Niveau der Männer erreichen, würde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) allein dadurch um 12 Prozent steigen. Oder anders: "Der Wirtschaft entstehen potenziell große Verluste, wenn Frauen zu Hause bleiben oder einer Teilzeitbeschäftigung mit geringem Stundenumfang nachgehen."

Die OECD sieht aber auch bereits Fortschritte: Auf die Frage, ob Väter oder Mütter bezahlte Elternzeit nehmen sollten, zeigte sich die deutsche Bevölkerung nach den Schweden als eine der egalitärsten.

Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) sieht sich in ihren Bemühungen ermuntert: "Es ist doch erfreulich, dass die OECD Deutschland ausdrücklich ermutigt, mehr Väter zur Inanspruchnahme der Elternzeit zu motivieren und zudem weitere Förderinstrumente zu entwickeln." Schwesigs Plan: eine Familienarbeitszeit. Sie will es künftig Eltern kleiner Kinder ermöglichen, dass beide zwischen 28 und 36 Stunden arbeiten können. Dazu sollen die Eltern für einen begrenzten Zeitraum, so die Idee der Ministerin, 300 Euro Familiengeld erhalten.

Bei allen Bemühungen der Ministerin - mental ist in Deutschland für die Autoren der Studie noch eine Menge zu tun: In den alten Bundesländern ist der Großteil der Bevölkerung immer noch der Auffassung, dass Mütter - wenn überhaupt - nur in Teilzeit arbeiten sollten.